Weitere Vergleiche mit den 1970er-Jahren

Vor Kurzem hatte ich an dieser Stelle ausführlich die Gedanken von Ray Dalio zu den “Paradigmen-Wechseln”. Passend machte sich auch John Plender von der FT (einer der sehr guten Analysten der sehr guten Zeitung) seine Gedanken zum Thema. Er sieht starke Ähnlichkeiten zu den 1970er-Jahren, was zunächst überrascht, ist doch von Inflation nichts zu sehen:

  • “(…) more than $13tn of government bonds are trading at negative yields. But while this may strike many as unnatural, it is not unprecedented. In the Great Inflation of the 1970s real interest rates were extremely low or negative across much of the developed world. A comparison between events in that earlier period with today’s seemingly freakish financial conditions contains several clues as to what may go wrong with monetary policy now.” – bto: Doch es ist schon ein Unterschied, ob man sich mit den Inflationserwartungen täuscht oder ob man bewusst Papiere kauft, bei denen man draufzahlt. Oder?
  • “(During) the high inflation of the 1970s (…) instead of a search for yield or a retreat into government paper, investors fled from supposedly safe assets such as fixed-interest IOUs into real assets such as property. The value of land, bricks and mortar ballooned in response to excessive money and credit expansion. A property-based financial crisis ensued, most notably in the UK, where the Bank of England had to organise a lifeboat operation to rescue fringe banks.” – bto: Diese Blasen haben wir heute auch, allerdings breiter und in mehr Märkten. Insofern ist es ein möglicher Vergleich.
  • The losers, as is the case today, were the system’s creditors. (…) soaring inflation severely eroded the value of their ‘safe’ assets. (…)  in the 1980s tightened policy and bond markets offered unusually high real interest rates for a protracted period because it took so long for policy credibility to return.” – bto: Wie wäre das heute möglich? Ich kann es mir nicht vorstellen, weil wir dann eine starke Deflation bräuchten, da die Nominalzinsen nicht wie damals fallen können.
  • “One important difference today is that measures of the ‘natural’ rate of interest consistent with normal economic conditions have been moving downwards for years. (…) Since the great financial crisis, central bankers in advanced countries have also preferred to err on the side of easing. The Fed, for example, is widely expected to cut its policy rate next week, despite the economy chugging along tolerably well, inflation being close to target and unemployment near its lowest level for 50 years.” – bto: die sogenannte “asymmetrische Reaktion”. Ich denke zudem, die massive Kreditschöpfung der vergangenen Jahrzehnte hat Geld wenig knapp werden lassen und damit den Preis gesenkt.
  • “(…) the most important difference between negative real rates in the 1970s and today relates to moral hazard. That is, current interest rates create an illusion of debt sustainability because it is so easy for governments, companies and households to service debt. Yet the debt has increased considerably since the financial crisis, reaching 245 per cent of world gross domestic product last year.” – bto: Wenn Schulden nichts kosten und nie getilgt werden müssen, sind sie sustainable. An diesem Zustand darf sich halt nichts ändern. Wie wir wissen, haben die Notenbanken den Zins aber nicht vollständig unter Kontrolle und die vergangenen Jahrhunderte haben gezeigt, dass Zinsen immer wieder gestiegen sind, egal welche Erwartungen es gab.
  • “The difficulty for central banks is that, if inflation returns, it may prove impossible to damp down a rising price level without creating a financial crisis as debtors confront higher borrowing costs. Inertia may therefore triumph. Yet debt cannot accumulate forever. Such is the complacency on this score that the seeds of both financial instability and renewed inflation are probably being sown now.” – bto: Das wird aber über eine Vertrauensfrage ins Spiel kommen, den die Schulden wirken an sich ja deflationär.

→ ft.com (Anmeldung erforderlich): “Why markets need to heed the lessons from the 1970s”, 24. Juli 2019

Kommentare (14) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    „bto: Wie wäre das heute möglich? Ich kann es mir nicht vorstellen, weil wir dann eine starke Deflation bräuchten, da die Nominalzinsen nicht wie damals fallen können.“

    Da wir keine hohe Inflation beim VPI haben, gibt es auch keinen Handlungsbedarf der Zentralbanken. Sollte die Inflation hingegen ansteigen, dann sorgen die langen Laufzeiten für einen sukzessiven Übergang. Gut für die Schuldner, schlecht für die Gläubiger. Aber die Inflation wird nur dann ansteigen, wenn auch die Nachfrage stark ansteigt. Das bedeutet zugleich, dass die Unternehmen höhere Preise durchsetzen können. Somit könnten sie dann aber auch höhere Zinsen stemmen.

