Warum wir uns an negative Zinsen gewöhnen müssen

Kürzlich besprach ich einen Beitrag von Albert Edwards, der seine Eiszeit-These erneut verteidigte und dabei auch für die zehnjährigen US-Staatsanleihen negative Zinsen erwartet. In einem Kommentar bei Bloomberg ist Sajit Das nicht weniger pessimistisch. Er begründet, warum wir uns an negative Zinsen gewöhnen sollten:

  • Today, around $10 trillion of bonds are trading at negative yields, mainly in Europe and Japan. In the next recession, U.S. interest rates, too, may enter negative territory: Short-term rates are currently running around 2.5 percent, and cuts of between 3 percent and 5 percent are commonly needed to restart economic activity. In markets where rates are even lower or already negative, rates will need to go deeply into into the red.” – bto: was ja eben auch die Diskussion zum Bargeldverbot erklärt.
  • “Negative nominal yields involve a guaranteed loss of capital invested. (…) The only way to avoid losses in such a situation is to physically withdraw cash and hold it, or to purchase real assets or equities. (…) Those worried about security and safety will have little choice but to invest in government bonds or insured bank deposits. Also, returns are relative; it’s possible that purchasing negatively yielding securities may be the least-bad alternative available.” – bto: Viele müssen kaufen, viele wollen kaufen.
  • “Some investors may be attracted by the opportunity for capital gains if they expect yields to become more negative; foreign investors may see possible currency appreciation. Others may focus on real rather than nominal returns, as even negative returns may preserve or increase purchasing power under deflationary conditions.” – bto: Es ist doch interessant, dass das Thema der Deflation wieder auf die Agenda kommt. Sie ist nämlich die Folge der hohen Schulden.
  • Negative rates are supposed to work (…) as low or zero rates  boosting asset prices to enhance the wealth effect, increasing the velocity of money and encouraging greater borrowing. In theory, savers facing the threat of losses should increase investment and consumption, helping to boost economic growth and inflation. Yet, where negative rates have been implemented, they’ve been singularly ineffective, even as they’ve created serious economic and financial distortions.” – bto: weil sie eben nur die Schuldenberge stabilisieren, nicht aber das Problem bereinigen.
  • “The real reason the world is in this predicament is the failure to deal with unsustainable debt levels. Debt can only be reduced in one of four ways: through strong growth, inflation, currency devaluation (where the borrowing is from foreigners) or default. All the strategies other than growth involve some level of transfer of value from savers, either by reducing the nominal value returned or through decreased purchasing power.” – bto: So ist es und wir vergessen das immer wieder gerne. Was er noch nicht erwähnt, ist die Monetarisierung über die Notenbankbilanz.
  • “Growth and inflation are weak. Devaluation is difficult if every nation tries to reduce the value of its currency at the same time. Debt defaults on the scale required would destroy a large portion of the world’s savings, not to mention affect the solvency of the financial system, triggering a collapse of economic activity. That’s why policymakers resist write-downs of trillions of dollars’ worth of debt that cannot be paid back.” – bto: Es wäre eine neue große Depression.
  • “So, central banks must instead covertly use negative rates to reduce excessive debt levels by transferring wealth from savers to borrowers through the slow confiscation of capital. What negative rates are telling us is that the global economic system cannot generate sufficient income to service, let alone repay, current debt levels. The latter are so high that even current, artificially depressed rates only allow them to be barely managed. The fact remains that someone has to pay the price of the financial excesses of the last few decades. With low and negative rates, that ‘someone’ will be savers.” – bto: Das Problem mit der ganzen Sache: Die Schulden wachsen weiter schneller als das BIP. Damit wird das Problem nicht gelöst, sondern vergrößert.

→ bloomberg.com: “The World Better Get Used to Negative Rates”, 30. März 2019

Kommentare (27) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. jobi
    jobi sagte:

    “Ändern wird sich nur etwas, wenn die ANDEREN in der Welt uns zur Besinnung bringen”

    Das wird wohl so kommen – obwohl es so wichtig wäre, dass diejenigen, welche die Zusammenhänge verstehen, den Mut und die Entschlossenheit aufbrächten, das Erforderliche zu tun, um die Tragödie zu beenden.

