Wenn die Lichter aus­gehen, werden alle schuld sein – nur nicht schuldig

Energiewende und Klimapolitik sind teuer. Das mag ja noch angehen, solange die Lichter nicht ausgehen. Doch genau dieses Szenario ist mehr als ein theoretisches Risiko. Das Handelsblatt berichtet von einer neuen Studie:

  • “Das Stahlwerk von Thyssen-Krupp stößt dort Jahr für Jahr 20 Millionen Tonnen CO2 aus, das sind über zwei Prozent der gesamten Emissionen der Bundesrepublik. (…) Thyssen-Krupp will die Rohstahlproduktion am Standort Duisburg bis 2050 schrittweise auf grünen Wasserstoff umstellen. Auch andere Stahlhersteller wie Arcelor- Mittal und Salzgitter treiben Projekte zur CO2-Reduzierung voran. Eine Alternative haben sie nicht. Wer sich dem Klimaschutz verweigert, wird in der EU schon bald sein Geschäftsmodell verlieren.” – bto: Aber, aber, die EU verspricht doch Zölle für Importe, damit ja nur keiner günstiger ist. Der Traum der französischen Wirtschaft. Ich erinnere an den Importzoll für Videorekorder aus Asien, die alle in einem Bergdorf einzeln abgefertigt wurden. Dieses Konzept machen wir dann ganz groß.
  • “Die Umstellung auf Wasserstoff hat allerdings einen dramatischen Nebeneffekt: Der Umbau der Stahlwerke wird den Stromverbrauch der Branche drastisch nach oben treiben. Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse gewonnen – und dafür wird Strom benötigt. Sehr viel Strom.” – bto: Das ist jetzt aber doch kein Problem, machen wir halt ein paar Solardächer mehr. Wird schon.
  • “Allein um das Werk von Thyssen-Krupp umzustellen, sind pro Jahr rund 40 Terawattstunden Ökostrom erforderlich. Das sind fast sieben Prozent des aktuellen Stromverbrauchs der Bundesrepublik. Wenn die gesamte Stahlproduktion in Deutschland auf Wasserstoff umgestellt werden soll, wären allein dafür 12.000 zusätzliche Windräder der großen Fünf-Megawatt-Klasse erforderlich. Zum Vergleich: In ganz Deutschland stehen derzeit über 30.000 kommerziell genutzte Windräder für die Stromproduktion.” – bto: Ich denke, sobald wir die richtige Regierung haben, bläst der Wind kontinuierlich. Alles nur typische Nörgelei.
  • “Das Beispiel der Stahlwerke steht nur für einen kleinen Teil eines gewaltigen Problems: Das erklärte Klimaschutzziel der EU, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren, wird in nahezu allen Wirtschaftssektoren mit einem gewaltigen Stromverbrauch einhergehen. Im Verkehr sollen Elektroautos die schmutzigen Diesel und Benziner ablösen. Immer mehr Häuser werden mit – elektrisch angetriebenen – Wärmepumpen beheizt statt mit Öl und Gas. Und neben den Stahlwerken können auch andere Branchen ihren Energiebedarf nur mit der Umstellung von Kohle, Öl oder Erdgas auf elektrisch erzeugten Wasserstoff decken – etwa die Chemie- oder die Zementindustrie.” – bto: Oder aber wir beschränken den Verbrauch, genau das wird nämlich immer eingerechnet. Wer will schon heizen? Wir duschen halt nur noch dann warm, wenn es geht.
  • “Der Stromverbrauch in Deutschland wird allen Energiespar-Appellen zum Trotz deutlich steigen – so sehr, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht wie geplant mithalten wird. ‘2030 droht in Deutschland eine Ökostromlücke’, sagt Max Gierkink, Manager am Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI). Eine Lücke, die mit Reservekapazitäten aus deutschen Kohle- und Erdgaskraftwerken oder konventionell erzeugtem Strom aus dem europäischen Ausland gedeckt werden müsste.” – bto: aus dem Ausland, weil wir ja abschalten – und nach der Bundestagswahl noch schneller.
  • “Laut exklusiven Berechnungen des EWI für das Handelsblatt wird der Stromverbrauch in Deutschland bis 2030 auf 685 Terawattstunden steigen – von knapp 580 TWh im Jahr 2019. (…) Nach den EWI-Berechnungen wird Deutschland wegen des kräftigen Anstiegs des Stromverbrauchs im Jahr 2030 nur 55 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken – und damit das selbst gesteckte Ziel von 65 Prozent kräftig unterschreiten. Die Lücke entspricht der Leistung fast aller heute in Deutschland installierten Windräder – oder neun großen Atomkraftwerken.” – bto: die wir übrigens noch haben. Müsste man halt nur einschalten.
  • “Die Prognose ist brisant – denn sie zeigt eine Realität, der sich die Bundesregierung hartnäckig verweigert. Die plant bis 2030 nicht mit einer steigenden, sondern mit einer konstanten Stromnachfrage von 580 Terawattstunden. Die Energieexpertin Veronika Grimm, selbst Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, fällt ein klares Urteil über diese Prognose: ‘Mir erscheint das unrealistisch.’“ – bto: Das erinnert mich an Kinder, die die Augen schließen und denken, dann seien sie auch für die Umwelt unsichtbar. Das machen sie aber nur, wenn sie noch sehr klein sind …
