Wer glaubt, es läge an den Kapitalkosten, dass nicht investiert wird, hat keine Ahnung!

Was für ein Blödsinn, kann man da nur ausrufen! Nachdem schon vor Jahren die Ökonomen der italienischen Generali Versicherung – übrigens auch in der FINANCIAL TIMES (FT) – nach Aktienkäufen der EZB verlangt haben, nun also die gleiche Forderung von Blackrock. Übrigens einer der größten Eigentümer der Aktien, die nun gekauft werden sollen …

Die Argumentation geht so:

  • “(…) European companies are losing ground to their American and Chinese counterparts, as torpid domestic growth stifles the desperately needed competitive stimuli of innovation and investment. This shortfall is highlighted by a ranking this year of the world’s largest “unicorns” (private start-ups valued at more than $1bn). Just 15 of the top 250 were eurozone-based, versus more than 175 in the US and China combined.” – bto: weil bei uns das billige Geld die Zombies füttert oder zu Akquisitionen mit zweifelhaftem Nutzen verleitet.
  • “(…) policymakers underestimate the damage that the policy of abnormally low-for-long interest rates causes to the banking, insurance and pension systems. These are the hubs of financing and investment in any economy, particularly one with an ageing demographic in need of income-generating investments. European banks are being punished by negative rates, which compress net interest margins and hinder economic multipliers.” – bto: Danke, also sollten wir damit aufhören – oder?
  • “(…) how can the ECB positively influence the private sector and improve European growth prospects? (…)  Having nearly exhausted its options on the debt side, the ECB should consider expanding QE to include equity investments to lower the cost of equity for European enterprises. That could narrow the abnormally large spread between the cost of capital and the economic growth rate.” – bto: Nachdem auch die Unternehmen schon fast nichts mehr für ihre Schulden bezahlen, will man nun die Eigenkapitalkosten weiter senken.
  • “Lowering the cost of equity would stimulate growth through organic channels of investment, including research and development, which can provide durable economic gains. The Bank of Japan has also purchased equities as a policy tool, with debatable benefit. However, the European economy is in many respects different than that of Japan. Europe has attractive terms of trade and strong capital inflows; wage inflation and the employment trajectory are better; and while European demographics are a headwind, they are not as bad as those in Japan.” – bto: Keine dieser Unterscheidungen zu Japan sind glaubwürdige Begründungen, weshalb es in Europa funktionieren sollte.
  • “The technology sector should be central to this effort, with education, innovation and entrepreneurialism all targeted. By partnering with educational institutions, the central bank could help reduce youth unemployment and prevent a ‘lost generation’ from becoming an intractable problem for the next 50 years. (…) We greatly hope that his successor Christine Lagarde can be as farsighted in helping the region break out of longstanding stagnation.” – bto: Am Ende geht es dann doch um die direkte Staatsfinanzierung, aber die Idee ist so: Wir machen Eigenkapital billiger und dann ist alles gut.

Ich halte das für naiv. Bestenfalls. Denn warum investieren die Unternehmen denn nicht? Billiges Geld und hohe Profite sollten doch Anreiz genug sein? Die Ursachen vermutet man hier:

  • Die Anreizsysteme für Manager fokussieren auf kurzfristige Ergebnisse, nicht auf langfristige Wertsteigerung. Insofern würde sich die Wirtschaft nicht viel anders verhalten als die Politik. Hier die Aktionäre, dort die Wähler und alle gemeinsam zu kurzfristig orientiert?
  • Es ist riskanter, in neue Dinge zu investieren, als Bestehendes durch Effizienzprogramme und Kostensenkung zu optimieren.
  • Interessanterweise liegen die Investitionsquoten von nicht an der Börse gelisteten Unternehmen höher – offensichtlich haben die Eigentümer dieser Unternehmen einen längeren Atem, was die Investitionen betrifft.
  • Angesichts der Finanzkrise liegt das BIP in vielen Ländern noch deutlich unter dem Trendwachstum von vor der Krise, und die Kapazitäten sind nicht ausgelastet.
  • Die wirtschaftliche und politische Unsicherheit hat eher zu- als abgenommen in den letzten Jahren: Eurokrise, Syrienkonflikt, US-Haushaltsstreit, Energiewende in Deutschland. Alle diese Faktoren führen zu Unsicherheit und damit zu Investitionszurückhaltung.
  • In einigen Branchen gibt es vermutlich zu wenig Wettbewerb. Unternehmen haben es sich in Oligopolen gemütlich gemacht, in denen Erträge optimiert werden, fundamentale Kämpfe um Marktanteile jedoch unterbleiben.
  • Oder ist es nur ein statistischer Effekt? Gewinne sind vielleicht gar nicht so hoch wie ausgewiesen, und ein immer höherer Anteil der Investitionen geht in immaterielle Vermögensgüter (Beispiel: Markenname), die unzureichend in der Statistik erfasst werden. Ich bin diesbezüglich skeptisch, da sich solche Investitionen in den Kosten niederschlagen müssten mit entsprechend geringeren Margen.

Letztlich spielt es keine Rolle, weshalb Unternehmen unzureichend investieren. Die Wirkung bleibt verheerend mit Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen. Nur werden Aktienkäufe der EZB daran nichts ändern. Sie führen nur zu einer weiteren Ungleichheit der Vermögen.

→ ft.com (Anmeldung erforderlich): “ECB can boost growth across Europe by buying stocks”, 22. Juli 2019