    Einen hohen Preis werden wir alle zahlen müssen.
    Den Preis dafür, dass wir Freiheit nicht verstanden haben und stattdessen Glück mit Gleichheit und Gerechtigkeit gleichsetzen.
    Schlimmer noch als der gigantische Schuldenberg, den unser Glück verheißender Sozialstaat hinterlässt, sind seine mentalen Folgen: die fürsorgliche Entmündigung und die erlernte Hilflosigkeit seiner Schützlinge.

    Und so bestehen gute Chancen, dass weitere Heilsversprechen (z.B. der Stöcker’schen Art ) verfangen werden.

    “Glück braucht Freiheit, und Freiheit braucht Mut”
    Perikles 490-429 v.Chr.

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  2. Thomas M.
    Thomas M. sagte:

    >Ändern wird sich nur etwas, wenn die ANDEREN in der Welt uns zur Besinnung bringen.

    Sie haben das so schön beschrieben, Herr Tischer.

    Ich möchte zu dem Punkt meine These ergänzen. Ich habe den Eindruck, dass große Teile Deutschlands im Herbst, in der Erntephase sind. Da sind natürlich die Rentner, aber auch viele Berufstätige im mittleren bis höheren Alter, die sich nicht mehr radikal umstellen wollen und als Vision Stabilität im Job haben. Das geht mir und den Kollegen (mittlerweile) nicht anders und ist auch bei Kunden schön zu beobachten. Insofern ernten wir die Früchte unserer Ausbildung und Berufserfahrung. Übermäßig viel Drang, neu auszusäen, verspürt keiner von uns. Klar: Hier und dort optimiert man im Job. Aber noch einmal ganz was Neues machen? Wenn man jung ist, hat man materiell i.d.R. nichts zu verlieren, ist räumlich wenig gebunden und macht gleich nach der Ausbildung oder der Uni etwas komplett Neues. Und wenn das dann Biotech, Software-Engineering oder sonst was ist, ist das so. Mit 35+ sieht das schon ganz anders aus. Da hat man sich i.d.R. an mehrere Jahre regelmäßiges und ggf. deutlich steigendes Einkommen gewöhnt. Da wird selbst der Wechsel innerhalb der Branche zum Wagnis. Geschweige denn, dass man noch einmal “ganz von vorne” anfängt, was ganz anderes macht und wieder als Junior-Trainee mit Gehaltseinbußen anfängt. Individuell ist das sinnvoll, führt aber in einer alternden Gesellschaft zum Verlust an Dynamik.

    Falls der hier so oft antizipierte wirtschaftliche Niedergang kommt, werden die jungen Deutschen eines Tages sehr deutlich die Wohlstandsunterschiede zu anderen Nationen wahrnehmen und motiviert sein, auch zu Wohlstand zu kommen. Ich spinne einmal: Vielleicht denkt sich dann manch einer: Wieso haben die anderen eigentlich wasserstoffbetriebene Flugtaxis und jeder Handwerker einen autonom fahrenden Kastenwagen, während ich mich mit ausfallendem öffentlichen Nahverkehr und ranzigen Zügen rumschlagen muss? Ich schätze, dass auch zukünftig materieller Wohlstand stark motivieren wird: Dieser ist leicht ersichtlich.

    Ich weiß nicht viel über die osteuropäischen Länder, aber ich schätze, sie könnten zum oben beschriebenen Mechanismus aufschlussreich sein.

    Antworten
    • Frank Schüssler
      Frank Schüssler sagte:

      Besser kann man gar nicht zusammenfassen, welche Mentalität zu Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens führt. Kein international tätiges Unternehmen kann sich so eine Haltung in der Geschäftsleitung oder in der Belegschaft dauerhaft leisten.

      Antworten
  3. Christian Hu
    Christian Hu sagte:

    Und was ist Ursache für die hohen Schulden? Komparativ geringe Löhne.

    Dort sollten wir ansetzen, sonst sind wir auch nach einem Schuldenschnitt sofort wieder dort, wo wir angefangen haben.

    Herrn Stöckers Lösungen (u.a. Lohnerhöhungen, EK-Erhöhungen über Zentralbank-finanziertes Bürgergeld) erscheinen mir wirtschaftlich am sinnvollsten. Machtpolitisch werden so einige Meinungsmacher daran jedoch kein Interesse haben.

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Christian Hu

      >Und was ist Ursache für die hohen Schulden? Komparativ geringe Löhne.>

      Und was ist die Ursache für die komparativ geringen Löhne?

