„Was China so gefährlich macht“

Die FINANZ und WIRTSCHAFT berichtet von einer Investorentagung in New York und der dort geäußerten Befürchtungen zu China. Dies ist besonders deshalb interessant, weil sich mit Amir Sufi einer der anerkanntesten Experten zum Thema „Schulden“ zu Wort gemeldet hat:

  • Amir Sufi sieht zwei zentrale Probleme in China und in anderen aufstrebenden Volkswirtschaften: den massiven Zuwachs von Schulden und enorme Überinvestitionen in Autos, Maschinen, Immobilien sowie andere dauerhafte Güter.“ – bto: exakt das Kernproblem:

  • ‚In jedem Land, in dem ein solcher Investitionsboom mit Schulden finanziert wird, kommt es letztlich zu einem verheerenden Konjunkturabschwung. Das belegen die Daten über drei Jahrhunderte hinweg, und in China wird es nicht anders sein.‘“ – bto: Das zeigt auch diese Analyse eindrücklich (die ich bereits in Die Billionen-Schuldenbombe gezeigt habe):

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  • „Der Co-Autor des Buches ‚House of Debt‘ fürchtet, dass Chinas Wirtschaft bereits schrumpft. Dazu verweist er auf die jährliche Veränderung des Stromkonsums. Nahm er 2010 um 25% zu, verlangsamte sich das Wachstum 2012 auf 15% und stagnierte letztes Jahr ganz. Alarmierend ist für Sufi ebenso das sinkende Frachtvolumen im Bahnverkehr. Gemäss seinen Schätzungen hat es 2015 um 11% abgenommen.
  • „Randall Kroszner sieht zudem eine Gefahr in den rasch sinkenden Fremdwährungsreserven. Durch Interventionen am Devisen- und am Aktienmarkt hätten sie bereits um fast ein Viertel auf rund 3 Billiarden Dollar abgenommen, führte der frühere Gouverneur der US-Notenbank aus. ‚Wenn sich die Lage weiter verschärft, können die Währungsreserven sehr schnell vollständig wegschmelzen.‘
  • „‚Der Markt interpretiert die Entwicklungen in China demnach als Signal dafür, dass die Gefahren für Investoren generell zunehmen. Entsprechend erhöht er die Risikoprämie beim Abdiskontieren des Cashflows, was zu diesen Verwerfungen führt‘, erklärte Sufi.
  • Zu der US-Zinspolitik: „Ein Warnzeichen sehen die beiden Ökonomen darin, dass die Renditen auf langfristige Staatsanleihen sinken, wodurch sich die Zinskurve immer mehr abflacht. Kommt es sogar zur Inversion – wenn die Zinsen am kurzen Ende der Kurve höher als am langen sind –, dann ist das in der Regel ein verlässlicher Vorbote einer Rezession. ‚Dafür will das Federal Reserve bestimmt nicht verantwortlich gemacht werden‘, meinte Sufi. ‚Während es für dieses Jahr mit vier Zinsschritten rechnet, erwartet der Markt derzeit nur zwei. In der Realität wird es aber wohl nur einer oder gar keiner sein.‘bto: wie auch hier immer wieder erwartet. Die Fed ging prozyklisch in die Rezession.

→  FINANZ und WIRTSCHAFT: „Was China so gefährlich macht“, 15. Januar 2016

Kommentare (8) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Udo Glittenberg
    Udo Glittenberg sagte:

    Hallo Luis,

    wenn ich darf, möchte ich Sie gern auf dieses Buch von Dani Rodrik hinweisen. Wer sich für Ökonomie interessiert und in der nächsten Zeit nicht viel mehr als ein weiteres Buch darüber lesen möchte, sollte dieses wählen:

    Economics Rules
    The Rights and Wrongs of the Dismal Science

    Dani Rodrik (Author, Harvard University)

    Rethinking economics, from the inside out.

    In the wake of the financial crisis and the Great Recession, economics seems anything but a science. In this sharp, masterfully argued book, Dani Rodrik, a leading critic from within, takes a close look at economics to examine when it falls short and when it works, to give a surprisingly upbeat account of the discipline.

    Drawing on the history of the field and his deep experience as a practitioner, Rodrik argues that economics can be a powerful tool that improves the world—but only when economists abandon universal theories and focus on getting the context right. Economics Rules argues that the discipline’s much-derided mathematical models are its true strength. Models are the tools that make economics a science.

    Too often, however, economists mistake a model for the model that applies everywhere and at all times. In six chapters that trace his discipline from Adam Smith to present-day work on globalization, Rodrik shows how diverse situations call for different models. Each model tells a partial story about how the world works. These stories offer wide-ranging, and sometimes contradictory, lessons—just as children’s fables offer diverse morals.

    Whether the question concerns the rise of global inequality, the consequences of free trade, or the value of deficit spending, Rodrik explains how using the right models can deliver valuable new insights about social reality and public policy. Beyond the science, economics requires the craft to apply suitable models to the context.

