Verteilungswirkungen der Klimapolitik

Heute ist also globaler Klimastreik #AlleFürsKlima. Bundesweit sind Hunderte Demonstrationen geplant. Auch Unternehmen und Gewerkschaften mobilisieren zur Teilnahme. Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Mitglieder aufgerufen, sich den “Fridays for Future”-Protesten anzuschließen. Mehr als 100 Umweltorganisationen haben sich dem Streikaufruf angeschlossen. “Klimagerechtigkeit statt Verwertungslogik” lautet eines der Motti.

Problematisch für jemanden wie mich, der lieber mit Rationalität an die Dinge rangeht. Vor allem stört mich, dass es zunehmend eine linke, sehr kapitalismuskritische Bewegung wird, die im Kern immer mehr auf einen Systemwechsel abstellt und weniger auf die Klimafrage. Klar ist, dass, wenn sich die Demonstranten mit ihren Forderungen durchsetzen – was am wahrscheinlichsten in Deutschland ist – eine neue Wanderungsbewegung aus dem Land einsetzt, in jene Regionen, die weniger emotional und populistisch regiert werden.

Das liegt auch an den ökonomischen Konsequenzen, die erheblich sein werden. Lassen wir deshalb Leute zu Wort kommen, die die Zeit und die Fähigkeit haben, komplexe wirtschaftliche Themen zu durchdenken. Flossbach von Storch hat unter Thomas Mayer eine interessante Forschergruppe aufgebaut, die immer wieder durch gute und interessante Beiträge glänzt. Deshalb auch schon öfter Inhalt bei bto. Heute – der Themenwoche angemessen – erneut ein Blick auf Klima und die Wirkungen der Politik:

  • “Den Maßstab für die Klimaschutzpolitik in der EU bilden die internationalen Abkommen der UN-Klimarahmenkonvention und ihrer Zusatzprotokolle, das Kyoto-Protokoll und das Pariser Abkommen. Für den laufenden Verpflichtungszeitraum des Kyoto-Protokolls (2012 – 2020) hat sich die Europäische Union verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.” – bto: Gut, dass wir uns das nochmals in Erinnerung rufen. Dies ist eine einseitig auf Vermeidung ausgerichtete Strategie. Wir sollten aber auch auf Technologien zur Reduktion setzen und zugleich für die Klimafolgen entsprechend Geld vorhalten.  
  • “(…) Deutschland (hat sich) verpflichtet, seine Emissionen bis 2020 um 40 %, bis 2030 um 55 %, bis 2040 um 70 % zu reduzieren und bis 2050 nahezu emissionsneutral zu werden. Die bisherige Erfolgsbilanz – ein Rückgang um 25 % in den letzten 30 Jahren und fast keine Veränderung seit 2009 – lässt Zweifel an zukünftigen Fortschritten aufkommen.” – bto: Das widerspricht schon mal der Logik, weil wir da zu immer höheren Kosten immer weniger erreichen. Wie kann man so etwas unterschreiben? Nun, ich denke, nicht wenige Länder werden sich denken, „Papier ist geduldig“ und „lass die Deutschen mal machen“. Beides ist natürlich nicht o. k. Wir sollten aber den Fokus auf Technologien setzen, statt nur auf krampfhafte Vermeidung.