      Die Megatrends – an erster Stelle die Globalisierung mit noch GERINGEREN Löhnen woanders, Alterung der Menschen in den entwickelten Volkswirtschaften, Warensättigung und zukünftig Migration der Jobs von der gut entlohnenden Güterproduktion zu den viel schlechter entlohnenden Dienstleistungsbrachen. Siehe USA, steht uns noch bevor.

      Zu den Lösungen von Stöcker:

      Lohnerhöhungen sind ein Rohrkrepierer.

      Erstens können sie nicht angeordnet, sondern müssen verhandelt werden. In der Industrie gibt es seit Jahren keine Streiks mehr für höhere Löhne. Warum nicht? Weil es vorteilhafter ist, einen Arbeitsplatz zu halten als ihn durch hohe Lohnforderungen zu verlieren. Unternehmen müssen nicht in Deutschland investieren, wenn das Nachfragepotential z. B. in China viel größer ist. Jeder Türsteher beim Daimler weiß das.

      Es gibt Streiks für mehr Lohn. Im Öffentlichen Dienst oder bei der Bahn, wo das Erpressungspotenzial hoch ist. Sie werden zunehmen, auch Signalwirkung haben, aber insgesamt nicht sehr viel bewirken.

      Längerfristig kann das anders aussehen (Demografie, aber dagegen auch Robotisierung)

      Unterm Strich:

      ein frommer Wunsch, wenn damit wirklich etwas bewegt werden soll.

      Zentralbankfinanziertes Bürgergeld wäre zwar problemlos realisierbar – vor allem auch rechtlich -, wird aber auf absehbare Zeit nicht kommen. Zuerst kommt die Monetarisierung der Staatsfinanzen.

      Außerdem: Es ist überhaupt nicht klar, wie die Bürger mit dem geschenkten Geld umgehen. Das reicht von geben wir besser nicht aus, weil der Staat es morgen zurückfordern könnte bis geben wir gerade nicht aus, weil wir fürs Alter sparen müssen.

      Außerdem hoch risikoreich, weil ALLES finanzierbar ist. Einmal eingeführt, kommt z. B. sofort und mit Macht das BGE auf den Tisch. Jeder weiß, dass die Finanzierung selbst der irrsinnigsten Wünsche möglich ist, aber keiner weiß, was die Konsequenzen sind, wenn man anfängt sie zu realisieren.

      Unterm Strich:

      viel Ungewissheit mit GROSSEXPERIMENTEN ins Ungewisse.

      Stöcker träumt, malt Bildchen wie im Kindergarten, auch seine Umverteilungsphantasie 99:1 gehört dazu.

      Nicht nur Meinungsmacher, sondern große Mehrheiten haben kein Interesse an seiner Spielwiese.

      Da sind Leute wie A. Turner realistischer:

      Monetarisierte Staatsfinanzierung GARANTIERT eine nominal höhere Nachfrage.

      >Dort sollten wir ansetzen, sonst sind wir auch nach einem Schuldenschnitt sofort wieder dort, wo wir angefangen haben.>

      Nein, wir sollten woanders ansetzen, erprobt und bewährt:

      Der Totale Krieg, komplette Entschuldung und hohe Wachstumsraten.

      Das war die Erfolgsgeschichte Westdeutschlands nach WK II.

      Ach ja, stimmt, kann keine wollen.

      Was dann?

      KREATIVE Zerstörung nach Schumpeter.

      Wir sind schon auf dem Weg mit der Digitalisierung.

      Man kann auch noch etwas nachhelfen, etwa mit der Energiewende.

      Auch hier schreitet die Entwertung von produktiven Sachanlagen zügig voran.

      Geht doch, oder?

      Nein, geht nicht.

      Zu viele Leute verlieren ihren Job, in der Folge auch Hof und Hund, Lebensentwürfe werden zerstört.

      Anders als im Krieg werden sie sich dagegen wehren.

      Ich muss Sie enttäuschen, es gibt keine „Lösung“, nur ein IRREN voran.

      Das ist von Stöcker, da hat er Recht.

      Antworten
      • Christian Hu
        Christian Hu sagte:

        @Dietmar Tischler:

        Ihre Argumentation kann ich nachvollziehen, teile sie aber nicht.

        “Und was ist die Ursache für die komparativ geringen Löhne?”

        Ursache für die niedrigen Löhne ist die hohe Arbeitslosigkeit, häufig auch versteckt in Fortbildungsmaßnahmen und ungewollter Teilzeit. Gute Löhne gibt es ja in vielen Arbeitsteilmärkten, aber eben nicht flächendeckend.