    The 2008 collapse of Lehman Brothers challenged many economists’ deepest assumptions about free markets. Rodrik reveals that economists’ model toolkit is much richer than these free-market models. With pragmatic model selection, economists can develop successful antipoverty programs in Mexico, growth strategies in Africa, and intelligent remedies for domestic inequality.

    At once a forceful critique and defense of the discipline, Economics Rules charts a path toward a more humble but more effective science.

    Book Details:
    Hardcover
    October 2015
    ISBN 978-0-393-24641-4
    5.8 × 8.6 in / 272 pages

    Viel Freude beim Lesen …

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    • Luis
      Luis sagte:

      Hallo Herr Glittenberg,

      vielen Dank für Ihre Empfehlung. Ich habe das Buch bereits zu einem Viertel gelesen und finde es sehr gut. Ein Ökonomie Buch aus dem man etwas lernen kann und das wirklich das Verständnis erweitern kann. Vielen Dank!

      Antworten
  2. Luis
    Luis sagte:

    Hallo Herr Stelter,

    vielen Dank für die Info. Ich habe noch eine Literaturfrage an Sie. Ich lese Ihren Blog sehr gerne, bin aber kein Ökonom sondern Physiker und beschäftige mich mit Ökonomie in meiner Freizeit, da es mich interessiert und mir großen Spaß macht. Gibt es ein Grundlagenwerk, dass Sie empfehlen können, dass möglichst wenig politisch motiviert ist, möglichst wissenschaftlich ist und nicht dem Zweck dient eine bestimmte ökonomische Schule weiter zu verbreiten weil der Autor und dessen Umfeld davon profitieren würden?
    Bücher, die ich relativ gut fand waren von Rahim Taghizadegan “Wirtschaft wirklich verstehen” und “Österreichische Schule für Anlager”. Die Anlageempfehlungen in diesem Buch sind den Ihrigen oft sehr nahe. Ein Buch das ich gerade noch lese ist Macroeconomics von Olivier Blanchard. Mein ökonomisches Wissen reicht leider nicht aus, um zu erkennen, ob es sich bei einem Großteil des Inhaltes um Modelle handelt die man den Studenten beibringt, mit der Realität aber wenig zu tun haben oder ob Inhalte aus politisch motivierten Gründen oder Eigeninteressen aufgenommen oder andere weg gelassen wurden. Da ich ihre Herangehensweise als objektiv und wissenschaftlich empfinde, im Vergleich zu vielen anderen die zu ökonomischen Themen schreiben, würde mir eine Buchempfehlung zu einem ökonomischen Grundlagenbuch sehr weiterhelfen.
    Vielen Dank im Voraus!

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Hallo Luis,

      Dani Rodrik (siehe unten) ist durchaus eine gute Wahl. Wer ein gutes VWL-Buch aus deutscher Hand sucht, der muss hier schon lange in der Zeit zurück gehen. Meine Empfehlung: Andreas Paulsen, Neue Wirtschaftlehre. Wichtig ist, dass man die dritte oder vierte Auflage erwischt, weil hier das Thema Geld-, Zins- und Gleichgewichtstheorie erheblich erweitert wurde. Sollte es in jeder gut sortieren Unibibliothek noch geben oder aber im Antiquariat: http://www.zvab.com/servlet/BookDetailsPL?bi=15506473788&searchurl=hl%3Don%26tn%3Dneue%2520wirtschaftslehre%26an%3Dandreas%2520paulsen

      Daraus ein einführendes Zitat:

      „Zwei allgemeine Feststellungen mögen an die Spitze gestellt werden, auch wenn sie keineswegs neu sind. Die erste ist, daß wirtschaftliche Vorgänge nicht als mechanisch-kausale Abläufe angesehen werden dürfen, denn schlechthin alles wirtschaftliche Geschehen wird durch menschliches Entscheiden und Handeln ausgelöst, und niemals wirken wirtschaftliche Faktoren direkt aufeinander und nach „natürlichen“ Gesetzen. – Die zweite ist die Warnung vor der ebenso gewöhnlichen wie verhängnisvollen Verwechslung des privatökonomischen mit dem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt, die namentlich Praktikern naheliegt, welche die in ihrem Bereich gemachten Erfahrungen zur Deutung gesamtwirtschaftlicher Vorgänge verwenden.

      Kann als allgemeiner Zug der Theorie eine Wendung zu möglichster E x a k t h e i t d e r A n a l y s e herausgestellt werden, so scheint namentlich die Anwendung der mathematischen Darstellungsform den Unwägbarkeiten des m e n s c h l i c h e n V e r h a l t e n s und seiner Einflüsse auf das Geschehen zu widersprechen; ein Grad der Berechenbarkeit scheint behauptet zu werden, der wirklichkeitsfremd ist.“

      LG Michael Stöcker

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  3. Luis
    Luis sagte:

    Hallo Herr Stelter,
    ich würde mir ihr Buch Eiszeit in der Weltwirtschaft gerne als Kindle Version kaufen. Wird das Buch für den Kindle erhältlich sein oder nur als gebundene Ausgabe?

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