Vollgeld als Lösung

Gestern betrachtet ich die Position eines Skeptikers zum Thema Vollgeld, heute die von einem Befürworter, den von mir sehr geschätzten Thomas Mayer. Im Gespräch mit der FINANZ und WIRTSCHAFT erläutert er warum:

  • „Die private Giralgeldschöpfung erzeugt Kreditzyklen. Die Zentralbank versucht zwar, die Geldproduktion zu steuern, indem sie den Kreditzins beeinflusst. (…) In der Vergangenheit  führte das dazu, dass mal zu viel, mal zu wenig Giralgeld hergestellt wurde, denn die Notenbank kennt den idealen Zins nicht. Er sollte sich am Markt bilden.“ – bto: wobei man spontan nun sagen könnte, dass es keine so gute Idee ist, eine Monopolstellung zu haben, wenn man schon in der Vergangenheit die Kredritzyklen und damit die Krisen verstärkt hat. Oder?
  • Die Hoffnung ist, dass sich dadurch die langfristige Wirtschaftsentwicklung stabilisiert. Die Zentralbank ist dann allein verantwortlich und kann die Geldproduktion verstetigen. Geld wird unabhängig von der Kreditgewährung der Geschäftsbanken geschaffen. Der Zins bildet sich frei am Markt. Geldschaffung und Zinsbildung sind getrennt.“ – bto: Kann man das so sagen? Hätte ein knappes Angebot nicht höhere Zinsen zur Folge?
  • „(…) es wäre eine Geldmengensteuerung. Idealerweise sollte die Zentralbank die Geldmenge entlang eines langfristigen Trends wachsen lassen. (…) Die Geldmengensteuerung erinnert an den Goldstandard. (…) Nimmt die Geldmenge stetig zu, dann sinken in einer Wirtschaftsflaute die Marktzinsen. Sobald die  Konjunktur heiß läuft, nimmt die Nachfrage zu, die Zinsen steigen. Es gäbe also einen automatischen Stabilisierungsmechanismus, ohne dass die Zentralbank steuert.“ – bto: Wenn die Notenbank also korrekt das Wachstumspotenzial kennt und sich daran orientiert, dann würde der Zins die Konjunkturentwicklung glätten.
  • Es ist sicherer, weil dann ausschließlich Geld zur Verfügung steht, das von der Zentralbank ausgegeben wird. Es hat einen Wert an sich, der vom Vertrauen der Geldnutzer in die Kaufkraft des Geldes bestimmt wird. Das Geld ist keine Schuldverschreibung mehr, die Geschäftsbanken auf Zentralbankgeld ausgeben.“ – bto: Wenn die Banken die Kredite wirklich nur gegen gute Sicherheit geben würden, ist es auch ein funktionsfähiges System ist, das wir haben. Das Problem ist das pro-zyklische Verhalten und die Wechselwirkung mit den Assetpreisen.
  • Dann kommt die entscheidende Frage: „Kann man Banken so einfach verbieten, Geld zu schöpfen? Das ist kein Problem. Theoretisch reicht es, zu verlangen, dass Banken auf Giralgeld einen Reservesatz von 100 % halten. (…) Alles, was den Leuten als Geld verkauft wird, aber nicht Geld ist, ist Betrug. Wenn Ihnen jedoch jemand einen heißen Kredit andreht, der verlockend erscheint, dann ist das Ihr eigenes Risiko. Sie können ihn aufnehmen und Ihr Vollgeld dem Kreditanbieter zu saftigen Zinsen geben. Ob Sie es zurückerhalten, ist eine andere Frage.“ – bto: Das ist eine Frage, die man nicht ernst genug stellen kann. Ja, meines Erachtens gibt es diese Gefahr .
  • „Für Vollgeld wäre in der Tat der Euro der ideale Kandidat. Er ist eine wacklige Währung, weil sich die Staaten zum Teil extrem in Euro verschuldet haben und nicht sicher ist, ob sie diese Schulden jederzeit bedienen können. Auch stehen im Euroraum  die Banken zum Teil auf schwachen Füssen. Dort wäre es sinnvoll, das Geld vom Bankwesen und von den Staaten zu trennen.“ – bto: Den Politikern den Hebel wegzunehmen, über die Banken beliebig viele Schulden produzieren zu können, ist im Euroraum undenkbar.