        Der Schlüssel ist Bildung und ein neuer Fokus auf das Digitale als Chance, nicht als Risiko. Asset-heavy Industries stehen vor einem gigantischen Umbruch, und auch deutsche Unternehmen werden bedingt durch IIoT in den nächsten Jahren einen Höhenflug erleben, denn erst jetzt sind die Grundvoraussetzungen geschaffen, damit das Internet nach den informationsnahen Branchen auch die CAPEX-schweren Branchen erreicht.

        Hohe Löhne gibt es dort wie anderswo nicht für Engineers, sondern für Software Engineers – darauf sollten wir uns ausrichten. Grundkenntnisse der Softwareentwicklung zu erlangen ist bspw. nicht schwierig, egal in welchem Alter und Bildungsgrad.

        “Außerdem: Es ist überhaupt nicht klar, wie die Bürger mit dem geschenkten Geld umgehen.”

        Wie sonst auch – Konsum, sparen, investieren. Im Mittelpunkt steht hier aber nicht die Verwendung (Aktivseite), sondern das Wort “Geschenkt” (Passivseite), wodurch das Eigenkapital erhöht wird und somit die Verschuldung relativ sinkt.

        “Auch hier schreitet die Entwertung von produktiven Sachanlagen zügig voran.”

        IIoT wertet Sachanlagen massiv auf und ermöglicht völlig neue Produkte, Services, Plattform-Modelle und Solutions, welche wir uns heute noch überhaupt nicht vorstellen können. Drei Sätze darüber schreien Sie nach Schumpeter, um dann die Entwertung alter Techniken zu beklagen.

        Eins haben aber fast alle digitalen Trends gemeinsam: sie wirken deflationär:
        – Die meisten digitalen Produkte/Services werden zu einem Preis X produziert und können danach zu null Grenzkosten vervielfacht werden, z.B. eine Fernsehserie
        – Physische Produkte werden auf globalen Plattformen zu niedrigsten Preisen gehandelt, durch den Wegfall der Mittelsmänner sinkt der Preis
        – Unbenutzte Kapazitäten (z.B. Autos, die 22 Stunden am Tag herum stehen) werden durch Plattformen einer Verwendung zugeführt; auch zu null Grenzkosten, denn das Auto, die Ferienwohnung etc. ist ja schon da

        Wir brauchen keine Wirtschaft, die gut daran ist ein tolles Produkt möglichst häufig und effizient zu erstellen. Sondern wir brauchen kreative Macher, die möglichst viele innovative Produkte erstellen und am Markt testen.

        Ein Bürgergeld kann diesen deflationären Tendenzen entgegenwirken und Menschen gleichzeitig Sicherheit geben, unternehmerisch tätig zu werden und Wagnisse einzugehen.

        Der Schlüssel zu allem ist Bildung!

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        >Und was ist die Ursache für die komparativ geringen Löhne?

        Ergänzen zur Ihrer Liste möchte ich noch den knallharten Konsumenten, der guckt, dass er möglichst viel für möglichst wenig Geld bekommt. Check24, idealo und Discounter unterstützen ihn dabei.

        Der Preisdruck, den er aufbaut, kommt auf Umwegen auch wieder zurück zu ihm. Wenn die Marge bei Unternehmen X sinkt, muss es bei Löhnen und vor allem bei den bei Zulieferern beauftragten/eingekauften Leistungen sparen. Und die Zulieferer müssen dann auch wieder bei Löhnen Sparsamkeit üben.

        Und fertig ist die Feedback-Schleife. Denn was macht der, der nicht viel Lohn erhält hat, weil sein Arbeitgeber kniepig ist? Richtig, er guckt, dass er möglichst günstig einkauft.

        Wie hieß das doch gleich: What goes around comes around.

      • Christian Hu
        Christian Hu sagte:

        @Thomas M:

        da möchte ich einmal gegen treten:
        – wenn Güter billiger sind, kann der Konsument mehr davon kaufen
        – wenn er mehr Güter kauft, steigt der Absatz der Unternehmen und somit der Bedarf an Produktionskapazitäten
        – wenn der Bedarf an Produktionskapazitäten steigt, geht in der Regel auch die Arbeitsnachfrage hoch

        Höhere Preise erzeugen nicht automatisch höhere Lohnstückkosten.

