Warum arme Kinder arm bleiben

Immer wieder beschäftigen uns die Themen Vermögensverteilung und Bildung. Und dabei natürlich auch die Frage der gesellschaftlichen Mobilität. Schon im letzten Jahr habe ich eine Studie des ifo-Instituts zitiert, die zeigt, dass rund 25 Prozent des beruflichen Erfolgs von “ungerechten” Faktoren abhängen wie beispielsweise der Herkunft. Damit liegt Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern sogar gut.

Ungerechtes Deutschland? – Ein tieferer Blick auf die Daten.

Nun bin ich auf einen Artikel der F.A.Z. aufmerksam geworden, der analysiert, weshalb arme Kinder arm bleiben. Der Beitrag ist schon etwas älter, aber gerade mit Blick auf die aktuelle Corona-bedingte Lage an den Schulen relevant:

  • “(…) Deutschlands Elite wirkt im frühen 21. Jahrhundert recht durchlässig. (…) Es ist die Generation der Baby-Boomer, die jetzt viele Schaltstellen in Politik und Wirtschaft besetzt: Geboren oft in den 60er Jahren, profitierte sie von der großen Bildungsexpansion der 70er. Viele Deutsche erreichten damals einen höheren Schulabschluss als ihre Eltern.” – bto: Das ist natürlich, gab es doch stärker steigende Abiturientenquoten als zuvor und auch eine andere Haltung. Nun haben wir die Akademisierung vermutlich zu weit getrieben.
  • “Jetzt hat die Industrieländer-Organisation OECD mit einer neuen Studie wieder einmal gezeigt, dass Deutschlands Bildungssystem Schüler aus sozial schwachen Elternhäusern nicht gut fördert. (…) 76 Prozent der Kinder von Akademikern schließen selbst ein Studium ab. Wenn die Eltern keinen Schulabschluss haben, schaffen das nur zehn Prozent der Kinder. So wenig Aufstieg gibt es nur in wenigen anderen Ländern.” – bto: Liegt das nun am Umfeld oder hat es eben doch was damit zu tun, dass Akademikereltern tendenziell mehr auf Bildung achten? Und es gibt auch Teile der Intelligenz, die vererbt werden.
  • “Viel wichtiger als Einkommen und Vermögen im Elternhaushalt ist, wie die Eltern sich verhalten. Ob die Mutter in der Schwangerschaft geraucht hat. Ob die Eltern selbst Bildung haben und wertschätzen. Ob im Haus vorgelesen wird, ob das Kind mit einem Pausenbrot in die Schule geht und ob die Eltern auf die Hausaufgaben achten. Vor allem aber: Welche Bildungsziele die Eltern für ihre Kinder haben. Wenn Kinder in diesen Belangen Pech mit ihren Eltern haben, helfen ihnen die deutschen Schulen kaum weiter.” – bto: Das ist vielleicht auch effizient. Denn wie kann man erkennen, dass das Potenzial und die Fähigkeit vorhanden ist? Man muss ja zehn Kinder intensiv betreuen, um bei einigen davon ein spürbar besseres Ergebnis zu erzielen. Oder?
  • “Die aktuelle Forschung in Genetik und Neurowissenschaften geht davon aus, dass Intelligenz in viel höherem Maß erblich ist, als man früher gedacht hat.” – bto: ein gern geleugneter, tabuisierter Tatbestand.
  • “Trotzdem leisten die Bildungssysteme anderer Länder ganz offensichtlich mehr. Und wenn Kinder aus sozial schwachen Haushalten zurückbleiben, dann ist das nicht nur ein Drama für die betroffenen Kinder, dann leidet der Wohlstand des ganzen Landes.” – bto: Ist das so? Wenn man Gunnar Heinsohn folgt, dürfte es auch eine Folge unserer Art der Zuwanderung sein.
  • “Kinder aus gutem Haus zeigten in Deutschland ebenso gute Schulleistungen wie vergleichbare Kinder in Finnland, Estland oder Japan (…) Diese drei Länder gehören zu den stärksten im internationalen Vergleich.” – bto: Das bezweifle ich. Ein Blick auf den Anteil der Deutschen Schüler im Top-Leistungsniveau Mathematik im Vergleich zu Japan offenbart eklatante Differenzen! In Japan ca. 50 Prozent in Deutschland weniger als drei Prozent. Oder stammen nur drei Prozent aus “gutem Haus”?
  • Welche Schüler im deutschen Bildungssystem Schwierigkeiten haben, das lässt sich relativ klar eingrenzen: Es sind meistens die Kinder von eingewanderten Eltern. Und zwar nicht die Kinder von eingewanderten Hochschulabsolventen. Die sind an der Schule mindestens so stark wie die von deutschen Hochschulabsolventen. Problematisch wird es dagegen oft dann, wenn die eingewanderten Eltern eine schlechte Schulbildung haben. Aus diesen Familien schaffen nur sieben Prozent der Kinder einen Bachelor- oder Master-Abschluss, fast die Hälfte erreicht nicht einmal einen Schulabschluss. Der Anteil ist vier Mal so hoch wie unter Kindern, deren Eltern beide in Deutschland geboren worden sind.” – bto: Und jetzt können wir uns überlegen, ob die Migration der letzten Jahre das Problem vergrößert oder verkleinert hat.