  • „Die Zentralbank trifft in dem System überhaupt keine Kreditentscheidungen. Sie weitet die Geldmenge einem stetigen Pfad folgend aus. Die Kreditentscheidungen werden von den Banken getroffen. Banken sammeln Spargelder ein und verleihen sie weiter.“ – bto: Das stimmt. Die Kritik, dass die Notenbank dann über Kredite entscheidet, ist falsch. Generell dürfte aber eine Verknappung dazu führen, dass einige Kredite eben nicht mehr vergeben werden, tendenziell die weniger produktiven (wäre zu hoffen!).
  • Es kann sein, dass es dann zu höheren Zinsen kommt. Aber das wäre gesund für die Wirtschaft. Denn die Zentralbanken drücken bisher die Zinsen nach unten. Das lässt sich seit zwei Jahrzehnten beobachten und erzeugt wiederkehrende Finanzkrisen. Es erinnert an Doping im Sport: Kurzfristig wirkt es, aber langfristig ruiniert es die Gesundheit des Sportlers.“ – bto: Käme es zu Vollgeld in der Schweiz, würden die (sehr hohen) Immobilienwerte unter Druck geraten. Deshalb hätte ich den Initiatoren geraten, einen Teil des Umstellungsgewinns den Hypothekenschuldnern (proportional zur ausstehenden Schuld) zukommen zu lassen als Kompensation für die fallenden Immobilienpreise. Das ist schon ein wichtiges Thema.
  • „Fakt ist: Zentralbanken können die Inflation überhaupt nicht steuern. Sie beglückwünschen sich zu etwas, das ihnen vor der Finanzkrise passiert ist, ohne dass sie es selbst herbeigeführt haben. Seit der Finanzkrise verfehlen sie ihre Inflationsziele. Zu behaupten, die Zentralbanken hätten mit ihrem «Inflation Targeting» die Teuerung steuern können, halte ich für Selbstbetrug.“ – bto: vor allem, weil da noch ganz andere Dinge eine Rolle spielen.
  • Heutzutage manipulieren Zentralbanken weite Bereiche des Finanzmarktes. Die Zentralbanken manipulieren die Zinsen, aber nicht mehr nur die Geldmarktsätze, sondern bis hin zu den Zinsen langlaufender Staatsanleihen. Sie manipulieren die Wechselkurse. Japans Notenbank kauft sogar Aktien-ETF und manipuliert so die Aktienpreise. Wir sind mit diesem Geldsystem Schritt für Schritt in eine zentral geplante Geldwirtschaft gerutscht. Das tut nicht gut. Deshalb wäre es richtig, sich zurückzuziehen und dem Markt mehr Spielraum einzuräumen. Das kann bei Vollgeld geschehen, indem die Zentralbank die Geldmenge stetig wachsen und Zins wie Wechselkurs sich normal einpendeln lässt.“ – bto: Das kann man sicherlich so sehen. Ich bin, was die Rolle der Notenbanken betrifft, aber so enttäuscht, dass ich mir schwer vorstellen kann, dass sie es wirklich besser machen.
  • Zentralbanken werden im Vollgeldsystem auf einfache Geldausgabeinstitutionen reduziert. Sie können sich überlegen, wie der Trend des Geldmengenwachstums verläuft, zum Beispiel ob sich das Potenzialwachstum verändert hat. Darüber beraten sie vielleicht einmal im Jahr. Der Aktivismus würde aus dem System genommen. Das stört die Zentralbanken, denn sie fühlen sich als Zentralplaner wohl. Sie sind die Schattenregierungen der Welt.“ – bto: was man so deutlich sagen muss.
  • Die einzige berechtigte Befürchtung ist, dass durch die Vollgeldordnung der Franken so attraktiv wird, dass ihn jeder haben will und er sich deutlich aufwertet. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Es müssen Kapitalverkehrskontrollen für Zuflüsse verhängt werden. Devisenmarktinterventionen sind nicht mehr möglich. Auch Negativzinsen könnte die SNB nicht mehr verhängen? Nein. Im Vollgeldsystem sind Notenbanken völlig raus aus dem Zinsgeschäft.“ – bto: Ich denke, die Aufwertung des Franken und der Rückgang der Immobilienpreise sind die Killerargumente für die Initiative. Dennoch ist sie wertvoll, weil endlich die Fehlleistungen des Ist-Systems auf den Tisch kommen!

fuw.ch: “Vollgeld ist die bessere Lösung”, 23. Mai 2018