        Anders herum lassen (sehr) niedrige Preise natürlich keine hohen Lohnstückkosten zu. Hier kommt der Markt ins Spiel, welcher keine Geschäftsmodelle zulassen sollte, die nur zu sehr geringen Lohnstückkosten funktionieren.

        Es sei denn, man hat eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit Arbeitnehmern, die nicht ausreichend oder falsch qualifiziert sind, um anderswo eine höhere Wertschöpfung beizutragen…

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Hu

        “Hohe Löhne gibt es dort wie anderswo nicht für Engineers, sondern für Software Engineers – darauf sollten wir uns ausrichten. Grundkenntnisse der Softwareentwicklung zu erlangen ist bspw. nicht schwierig, egal in welchem Alter und Bildungsgrad.”

        Soso. Wieso sollten die Software Engineers dann hoch bezahlt werden, wenn das jeder leicht lernen kann? Und wieso waren die ganzen rausgeschmissenen Buzzfeed-“Journalisten” so beleidigt dass Leute an sie “learn to code” geschrieben haben – Ihrer Einschätzung nach war das doch ein super Karrieretip?

        Kann es vielleicht sein, dass Sie gerade mehrere Erzählstränge von modischem, aber inhaltlich zweifelhaftem Unternehmensberater-Marketing-Blabla (“Software ist hochkomplex und die Schlüsseltechnologie der Zukunft” – “Softwareentwicklung ist so kinderleicht dass jeder es lernen kann”) miteinander so vermischen, dass sie miteinander in Widersprüche geraten?

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        >wenn Güter billiger sind, kann der Konsument mehr davon kaufen

        Das mag ja im theoretischen Mittel so sein, aber für die meisten Branchen ist das irrelevant, weil die Nachfrage pro Branche / Produktkategorie nicht beliebig hoch ist.

        Ein paar Beispiele:
        Versicherungen: Brauche ich jeweils ein Stück. Check24-Vergleich. Versicherer machen weniger Umsatz.
        Kredite: Brauche ich jeweils ein Stück, z.B. für Auto und Immobilie. smava- oder interhyp-Vergleich. Banken machen weniger Umsatz.
        Bohrmaschine und Staubsauger: Brauche ich jeweils ein Stück. idealo-Vergleich. Bosch und Miele machen weniger Umsatz. Einzelhändler um die Ecke ist raus.
        Filme: Netflix statt DVD. Einzelhändler und Presswerk sind raus.
        Musik: spotifiy statt CD. Einzelhändler und Presswerk sind ganz raus und Musiker verdienen fast nichts.
        Jeder einzelne Unternehmer und Mitarbeiter muss damit erst einmal klar kommen.

        Das große Bild: Angeblich profitieren wir alle davon, wenn die Preise möglichst niedrig sind und Arbeitskraft für Neues freigesetzt wird. Das ist einer der größten Selling Points im Kapitalismus.

        Historisch stimmt das sicherlich und im globalen Mittel mag das auch heute stimmen. Ich hab mehr Zeug oder bekomme es günstiger und in China und den USA hab ich Jobs geschaffen. Jetzt müsste halt der deutsche Fließbandarbeiter und Einzelhändler um die Ecke umschulen und was Tolles machen.

        Und an der Stelle werden die einfachen makroökonomischen Sichtweisen von der komplexen Realität eingeholt: Der Tag hat nur 24h, nicht jeder kann alles lernen und Rohstoffe und Energie und sogar der Platz sind auch begrenzt. So stoßen dann Nachfrage und Angebot auf natürliche Barrieren.

        Ich denke nicht, dass der freie Markt das aus sich heraus lösen kann. Die Menschen müssten andere Konsumprioritäten entwickeln. Ob das aus der Einsicht heraus passiert? Ich bin leider skeptisch…

      • Christian Hu
        Christian Hu sagte:

        @Thomas M:

        Anscheinend habe ich mich nicht verständlich ausgedrückt: der Konsument kauft bei niedrigen Preisen natürlich nicht zwei Bohrmaschinen, sondern eine Bohrmaschine und dazu noch die Heißkleberpistole, welche bei höheren Preisen nicht drin gewesen wäre.

        Lassen Sie uns nicht Umsatz und Absatz vermischen. Bei höheren Preisen zahle ich für die Produktionsfaktoren und viel Gewinn, bei niedrigen Preisen zahle ich für die Produktionsfaktoren und wenig Gewinn – die Restgröße wird kleiner.

