Weitere Gedanken zum Junk-Tsunami

Dieser Beitrag in der WELT erschien zwei Tage vor meinem Kommentar bei der WirtschaftsWoche zum selben Thema, den ich allerdings schon am Sonntag bei der Redaktion eingereicht hatte. Es ist eine inhaltliche Bestätigung meiner Sichtweise auf den Markt für US-Unternehmensanleihen und verstärkt nochmals den Eindruck, dass sich dort etwas zusammenbrauen könnte. Auch die WELT nimmt GE als Aufhänger:

  • „Schwächelt GE, droht Unheil für alle. (…) die einstmals wertvollste Firma der Welt könnte tatsächlich der Kanarienvogel in der Kohlenmine des Kreditmarktes sein. Ihre Anleihen stürzten vergangene Woche kräftig ab. Nichts weniger als die gute Bonität des Mischkonzerns steht auf dem Spiel.“ – bto: Zunächst hat das nur etwas mit GE zu tun. Wie ich aber geschrieben habe, ist GE symptomatisch für die Fehlentwicklungen im ganzen System.
  • „Schon bald könnte das Kreditrating von ‘investierbar’ in ‘nicht investierbar’ zurückgestuft werden. Das ist ein Warnschuss für alle Gläubiger. Weltweit schulden Firmen mehr Geld denn je, die Qualität ihrer Kredite und Anleihen hat sich massiv verschlechtert. Wie GE droht immer mehr Firmen ein Abstieg in den Schrottstatus – auch ‘Junk’ genannt.“ – bto: Der entscheidende Punkt ist, dass es zu einem beschleunigten Absturz kommt, weil dann viele gleichzeitig verkaufen müssen.
  • „Nach Berechnungen von Bloomberg befindet sich die Hälfte des fünf Billionen Dollar schweren Marktes für Investment-Grade-Anleihen nur noch knapp im investierbaren Bereich. Sprich: die Bonitätsnoten der Konzerne liegen gerade noch ein, zwei oder drei Noten über Junk. Sollte sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamen, könnten sich die Gewinnprognosen der Unternehmen zu optimistisch herausstellen und ein Downgrade durch die Ratingagenturen wäre unabwendbar.“ – bto: Der Markt nimmt es ohnehin vorweg, weil man den Ratingagenturen nicht trauen kann.
  • „Viele große Investoren wie Lebensversicherungen oder Pensionsfonds, die nur Anleihen von ‘investierbaren’ Unternehmen halten dürfen, müssten sich von den Papieren trennen. Gleichzeitig ist die Aufnahmebereitschaft der Investoren, die in Junk-Papiere investieren, begrenzt. Entsprechend turbulent ginge es an den globalen Kreditmärkten zu. Die abgestuften Unternehmen könnten dann nur noch zu deutlich höheren Zinsen ihre Anleihen beziehungsweise Kredite verlängern.“ – bto: Das hätte massive Verwerfungen zur Folge. Ich bin sicher, dass die Profis sich schon jetzt die Anleihen aussuchen, die sie in der Panik kaufen wollen.
  • „Das kränkelnde Konglomerat GE mag ein extremer Fall sein, aber es offenbart vieles von dem, was in den letzten zehn Jahren in den USA und auf der ganzen Welt passiert ist. Historisch niedrige Zinssätze trieben einen massiven Kreditboom an, der es gesunden Unternehmen ermöglichte, ihre Geschäftstätigkeit auf Pump auszuweiten, Konkurrenten zu schlucken oder eigene Aktien zurückzukaufen.“ – bto: Die Argumentation geht nicht ganz so weit, wie meine, da ich es in den Kontext der letzten 35 Jahre stelle.
  • „Ein Schuldenhebel von mehr als drei gilt als ungesund, gerade auch dann, wenn sich die Konjunktur abzuschwächen beginnt. Noch vor der Finanzkrise gehörte GE zu den Firmen mit der Spitzenbonität AAA, heute liegt das Rating gerade noch bei BBB+, drei Stufen über Schrott.“ – bto: Und wie wir wissen, handelt der Markt die Anleihen schon darunter.
  • „In Europa feuerte die Europäische Zentralbank (EZB) die Verschuldung noch zusätzlich an. Mit dem Kauf von Unternehmensanleihen animierte sie viele Firmen noch dazu, auf Pump Konkurrenten aufzukaufen. Anleihen im Volumen von 175 Milliarden Euro hat die EZB inzwischen erworben und damit auch milliardenschwere Übernahmen begünstigt.“ – bto: Die EZB finanzierte Bayer den Kauf von Monsanto. Wenn das Trump wüsste!
  • „In den EZB-Büchern finden sich viele weitere Schuldtitel von Firmen, die im nächsten Abschwung auf Schrott-Niveau gestuft werden könnten. Beispielsweise der Baukonzern HeidelbergCement mit einem Schuldenhebel von 3,2, der nur noch eine Note über Junk rangiert oder Bonds von Vonovia mit einem Leverage von fast vier.“ – bto: Das führt dann eben zu italienischen Verhältnissen. Die vielen Euro, die wir haben, sind nicht mit guten Sicherheiten gedeckt.
  • „Unternehmensanleihen gehören zu den riskantesten Anlagen derzeit, sagt Jeffrey Gundlach, Fondsmanager-Legende bei DoubleLine Capital. Die Verschuldung der US-Konzerne ist nach Angaben von Thomson Reuters auf einem Rekordwert von mehr als 73 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Höhe geschossen. Vor der Finanzkrise 2008 lag dieser Wert nie über 65 Prozent. Die Schuldenquote der französischen Unternehmen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in den letzten zehn Jahren um fast ein Drittel und die Chinas um mehr als zwei Drittel gestiegen. Im Reich der Mitte beträgt die Schuldenquote der Firmen 160 Prozent des BIP.“ – bto: Es ist halte eine schöne Party, die nun zum Ende kommt.

→ welt.de: “Die globalen Finanzmärkte fürchten den Junk-Tsunami”, 20.November 2018