    „Ich denke zudem, die massive Kreditschöpfung der vergangenen Jahrzehnte hat Geld wenig knapp werden lassen und damit den Preis gesenkt.“

    Der Preis für Kredite wird insbesondere durch die Wettbewerbsintensität am Kapitalmarkt determiniert. Zu viele Banken/Mitarbeiter für wenige Kunden sorgen für niedrige Preise (siehe Kommentar von gestern).

    „Wie wir wissen, haben die Notenbanken den Zins aber nicht vollständig unter Kontrolle und die vergangenen Jahrhunderte haben gezeigt, dass Zinsen immer wieder gestiegen sind, egal welche Erwartungen es gab.“

    Ich teile bekanntlich die Einschätzung, dass die Notenbanken den Zins – wenn überhaupt – nur sehr homöopathisch unter Kontrolle haben. Dies gilt insbesondere für die langfristigen Zinsen. Mehr dazu hier mit zahlreichen weiteren Links: https://zinsfehler.com/2013/09/06/allmachtsfantasien-zur-zinssetzungshoheit/

    LG Michael Stöcker

    Antworten
    • Alexander
      Alexander sagte:

      @Michael Stöcker

      Von Seiten der Lebensmittel wird es auch keine VPI geben, denn bevor Erzeugerpreise in Europa steigen, zerstört der Weltmarkt die EU zombie-subventionierten Bauner restlos.
      Heute arbeiten wenier als 2% der BRD Bevölkerung in der Landwirtschaft. Sollte es zur Inflation aus dem Lebensmittelsektor kommen, wird der zerstörte Geldwert durch keine Zentralbank gebremst werden….im Gegenteil bestimmen die Lieferanten im Ausland was wir auf den Tisch bekommen und seinen Preis.

      Eine Wiederauferstehtung der eigenen Landwirtschaft kann man unter den gegebenen Bedinungen ausschließen – diese Kultur wurde zerstört, eine Rückkehr benötigt zwei Generationen von Ausbildungsgängen.

      Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ troodon

      Danke für den Link zu der detaillierten, umfassenden Darstellung der Schuldenentwicklung als globaler „Wachstumsressource“.

      Was mir beim ersten Überblicken aufgefallen ist auf S. 5:

      Die Welt ist fundamental gespalten in Entwicklungsländer und reife Volkwirtschaften.

      Besonders fällt auf, dass die Verschuldung zum GDP in den reifen Volkswirtschaften abnimmt (Ausnahme Non-fin. Corporates) während sie in den Entwicklungsländern zunimmt.

      Besonders signifikant aus meiner Sicht:

      Die privaten Haushalte entschulden sich seit 2009 in den reifen Volkswirtschaften, während ihre Verschuldung in den Entwicklungsländern UNGEBROCHEN zunimmt.

      Solange ein entsprechend hohes Wirtschaftswachstum dahinter steht, sollte das für die Haushalte in den Entwicklungsländern kein Problem sein.

      Die Frage ist aber, wie lange die Wirtschaft dort noch wachsen kann.

      Auf S. 5 ist auch zu sehen, dass man hinter das zukünftige Wachstum der Non-fin. Corporates in den Entwicklungsländern ein Fragezeichen setzen sollte.

      Die abkühlende Weltwirtschaft und der Handelskrieg USA/China lassen es größer werden.

      Antworten
      • troodon
        troodon sagte:

        @ D.T.
        Gerne :)
        Interessant auch, dass in den USA die massive staatliche Verschuldungspolitik seit 2008 keinen positiven Mulitplikatoreffekt auf das BIP hat.
        Seite 11 im nachstehenden Link:
        https://blog.evergreengavekal.com/debt-end/?pdf=9595
        Aber auch insgesamt lesenswert…

        Unsolide Haushaltspolitik kann die Probleme somit nur herausschieben. Geringes jährliches Staatsdefizit ist für mich dabei nicht automatisch “unsolide” und wäre für DEU aus meiner Sicht wünschenswert. Aber für die USA sind die Zahlen schon deftig, eher erschreckend.