  • “Der zuständige Minister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier (CDU), wird schon lange gedrängt, die Prognose anzupassen. Doch Altmaier tut sich schwer damit. Denn wenn er die Prognose erhöht, muss er zwangsläufig auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien tüchtig nachlegen. Nur so ließe sich das Ziel erreichen, deren Anteil an der Stromproduktion bis 2030 auf die gewünschten 65 Prozent zu steigern. Dabei ist selbst dieses Ziel inzwischen zu niedrig gegriffen. Schließlich hat die EU-Kommission das europäische Klimaziel für 2030 von 40 auf 55 Prozent erhöht. Deutschland müsste seinerseits beim Anteil der erneuerbaren Energien einen Wert jenseits der 65 Prozent anpeilen. Anders ist das von der EU vorgegebene höhere Klimaziel kaum zu erreichen.” – bto: beschleunigter Ruin als ökonomisches Programm. Es ist nicht auszudenken.
  • “(Die Regierung) rechnet damit, dass in großem Maße Strom eingespart wird, weil Geräte sparsamer werden und sich die Industrieproduktion effizienter gestaltet. (…) So kostet die Emission einer Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel derzeit 40 Euro – je weniger emittiert wird, desto günstiger wird die Produktion. (…) Dabei gilt Deutschland als Spitzenreiter bei den Strompreisen für die Industrie. Entsprechend groß ist der Anreiz, den Verbrauch zu senken. Das EWI geht in seinen Berechnungen im Industriesektor deshalb sogar davon aus, dass die Nachfrage der derzeitigen Stromverbraucher um 15 auf 271 TWh sinken wird.” – bto: was natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
  • “Allerdings steht den Erfolgen bei der Energieeffizienz ein gewaltiger Hunger an Wasserstoff gegenüber, der wiederum bei der Herstellung enorme Mengen an Strom verbraucht.” – bto: und der vor allem kontinuierlich hergestellt werden muss, denn sonst ist es noch unwirtschaftlicher.
  • “In der Nationalen Wasserstoffstrategie wird für Ende des laufenden Jahrzehnts mit einer Nachfrage zwischen 90 und 110 TWh Wasserstoff gerechnet. Davon werden aber vermutlich nur 14 TWh hierzulande produziert. (…) Nach Berechnungen des EWI müssten im europäischen und teilweise auch nichteuropäischen Ausland 109 bis 137 TWh an grünem Strom zusätzlich produziert werden, damit Deutschland 2030 genug Wasserstoff importieren kann. Das würde dann etwa einem Drittel der Ökostromproduktion in Deutschland entsprechen.” – bto: Wer das glaubt? Energie ist ein Standortfaktor. Vielleicht sollte sich die Industrie dort ansiedeln, wo es billige und sichere Energie gibt?
  • “Da der Bedarf an Wasserstoff erst ab 2030 so richtig hochlaufen dürfte, wird das Problem immer größer. Das EWI hat das für zwei Szenarien durchgerechnet – einen Anstieg der Nachfrage nach Wasserstoff bis 2040 auf 250 beziehungsweise 500 TWh. Dann müssten Windräder und Solaranlagen im Ausland knapp 320 TWh beziehungsweise 670 TWh grünen Strom produzieren, damit Deutschland seinen Bedarf an Wasserstoff decken kann. Zum Vergleich: Das entspricht der Leistung von 22 bis 35 Atomkraftwerken.” – bto: Klarer kann man nicht zeigen, dass das Abschalten der Atomkraftwerke völlig idiotisch war.
  • “Hierzulande, schätzen Experten, werden bis 2030 nur 30 Prozent des Bedarfs an grünem Wasserstoff produziert werden können.” – bto: Und auch danach wird es nicht leichter.
  • “Dank des europäischen Stromverbunds würde es 2030 zwar keinen landesweiten Stromausfall geben, aber die importierte Energie wäre dann eben grau und nicht grün. Der importierte Strom käme dann voraussichtlich auch aus französischen Atommeilern und polnischen Kohlekraftwerken. (…) In dieser Zwickmühle werde Erdgas aus Norwegen und Russland mit Blick auf die Versorgungssicherheit an Bedeutung gewinnen, prophezeit die Wirtschaftsweise Veronika Grimm im Gespräch mit dem Handelsblatt.” – bto: Aber wir wollen doch auch keine Pipeline nach Russland. Denn wie sagt es die Expertin vom DIW – Name gerade entfallen (echt!) – immer so schön: Wir brauchen es nicht, weil wir ja die Erneuerbaren haben …
  • “Und auch die deutschen Kohlemeiler kämen dann wieder stärker als geplant zum Einsatz. Das sehen auch die Energie-Experten vom Bonner Beratungshaus EuPD so. Nach ihrer Einschätzung kann die Lücke nur für ein Jahr durch Importe ausgeglichen werden. ‘Bereits im Jahr 2023 wird der europäische Stromverbund die Stromlücke nicht mehr schließen können’, lautet ihr Fazit. ‘Die Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken wird dann unausweichlich’.” – bto: Da bin ich ja gespannt, was die (grüne) Bundesregierung dann macht. Ich tippe darauf, den Strom zu rationieren.

Spannend und traurig zugleich. Auf jeden Fall steht schon fest, schuld wird wieder mal ein “Marktversagen” sein oder aber die zu langsame Vorgehensweise. Hätten wir die Kohlekraftwerke früher abgeschaltet, hätten wir den Punkt auch früher erreicht.

Gerade vor dem Hintergrund des nicht so klugen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Klimapolitik muss dies sehr skeptisch stimmen. Mit noch weniger Sachverstand und noch mehr Symbolpolitik werden hier die Weichen falsch gestellt.

handelsblatt.com: „So gefährdet die Regierung mit falschen Prognosen Deutschlands Energiezukunft“, 16. April 2021