        In meinem Menschenbild sind Arbeitnehmer keine Maschinen und durchaus fähig, neue Dinge zu lernen. Das Festhalten an Branchen, die nicht mehr zeitgemäß sind, kann nicht das Ziel sein und wird auch nicht für Fortschritt sorgen.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Christian Hu

        >Wir brauchen keine Wirtschaft, die gut daran ist ein tolles Produkt möglichst häufig und effizient zu erstellen. Sondern wir brauchen kreative Macher, die möglichst viele innovative Produkte erstellen und am Markt testen>

        Ich stimme Ihnen zu, wenn es darum geht, was wir BRAUCHEN.

        Ich lege Ihnen im Folgenden dar, warum wir NICHT BEKOMMEN (können), was wir brauchen.

        Es ist auch eine Kritik, weil Sie ABSTRAKT argumentieren und dabei die REALE Situation im Land ausblenden.

        Wir sind und bleiben eine ALTERNDE Gesellschaft.

        Familienpolitik mit Zuwendungen von Milliarden und Abermilliarden hat über Jahrzehnte die Geburtenraten nicht nachhaltig steigen lassen. Sie wird auch zukünftig nicht nachhaltig steigen.

        Alternde Menschen wollen Besitzstandswahrung und Sicherheit und setzen dies auch politisch durch.

        Daher u. a. keine längere Lebensarbeitszeit, stattdessen werden die Renten mit 100 Mrd./Jahr subventioniert. Tendenz steigend.

        Die jungen Menschen studieren zu 40% und von denen wollen wiederum mehr als 40% in den Öffentlichen Dienst.

        Heißt:

        Sie haben nicht einmal ein Interesse daran, die Privatwirtschaft überhaupt kennenzulernen, geschweige denn als Macher kreativ tätig zu werden.

        Auch ihnen geht es vorrangig um Sicherheit.

        Mehr dazu:

        https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-07/oeffentlicher-dienst-berufswahl-studenten-studie

        Die öffentlichen Debatten unterstreichen diese Sachverhalte:

        Ja, es wurde auch über 5G an jeder Milchkanne gesprochen.

        Die bedeutenden Talkshows sind aber Indikatoren für eine SIGNIFKANT andere Befindlichkeit der Republik:

        Flächendeckende Erhöhung der Mindestrenten ohne Bedürfnisprüfung als Anerkennung der Lebensleistung (SPD/Heil)

        Lockerung der Mitwirkbedingungen von jüngeren Hartz IV-Beziehern und BGE (Die Grünen/Habeck)

        „Wohnraumbeschaffung“ durch Enteignung („Berliner Kiezmodell“)

        Absehbar ist, dass einer der nächsten großen Talkshow-Renner die Pflege sein wir („würdiges Altern“)

        Bei allen diesen Themen geht es um KOLLEKTIVE Problemlösungen.

        Auf dieser Basis erwarten Sie einen Aufbruch von „kreativen Machern“?

        DEREN Realität sieht so aus – abschreckend, wobei es bezeichnenderweise auch hier um Versprechungen (!) der POLITIK geht:
        https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Startups-und-die-Politik-beginnende-Ernuechterung.html

        Wir sind mit allen verfügbaren Kräften auf der schiefen Ebene nach unten.

        Perspektive:

        Ich erwarte, dass wir im Herbst eine neue Regierung haben werden ohne Wahlen und ohne Merkel. Die Grünen dürfen das Projekt Energiewende weiter verfolgen. Entscheidend wird sein, ob es CDU/CSU/FDP gelingt, wenigstens in der Sozial- und Subventionspolitik die Weichen anders zu stellen.

        Es wäre anerkennenswert, wenn der Mainstreammentalität wenigstens entgegengesteuert würde.

        Aber selbst dann wäre noch nicht viel gewonnen.

        Man kann die mehrheitlichen Befindlichkeiten der Bevölkerung nicht übergehen und auch nicht durch Umlegen eines Schalters ändern.

        Ändern wird sich nur etwas, wenn die ANDEREN in der Welt uns zur Besinnung bringen.

        Einige sind bereits unterwegs, es uns beizubringen.

  4. Skeptiker
    Skeptiker sagte:

    Wenn die Zinsen generell negativ sind, wann sehe ich eine Rechnung, wo steht “Bezahlen Sie X,XX Euro, lassen Sie sich aber ruhig viel Zeit damit.” Ebenso müsste dann das zügige Bezahlen von Rechnungen als unfreundlicher Akt empfunden werden. Die Firmen werden umgekehrt ihre Lieferanten gar nicht schnell genug bezahlen können.