      • ruby
        ruby sagte:

        Auszug:
        Danielle
        DiMartino Booth, has noted: “The growth of debt in the last decade exceeds the entire stock that
        existed before central bankers made leverage all the rage.” Please re-read that and let it really sink
        in—then remember this was supposed be a time of “beautiful deleveraging”. As the kids like to text:
        LOL!

        Und in fünf Monaten ist Finale, also die Hälfte der Zeit, die es durchschnittlich benötigte (11 Monate) nachdem die inverted yield / inverse Zinsstruktur eintrat und der Rezession voraus lief – 15. Januar 2020 ist Doomsday.

        Danke @ troodon

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ troodon

        Die massive staatliche Verschuldungspolitik wird auch anderswo kaum einen positiven Multiplikatoreffekt gehabt haben.

        In USA geht geradeso weiter:

        Mit Aufhebung der Schuldenbegrenzung werden sie das jetzige Haushaltsdefizit von ca. 7% in den nächsten Jahren locker übertreffen.

        Ich bin gerade auch mit Bezug auf die niedrigen Zinsen und Deutschland als „Hort der Sicherheit“ mit bereits NEGATIVZINSEN für unsere Staatsanleihen für eine leichte staatliche Verschuldung, wenn man das Geld für INVESTITIONEN ausgegeben würde.

        Das wurde es nicht in der Vergangenheit und wird es auch in Zukunft nicht.

        Wir werden uns aber dennoch verschulden und zwar vermutlich schneller und höher als es uns heute mit Beteuerungen, es nicht zu tun (Merkel, Scholz), vorgegaukelt wird.

        Es ist auch „logisch“, dass es so kommt:

        a) Die Energiewende muss finanziert werden (läuft unter Investitionen, auch wenn damit der ABBAU von produktiver Wertschöpfung vorangetrieben wird)

        b) Die Alterssicherung (Pflege, Rente) muss bei steigenden Kosten bezahlbar bleiben, wenn es keinen Aufstand geben soll

        Damit sind wir noch nicht einmal bei weiterem, absehbarem Finanzierungsbedarf, etwa dem, den die sozialen Systeme bei einem konjunkturellen Abschwung haben werden …

  2. Horst
    Horst sagte:

    “Wenn Schulden nichts kosten und nie getilgt werden müssen, sind sie sustainable. An diesem Zustand darf sich halt nichts ändern. Wie wir wissen, haben die Notenbanken den Zins aber nicht vollständig unter Kontrolle und die vergangenen Jahrhunderte haben gezeigt, dass Zinsen immer wieder gestiegen sind, egal welche Erwartungen es gab.”

    Diese biblische Metaphorik der SCHULD stört sehr, “seriöser “wäre es, von Darlehen, Kreditnahme oder “Fremdkapital” zu sprechen.

    Präziser wäre es darüber hinaus, von “Darlehen an den Staat” oder “Kreditnahme des Staates” zu sprechen.

    Jedenfalls kenne ich keinen PRIVATEN oder INSTITUTIONELLEN Kreditnehmer, der seine Verbindlichkeiten NICHT Tilgen muss.

    “…hat Geld wenig knapp werden lassen…”

    KREDIT war NOCH NIE/wird nie ein knappes Gut, sofern die realwirtschaftlichen Aussichten positiv waren/sind.

    Dass sich seit einigen Jahrzehnten ein Wandel (durch zunehmende Bedeutung der Finanzwirtschaft) vollzogen hat/vollzieht, ist der geneigten Leserschaft selbstredend bekannt.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Horst

      “Diese biblische Metaphorik der SCHULD stört sehr, ‘seriöser wäre es, von Darlehen, Kreditnahme oder „Fremdkapital’ zu sprechen.”

      Verschonen Sie uns mit Ihren Framing-Versuchen.

      “Jedenfalls kenne ich keinen PRIVATEN oder INSTITUTIONELLEN Kreditnehmer, der seine Verbindlichkeiten NICHT Tilgen muss.”

      Ist das jetzt besonders spitzfindig oder schlampig formuliert? Wie viele private Kreditnehmer kennen Sie, die zum Beispiel ihren Hauskredit dadurch “tilgen”, dass sie bei einer anderen Bank ein Darlehen aufnehmen und den Kredit dadurch effektiv nur immer weiter prolongieren?

      Bei Staatsschulden ist das hingegen völlig üblich, Deutschland ist eines der wenigen Länder, das in den letzten Jahren tatsächlich Staatsschulden getilgt hat anstatt alte Anleihen durch die Ausgabe von neuen Anleihen abzulösen.

