Wie bereits die Schule Staats­gläubig­keit und Anti­kapitalis­mus fördert

Immer wieder stellt sich die Frage, weshalb wir eigentlich so geringes wirtschaftliches Verständnis in der Bevölkerung haben. Warum  Bürger am liebsten beim Staat arbeiten wollen, weshalb sie für alle Probleme die Lösung im Staat und seinen überwiegend mäßig qualifizierten Politikern suchen.

Eine wichtige Rolle spielen die Schulen. Dort dominiert – wenig verwunderlich – eine staatsgläubige Sicht. Nun könnte man hoffen, dass bei den Institutionen, die die Materialien für den Unterricht zur Verfügung stellen, mehr auf Qualität und Ausgewogenheit geachtet wird. Dies ist genau nicht der Fall, wie wir heute an zwei Beispielen sehen.

Zunächst konkret das Unterrichtsmaterial der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zum Thema “Wohnungsnot”. Was sollte man da erwarten? Themen wie steigenden Nachfrage durch Zuzug und Migration und den Wunsch nach immer größeren Flächen pro Kopf. Die Möglichkeiten zur Angebotsausweitung durch mehr Bautätigkeit, aber auch die Reduktion der Fehlbelegungen im Bestand, um beispielsweise große Wohnungen für Familien freizubekommen.

Wenn man reinschaut,

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: “Wohnungsnot – wenn Wohnen Luxus wird

… findet man dazu – nichts. Stattdessen eine wahre Flut an staatlichen Instrumenten, die per Definition das Problem nicht lösen, sondern verschärfen: Neubau ist nicht positiv, sondern verdrängt alte Mieter. Eigentümer sollten nicht frei über ihr Eigentum verfügen, Luxus und Wohlhabende sind schlecht. Dass der Bau von jeder Art von Wohnung den Markt entspannt, wird nicht erwähnt. Das Bild des Vermieters: dick, spießig mit Krawatte, moderat sympathisch, hätte schlimmer sein können.

Dass es schlimmer geht, unterstreicht die Bundeszentrale für die politische Bildung, die das Buch „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“ der taz-Journalistin Ulrike Herrmann jetzt in einer Billigausgabe vermarktet. Abgesehen davon, dass ich meine, die Bundeszentrale sollte dann auch mein Buch in das Programm aufnehmen, nicht nur, weil es inhaltlich deutlich besser ist, sondern weil es die heutigen Märchen aufdeckt, unterstreicht diese Aktion, wie zutiefst marktfeindlich die Akteure sind.

Mein morgiger Gesprächspartner im Podcast, Professor Stefan Kooths vom IfW in Kiel, hat das Buch von Ulrike Herrmann für die F.A.Z. besprochen:

  • “Mit abstrusen Thesen und krassen Widersprüchen irrlichtert sie durch die deutsche Nachkriegsgeschichte. Unversehens rückt dabei eine liberale Wirtschaftsordnung in den Dunstkreis des Nationalsozialismus, dessen Kommandowirtschaft groteskerweise das Etikett ‘liberalistisch’ verpasst bekommt: Lohnstopp, Preisstopp, Devisenbewirtschaftung, Rohstoffzuteilung, Vierjahrespläne, Zwangsarbeit und Raub statt Tausch – weiter kann ein System nicht von liberalen Ideen entfernt sein.” – bto: Natürlich, es war ja auch offiziell Nationalsozialismus.
  • “Für Herrmann zählt nur die formale Hülle des Privateigentums. Als ob damit noch Verfügungsrechte für freies Unternehmertum verbunden gewesen wären. So wird der Liberalismus gezielt diffamiert – und zwar mit der hierzulande übelsten Waffe, der Nazi-Keule.” – bto: Man denke an den Eigentümer einer Mietwohnung in Berlin, der noch nicht einmal eine marktgerechte Miete nehmen darf, vor Gericht prinzipiell verliert, weil er der Vermieter ist …
  • “Ähnlich drastisch geht Herrmann mit Ludwig Erhard ins Gericht, den sie als Opportunisten, Lügner und einfältigen Ökonomen abstempelt. (…) Einem unbedarften Leser wird Erhards Wirtschaftspolitik nur deshalb als naiv vorkommen, weil deren Konzeption nicht mal ansatzweise ausgeleuchtet wird. So hat die Gesinnungs- gegenüber der Verantwortungsethik leichtes Spiel.” – bto: Wenn man die Marktwirtschaft diskreditieren will, muss man deren offensichtlichen Erfolg diskreditieren. Ich war ohnehin schon geschockt, dass das Buch so erfolgreich war. Es nun auch noch zum “Standard” der wirtschaftlichen Bildung der kommenden Generationen zu machen, ist ein Zeichen für den dirigistischen und planwirtschaftlichen Weg, den Deutschland geht.
  • “Das gipfelt in dem Vorwurf, die Preisfreigabe im Juni 1948 sei ein Riesenfehler gewesen. Erhard wusste – anders als Herrmann – um die Funktion von Relativpreisen in einer Marktwirtschaft. Drei Jahre nach dem Untergang des NS-Regimes wollte er dessen wirtschaftspolitischer Hinterlassenschaft, dem Zwangsbewirtschaftungssystem, ein Ende setzen. Herrmann zeigt dafür kein Verständnis. Ebenso wenig wie für seinen Wettbewerbsbegriff, der mehr auf Welt- als auf Wochenmärkte setzt. Sein historisches Verdienst, gegen den sozialistischen Zeitgeist für eine marktwirtschaftliche Ordnung einzutreten, mutiert bei Herrmann gar zum Indiz für eine antidemokratische Haltung.” – bto: Dabei gibt es nichts Demokratischeres als den Markt. Gut, er macht es jenen, die keinen Beitrag leisten wollen, schwer. Denen, die es nicht können, hilft die soziale Komponente.
  • “Abenteuerlich mutet die Bagatellisierung der Wiederaufbauleistung nach 1945 an. Die These hier: Weil die Aufgabe banal war, kam der Wirtschaftsordnung keine große Bedeutung zu. Die Produktionskapazitäten seien nach Kriegsende im Großen und Ganzen intakt gewesen. Man hätte einfach da weitermachen können, wo man 1939 aufgehört hatte. Wie immer man das Ausmaß der Kriegsschäden einschätzt – die Deformation der auf Rüstungsproduktion und Autarkie getrimmten Wirtschaftsstruktur, der massive Kapitalbedarf für den Wohnungsbau, die Integration von Millionen Flüchtlingen, der kolossale Geldüberhang, all das waren gravierende Probleme als Folge tatsächlicher Knappheiten und massiver Verzerrungen.” – bto: Es war ja im Osten zu beobachten, wie die andere Wirtschaftsordnung damit fertig wurde.
  • “Aber für beides ist im brachialkeynesianischen Denken kein Platz, das blind ist für einzelwirtschaftliche Koordinationsprozesse, Strukturfragen einfach unterbuttert und selbst in einem verwüsteten Land keine Knappheiten gelten lässt, die sich nicht durch Konjunkturprogramme aus der Welt schaffen ließen. Der Importsog der frühen Aufbaujahre hätte sie stutzig machen können – aber dann hätte Erhards Politik schon weniger naiv gewirkt.” – bto: Nein, es ist klar, dass das Buch nur eine Intention hatte: die Marktwirtschaft zu diskreditieren. Das darf man machen. Aber man darf es nicht zum Lehrinhalt machen ohne eine alternative Beschreibung.
  • Übervereinfachung und selektive Problemdiagnose – darauf läuft das neue Denken hinaus, das mit ‘vermeintlichen Gewissheiten’ und ‘Mythen der Wirtschaftspolitik’ aufräumen will. (…) Einige Kostproben: 1) Es könne nur der Einzelne sparen, nicht aber die ganze Wirtschaft. Doch, kann sie. Nennt sich Kapitalakkumulation und funktioniert seit Jahrhunderten – sogar global. 2) Außenhandel sei ein Nullsummenspiel. Nein, ist er nicht. Zeigt eher, dass das neue Denken vielfach ein Rückfall in alte merkantilistische Irrtümer bedeutet. 3) Das Stabilitätsgesetz schreibe ausgeglichenen Außenhandel vor. Nicht wirklich, dort ist von außenwirtschaftlichem Gleichgewicht die Rede, was etwas anderes ist und deshalb nicht zur Skandalisierung von Exportüberschüssen taugt. 4) Die Wiedervereinigung habe keinen Cent gekostet. Schön wär’s. Den Befund für das Gegenteil liefert Herrmann selbst. 5) Produktivitätswachstum löse das Rentenproblem. Durchaus, sofern man sich von der dynamischen Rente oder der produktivitätsorientierten Entlohnung verabschiedet. 6) Die Bundesbank sei ein undemokratischer Staat im Staate gewesen. Ohne den breiten Konsens in der Bevölkerung hätte die Bundesbank ihre Unabhängigkeit niemals bewahren können. Mehr demokratischer Rückhalt geht nicht. 7) Wirtschaftswachstum senke den Rohstoffverbrauch nur relativ, aber nicht absolut. Ein Blick auf die Daten zeigt das Gegenteil. 8) Wegen endlicher Ressourcen sei jetzt Schluss mit Wachstum. Sah der Club of Rome auch schon mal so, hatte dabei aber die Rechnung ebenfalls ohne Relativpreise gemacht. Dem Wesen des Wachstums kommt man mit Tonnendenken nun einmal nicht auf die Spur. Insgesamt also von einem Extrem ins andere – 70 Jahre spielte Knappheit keine Rolle, jetzt wird sie zur ultimativen Wachstumsbremse. Womit These 5 endgültig auf Grund läuft und die bislang universell gepriesene Nachfragepolitik selbst für Keynesianer obsolet wird.” – bto: was für eine knappe und vernichtende Beerdigung der “Mythen”. Witzig, Fratzscher sprach auch von “Mythen der Geldpolitik”, die nicht weniger Blabla waren wie das hier.
  • “Das Buch lässt den Leser ratlos zurück: Hat doch ein unfähiger Erhard die deutsche Wirtschaft auf das falsche Gleis gesetzt, die Bundesbank die Stabilität ständig torpediert und auch sonst die Wirtschaftspolitik alles falsch gemacht. Nur der Wohlstand ist einfach immer weiter gewachsen. Ein Wunder. Oder es war vielleicht doch nicht alles falsch, und Wachstumsschwächen wie Krisen könnten etwas mit der Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien zu tun haben. Doch darüber schweigt sich dieses Märchenbuch aus. Es klärt nicht auf, sondern zersetzt den Diskurs durch Konfusion und maßlose Einseitigkeit. So etwas taugt nicht für die politische Bildung. Umso erstaunlicher, dass die gleichnamige Bundeszentrale mit einer Billigausgabe neuerdings den Vertrieb ankurbelt.” – bto: Und einige dieser Markteingriffe, die zu Krisen und Niedergang führen, diskutiere ich morgen um 9:00 Uhr mit Prof. Kooths.