    Wenn Bargeld verboten wird, dann müsste auch der Privatbesitz von Gold, Diamanten und manchem anderen verboten werden. Bei Industriemetallen (Platin etwa), wo das unpraktikabel wäre, dürfte die Abgabe nur gegen staatliche Bezugsscheine erfolgen. Bezugsscheine gab es nach dem Krieg und wir habe ja auch eine Verschuldung wie nach dem Krieg. Könnte die Ü70-Fraktion mal aus dem Nähkästchen erzählen, wie das so nach dem Krieg war. Werden wir demnächst wieder mit Zigaretten statt mit bunt bedruckten Scheinen bezahlen?

    Bei solchen Lösungsvorschlägen würde es mich nicht wundern, wenn wir in einer seltsamen Fantasiewelt leben werden, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Gibt es schon einen Roman oder eine Kurzgeschichte dazu? Der Spott über die von 20 Jahren (noch) seltsamen Maßnahmen der Japaner damals ist inzwischen schon verflogen.

    Antworten
    • Eva Maria Palmer
      Eva Maria Palmer sagte:

      @ Skeptiker

      Es gibt doch bestimmte 2 Handvoll Länder, in denen dieser Wahnsinns-Unfug von Bargeld- und Goldverbot noch nicht praktiziert wird.

      Antworten
  5. Eva Maria Palmer
    Eva Maria Palmer sagte:

    “Sichere deutsche 10-Jahres Staatsanleihen” mit Minuszinsen.

    Wer kauft denn sowas?

    Und wer glaubt denn, daß diese Anleihen in der Pleite- und Transfer-Union sicher sind?
    Nach 10 Jahren hätten wir durch die Enteignungs-ZB mindestens 20% Verlust.

    Ja, haben wir denn noch alle Tassen im Schrank, daß wir so etwas ernsthaft in Erwägung ziehen oder bin ich vielleicht diejenige, bei der Tassen fehlen?

    Antworten
    • Thierry
      Thierry sagte:

      Natürlich kann man gegenwärtige Tendenzen weiterspinnen bis ins Abstrakte. Das erinnert mich an Walt Disney’s Roadrunner. Der rennt auch unbeirrt weiter obwohl er sich bereits mitten über einem abgrundtiefen Canyon befindet. Und da erschrickt er plötzlich, Ende bekannt.

      Antworten
    • Skeptiker
      Skeptiker sagte:

      Eva Maria Palmer fragt: “Wer kauft denn sowas?”

      Lesen Sie doch den Originalartikel bei Bloomberg – im Gegensatz zu FT ohne Paywall. Banken und Versicherungen etwa sind *verpflichtet* so etwas zu kaufen, auch mit negativen Renditen. Herr Stelter unterschlägt immer wieder mal nette Details.

      Schön finde ich in diesem Artikel auch den Link
      https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-02-03/20th-anniversary-of-japan-s-zero-rates-reveals-a-global-trend
      auf “wir feiern im Februar 2019 das 20-jährige Jubiläum der japanischen Nullzinspolitik”. In diesem Zusammenhang wird von Hybris, Furcht und Demut gesprochen. Das ist eben mehr als eine technische Kleinigkeit.

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        “Wer kauft denn sowas?”

        Die Versicherungen müssen aus regulatorischen Gründen einen Großteil ihrer Anlagen in “hoch sicheren” Anleihen tätigen auch wenn sie negativ verzinst sind – und gleichzeitig begünstigt der Staat Versicherungen durch Besteuerungsregeln oder gleich die gesetzliche Auflage an seine Bürger, bestimmte Versicherungen unbedingt abschließen zu müssen.

        Es ist ein bisschen wie bei diesen genial designten Schlachthöfen, wo die Schlachttiere auch keine Panik bekommen während sie durch die Gänge geführt werden, bis am Ende das Bolzenschussgerät kommt.

      • Eva Maria Palmer
        Eva Maria Palmer sagte:

        @Skeptiker
        @ Herr Ott

        Danke für die Info, daß Versicherungen verpflichtet sind, mit Minuszinsen belastete “sichere” Staatsanleihen zu kaufen.

        Jetzt aber drängt sich die nächste Frage auf:
        Wer schließt denn solche Versicherungen ohne Renditen ab?