      Antworten
      • Horst
        Horst sagte:

        “Ist das jetzt besonders spitzfindig oder schlampig formuliert? Wie viele private Kreditnehmer kennen Sie, die zum Beispiel ihren Hauskredit dadurch „tilgen“, dass sie bei einer anderen Bank ein Darlehen aufnehmen und den Kredit dadurch effektiv nur immer weiter prolongieren?”

        Und diesen müssen Sie dann nicht mehr tilgen? Sie erkennen vielleicht den Zusammenhang PRIVATE Kreditnehmer und TILGUNG.

        Eine Prolongation ist im PRIVAT-Kreditgeschäft ein vollkommen alltäglicher Vorgang, schön jedoch, dass Sie diesen Begriff kennen.

        Was möchten Sie mit der Beschreibung “Framing-Versuche” zum Ausdruck bringen?

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Horst

        “Eine Prolongation ist im PRIVAT-Kreditgeschäft ein vollkommen alltäglicher Vorgang, schön jedoch, dass Sie diesen Begriff kennen.”

        Spätestens wenn der private Kreditnehmer absehbar bald in Rente gehen wird, findet sich keine Bank mehr, die so ein Prolongationsgeschäft mitmacht. Das ist eine grundlegend andere Situation als bei Staatsanlehen. Das zu wissen, ist offensichtlich für Sie zu viel verlangt, aber zum Glück haben Sie ja mich und ich erkläre es Ihnen gern.

        “Was möchten Sie mit der Beschreibung ‘Framing-Versuche’ zum Ausdruck bringen?”

        Von Ihren Dummstell-Versuchen möchte ich bitte ebenso verschont bleiben.

      • Horst
        Horst sagte:

        “Von Ihren Dummstell-Versuchen möchte ich bitte ebenso verschont bleiben.”

        Das gebe ich nun heute an Sie – plakativ – an Sie zurück.

        “Das ist eine grundlegend andere Situation als bei Staatsanleihen.”

        Nichts anderes habe ich zum Ausdruck gebracht. Lesen Sie!

        “Spätestens wenn der private Kreditnehmer absehbar bald in Rente gehen wird, findet sich keine Bank mehr, die so ein Prolongationsgeschäft mitmacht.”

        – Verstehe – also auch die Bank des ersten Kreditgeschäftes (die Ursprungsbank des Darlehens) wird also auf Zins und Tilgung verzichten, weil der Kreditnehmer absehbar in Rente geht. – Oje… Ohne Worte…

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Horst

        “also auch die Bank des ersten Kreditgeschäftes (die Ursprungsbank des Darlehens) wird also auf Zins und Tilgung verzichten, weil der Kreditnehmer absehbar in Rente geht. – Oje… Ohne Worte…”

        Meine Güte, Sie kapieren ja wirklich nicht, wovon Sie reden. Die Bank erhält immer vertragsgemäß Zins und Tilgung aber für den Kreditnehmer ändert sich an seiner Gesamtverschuldung nichts wenn er die Tilgung nur dadurch leistet dass er einen neuen Kredit aufnimmt (und er muss natürlich irgendwoher die aufzubringenden Zinszahlungen nehmen).

        Der Punkt ist dass Sie solche Prolongierungs-Spielchen um so besser durchziehen können, je länger die Kreditgeber Ihre eigene “Lebensspanne”, in der Sie Geld verdienen und kreditwürdig sind, einschätzen. Bei Privatpersonen gibt es aus offensichtlichen biologischen Gründen eine harte Grenze dafür, bei Staaten nicht, bei Kapitalgesellschaften (die ja theoretisch genau so “unsterblich” sind wie Staaten) hängt es davon ab, wie Bilanz und Marktaussichten bewertet werden.

        “Das gebe ich nun heute an Sie – plakativ – an Sie zurück.”

        Vielen Dank, aber im Dummstellen sind Sie eindeutig besser als ich.

  3. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Der Vergleich mit den 1970er Jahren ist schon eine interessante Idee, das war ja auch eine Zeit mit großer politischer Instabilität und zunehmender Polarisierung.

    Was wäre dann der analoge Mechanismus zur der Phillips-Kurven-Ideologie und den Lohn-Preis-Spiralen, die damals die Inflation anheizten? Vielleicht die verrückten Ideen der MMT-Spinner, die in den letzten Jahren immer mehr Resonanz finden?

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