Warum wir das Bargeld ver­teidigen müssen

Bargeld soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es nur noch digitales Geld geben, das man besser kontrollieren kann: Keine heimlichen Einkäufe mehr. Vielleicht bieten sich Optionen dafür, Negativzinsen leicht durchzusetzen und gesellschaftlich unerwünschten Konsum zu unterbinden …

Nun, die Kritiker der Abschaffung werden gern als Aluhüte dargestellt, die irgendwelchen Verschwörungstheorien glauben.

Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen und Podcast-Hörern wohlbekannt, dürfte wohl nicht in diese Kategorie fallen. Deshalb lohnt es sich, seine Argumentation zum Thema kurz zusammenzufassen:

  • “Die Entwicklung Richtung Überwachungsgesellschaft kommt auf leisen Sohlen und unspektakulär. Zum Beispiel, indem die Möglichkeiten zur Bargeldzahlung langsam aber sicher eingeschränkt werden. (…) So lassen sich Kosten sparen und erst noch Daten über die Kunden sammeln. Auf diese Weise kann man diese dann gezielter mit massgeschneiderten, individuellen Angeboten zu weiteren Käufen animieren. Und auch Banken, Zahlungsanbieter wie Twint oder Anbieter von Kredit- und Debitkarten würden sich freuen, wenn die Bargeldoption verschwände. Denn jede Bargeldzahlung bedeutet für sie einen entgangenen Gewinn.” – bto: So ist es natürlich. Es ist doppelter Gewinn.
  • “Doch Feinde des Bargeldes finden sich auch beim Staat. Staatliche Stellen argumentieren vor allem mit der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität. (…) Doch dass weniger Bargeld gleichzeitig weniger Kriminalität, Terrorismus oder Korruption bedeutet, ist ein frommer Wunsch. Innovative Kriminelle waschen ihr Geld zunehmend ‘virtuell’, indem sie auf virtuelle Währungen wie Bitcoin ausweichen. In Wirklichkeit ist die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus vor allem ein Vorwand, um totale Transparenz über sämtliche Zahlungsaktivitäten der Bewohner eines Landes zu erlangen. Das erleichtert dem Staat die Steuern einzutreiben, aber nicht nur das. Man kann dann Menschen mit ‘verdächtigem’ Zahlungsverhalten gleich erkennen und präventiv ausspionieren. Und was als ‘verdächtig’ gilt, kann sich je nach politischer Situation schnell ändern.” – bto: Ja, mir graut gerade mit Blick auf das Klimathema vor der völligen Transparenz und der dann möglichen staatlichen Steuerung des Verhaltens.
  • “Für die Erhaltung des Bargeldes spricht aber auch die Resilienz eines Wirtschaftssystems, um diesen Modebegriff hier einmal ins Spiel zu bringen. Wenn man sich vollständig von elektronischen Zahlungssystemen abhängig macht, können Störungen oder Manipulationen verheerende Auswirkungen haben. Deshalb ist es wichtig, eine gewisse Vielfalt auch von nicht digitalen Optionen aufrechtzuerhalten.” – bto: Auch dieses Argument leuchtet ein.

fuw.ch: „Warum uns das Bargeld vermiest werden soll“, 3. Mai 2021