        Und jeder weiß doch inzwischen, daß in der Elends- und Transfer-Union Staatsanleihen nicht zurückbezahlt werden.

        Das alles spricht elementar gegen den gesunden Menschenverstand und ich frage mich, warum wir das alles zulassen.

        Laßt uns doch einmal eine alternative Partei wählen und/oder gelbe Westen anziehen.

      • RaS
        RaS sagte:

        @ R. Ott
        “Es ist ein bisschen wie bei diesen genial designten Schlachthöfen, wo die Schlachttiere auch keine Panik bekommen während sie durch die Gänge geführt werden, bis am Ende das Bolzenschussgerät kommt.”

        Schweine werden vor dem Schlachten mit CO2 betäubt. ;-)

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @RaS

        “Schweine werden vor dem Schlachten mit CO2 betäubt.”

        Rinder nicht. Die kriegen nur den Bolzenschuss, da wird kein klimaschädliches CO2 freigesetzt. Deshalb gehen die Klimakids freitags nach der Demo ja auch so gerne noch zu McDonald’s. ;)

      • jobi
        jobi sagte:

        @EMP

        “Wer schließt denn solche Versicherungen ab?”

        Z.B.der deutsche Riester-Sparer, mit staatlicher Förderung und “garantierter” Mindestverzinsung.

        Im besten Fall, wenn die ZB’n liefern und die Zinsen kräftig in den negativen Bereich schicken, kann das Renditeversprechen sogar noch für einige Zeit erfüllt werden.
        Viele erkennen inzwischen das miserable Verhältnis von Chance zu Risiko, scheuen aber die Verluste, die mit einem vorzeitigen Ausstieg aus diesem langfristigen “Investment” verbunden sind.

  6. ondoron
    ondoron sagte:

    Das klingt so schön konstruktivistisch einfach: Zinsen negativ, Sparer schröpfen, und schon geht es aufwärts. Ein so simpel gestricktes mechanistisches Modell wird wohl kaum funktionieren. Werden das die Banken überleben? Die Versicherungen?
    Und die Bevölkerungen der Staaten werden selbstverständlich dazu klatschen und sich freudig ihrem Schicksal ergeben. Für die ganz Armen wird weiter Geld gedruckt und verteilt oder den Leistungserbringern abgepresst, die Leistungsfähigen werden vertrieben, die “Fachkräfte” werden in das Land geschleußt… aber alles wird gut!
    Wie sagte doch Schäuble? “Ich bewundere die europäische Jugend, wird sie doch später im Paradies leben.” – Solche Chuzpe ist in der Tat bewundernswert. Das hört sich an wie Politbüro. Und dort wird es genau enden in Europa. In einem verrotteten sozialistischen System wie früher im Osten. Die wenigsten merken das.

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    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @ondoron:

      Sie wissen aber vermutlich auch nicht, ob Herr Schäuble mit europäischer Jugend den Nachwuchs der schon länger hier Lebenden oder den der Neuankömmlinge gemeint hat. Es könnte sein, dass die Auffassung vom “Paradies” sich zwischen den beiden Gruppen unterscheiden wird bzw. darüber kein Einvernehmen erzielt werden kann. Wenn ich sehe, was in den letzten Jahren manche Leute im Nahen Osten getan haben, um frühzeitig ins “Paradies” zu kommen, macht mich Schäubles Aussage eher nervös.

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      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @ondoron

        “Wie sagte doch Schäuble? ‘Ich bewundere die europäische Jugend, wird sie doch später im Paradies leben.’ – Solche Chuzpe ist in der Tat bewundernswert. Das hört sich an wie Politbüro. Und dort wird es genau enden in Europa. In einem verrotteten sozialistischen System wie früher im Osten”

        Vielleicht hat Schäuble die Partei-Jugenden in der EU, also die Jugendfunktionäre der das System stützenden Parteien, gemeint? Die leben auch in einem verrotteten sozialistischen System weiterhin fett – dann ist alles konsistent.

  7. Susanne Finke-Röpke
    Susanne Finke-Röpke sagte:

    Albert Edwards: “In markets where rates are even lower or already negative, rates will need to go deeply into into the red.“

    Das heißt doch bei Rückgängen zwischen 3 und 5 % nichts anderes, als dass in der nächsten Rezession US-Bonds bis -2,5 % und deutsche Rentenpapiere auch mal mit -4 % rentieren werden, oder? Dann allerdings sollte sich ein Bargeldverbot für den Staat wirklich lohnen.

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