Quelle: F.A.Z., OECD

Ich finde es noch bemerkenswerter: Der Anteil der Kinder von Akademikereltern mit Migrationshintergrund, die wiederum Kinder haben, die studieren, liegt über dem Niveau der heimischen Bevölkerung. Dasselbe sieht man in Singapur und Kanada. Die Zuwanderung qualifizierter Menschen dient über Generationen dem hiesigen Wohlstand, die Zuwanderung unqualifizierter ist einer dauerhafte finanzielle und soziale Last.

  • “‘Die Unterschiede in Deutschland kommen durch die Problemviertel zustande’, sagt Bildungsökonom Ludger Wößmann vom Münchener Ifo-Institut. Er hat nachgezählt, was sowieso viele vermuten: Wenn aus dem Ausland zugezogene Familien viele Menschen aus ihrem Herkunftsland in der Nähe haben, dann sprechen die Kinder schlechter Deutsch und brechen eher die Schule ab. ‘Ghettoisierung behindert die Integration von Migrantenkindern’ – das ist Wößmanns Fazit.” – bto: ein Fazit, das zu kurz springt. Bildungsferne Zuwanderer haben eine natürliche Tendenz zur Ghettoisierung. Deshalb liegt der Schlüssel an der Grenze. Danach ist es zu spät.
  • “Ein Schüler aus einem sozial schwachen Elternhaus erreicht im Pisa-Test 99 Punkte mehr, wenn er eine Schule mit mittelmäßigem Sozialprofil besucht, als auf einer Schule mit schlechtem Sozialprofil. 99 Punkte, das ist der Fortschritt von vier Schuljahren. In kaum einem Land Europas sind die Unterschiede stärker ausgeprägt. Nur in Frankreich mit seinen berüchtigten Vorstädten vor allem rund um Paris ist der Unterschied zwischen guten und schlechten Schulen noch größer. Selbst in den Vereinigten Staaten sind die Schulen nicht so unterschiedlich, dass sie einen größeren Einfluss auf die Leistungen der Kinder hätten, als das in Deutschland der Fall ist.” – bto: was beides zur These der Zuwanderung zurückführt. Kein Wunder, dass Frankreich noch schlechter ist. Übrigens auch in Mathe.
  • “Bildungsökonom Ludger Wößmann denkt darüber nach, Asylbewerbern ihren Wohnort häufiger vorzuschreiben, damit sich keine Ghettos bilden. Eine Alternative sei, Schüler zwischen den Stadtvierteln zu tauschen, so dass Kinder aus armen Familien auf gute Schulen kommen und Kinder aus reichen Familien auf andere – doch ob sich die Eltern darauf einlassen, ist fraglich. Denn die Ergebnisse der OECD deuten auch deutlich darauf hin, dass das die Leistungen der wohlhabenden Kinder beeinträchtigen könnte.” – bto: zum einen: Warum schreibt die FAZ hier “reich” und “arm”, wo sie doch zuvor selbst betont hat, dass es an der Bildung der Eltern liegt. Zum anderen: Wenn man Bildungsnahe mit Bildungsfernen “zwangsvermischt”, dann muss das Niveau sinken. Wir brauchen aber nicht noch weniger, sondern deutlich mehr Top-Leister. Selbstverständlich würden die bildungsnahen Eltern aus dem System flüchten, das tun sie ja jetzt schon!

faz.net (Anmeldung erforderlich): „Warum arme Kinder arm bleiben“, 31. Oktober 2018