Quelle: Flossbach von Storch

  • „Angesichts der zunehmenden Unterstützung für grüne Bewegungen in ganz Europa ist zu erwarten, dass weitere Schritte unternommen werden, um die tatsächlichen Emissionen drastisch zu senken.“ – bto: Und weiter, es ist auch der Ausweg aus der ökonomischen Eiszeit. Denn dann kann man ohne Krieg vorhandene Vermögenswerte entwerten und die Nachfrage ankurbeln.
  • “Das Beharren auf der Erreichung immer strengerer Klimaziele und das unangemessene Drängen auf grüne Investitionen – koste es was es wolle – steht im Widerspruch zum Stakeholder-Modell, wonach jede wirtschaftliche Entscheidung Interessen und Kompromisse der beteiligten Parteien ausgleichen sollte. Ein politisch, wirtschaftlich und sozial ausgewogener Ansatz müsste sowohl den Nutzen als auch die Kosten des Umweltschutzes berücksichtigen. Die aktuelle politische Debatte konzentriert sich jedoch stark nur auf das Erste und vernachlässigt das Zweite.” – bto: „vernachlässigt“? Nein, stigmatisiert!
  • “Zwei Arten von Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind wahrscheinlich. Der Umweltschutz könnte langfristig grüne Innovationen anregen und so zum Wirtschaftswachstum beitragen. Gleichzeitig müssten aber kurz- und mittelfristig Anlagen, die ökologischer Mindeststandards nicht genügen, geschlossen oder zumindest angepasst werden. Da dies direkte und nicht vernachlässigbare Kosten für die Unternehmen mit sich bringt, würden ihre Gewinne schrumpfen und es würden weniger verfügbare Mitteln für alle Arten von Investitionen– grün und schmutzig zugleich – zur Verfügung stehen. All dies hätte negative Auswirkungen auf den Bestand an vorhandenem Kapital und die Beschäftigung.” – bto: natürlich. Wenn man zu unwirtschaftlichen Investitionen zwingt, dann führt das zur Flucht oder wenn nicht möglich, zum Niedergang.
  • “Die negativen Auswirkungen würden durch Kapitalabflüsse aus der weniger profitablen EU-Region in Länder wie die USA, die sich eher weigern, den Umweltschutz drastisch zu erhöhen, verstärkt werden. Im Hinblick auf die Folgen für den Arbeitsmarkt könnte nach entsprechender Ausbildung ein Teil der Arbeitskräfte von der „schmutzigen“ in die „saubere“ Produktion verlagert werden. Aufgrund von Rigiditäten am Arbeitsmarkt und erheblichen Verzögerungen bei der Umsetzung der entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen würde jedoch ein großer Teil der Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.” – bto: Was kümmert es die Aktivisten? Wenn die Arbeitsplätze weg sind, sparen wir doch noch mehr CO2, weil spätestens dann mehr Fahrrad gefahren wird. O. k., das ist jetzt polemisch.
  • “Es gibt eine breite ökonomische Literatur, die sozioökonomische Aspekte der Klimapolitik analysiert, wobei der Großteil der Forschung sich auf die US-Wirtschaft konzentriert. Unter den jüngsten Beiträgen untersucht Walker die Auswirkungen auf die Beschäftigung in Unternehmen und Wirtschaftszweigen als Reaktion auf die Umweltvorschriften der Landkreise, die sich aus den Änderungen des Clean Air Act von 1990 ergeben. Er stellt fest, dass die Größe der regulierten Sektoren in den 10 Jahren nach den Veränderungen um 15 % zurückgegangen ist. Für den weniger untersuchten EU-Fall zeigt eine Simulation von Böhringer et al., dass die EU-Klimapolitik zur Erreichung der 2020- Ziele (wie 2009 definiert) ernste Marktverzerrungen und nicht unerhebliche Compliance-Kosten verursachen würde.” – bto: So ist es. Wiederum nicht sonderlich verwunderlich. Dort wo es teurer wird, relativ zu anderen Standorten, gibt es Verluste an Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb kann man es nur global machen. (Oder man baut Mauern und erhöht Wegzugssteuern.)
  • „Dieses Papier untersucht die möglichen Reallokationseffekte in der EU und ihren Mitgliedsländern, indem es die sektoralen CO2-Emissionsmuster analysiert. Ziel ist es, zwei zentrale Fragen zu beantworten: 1) welche EU-Länder möglicherweise die ersten sind, die ihre umweltpolitischen Anstrengungen intensivieren müssten, um die EU-weiten Ziele zu erreichen, und 2) welche Industriesektoren wahrscheinlich am stärksten von der Neuverteilung von Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung betroffen sind.“ – bto: … und damit am meisten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Interessant allemal.
  • “(Die Abbildung) zeigt, dass in 12 EU-Mitgliedstaaten die CO2-Emissionen aus der Produktion pro Mitarbeiter über dem EU-Durchschnitt liegen, obwohl alle weniger CO2ausstoßen als die USA. Die Hälfte von ihnen gehört zu den neuen EU-Mitgliedern aus Ost- und Südeuropa (Estland, Tschechien, Polen, Zypern, Malta und Slowakei), die andere Hälfte sind alte EU-Mitglieder (Dänemark, Finnland, Belgien, Niederlande, Griechenland und Deutschland). Angesichts der überdurchschnittlichen Emissionen dürften diese Volkswirtschaften am stärksten von der Verfolgung klimapolitischer Ziele betroffen sein.” – bto: Da haben wir schon das erste Problem. Osteuropa wird nicht begeistert mitmachen, was vermutlich die Lasten für die anderen erhöhen wird. Deutschland exportiert viel in die Welt und erzeugt dabei CO2, was man durch einfache Verlagerung der Produktion „statistisch“ lösen kann. Aber eben nur statistisch. Auch nicht verwunderlich, dass ausgerechnet Frankreich so auf Einsparungen drängt. Hier geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland. Ich bin überzeugt, es gehört zum europäischen Vereinigungsplan Frankreichs, auch über eine relative ökonomische Schwächung Deutschlands den Führungsanspruch zu verfestigen.

Quelle: Flossbach von Storch

  • „Der Sektor mit den höchsten CO2-Emissionen ist die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, die für 25 % bis 70 % der gesamten landesweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. (…) Was die anderen CO2-Verursacher betrifft, so sind die drei Sektoren Schiff-, Luftfahrt und Landverkehr für einen großen Teil der Emissionen in allen analysierten Ländern verantwortlich. Die Verteilung verbleibender CO2-Emissionen spiegelt die industrielle Spezialisierung jedes einzelnen Landes wider.“ – bto: Und hier haben natürlich Länder, die noch mit Atomkraft arbeiten, einen deutlichen Vorteil.  
  • „Der Gesamteffekt von etwa 15 % – 30 % sowohl in Bezug auf die Wertschöpfung als auch auf die Beschäftigung ist beträchtlich. Am stärksten betroffen sind die weniger entwickelten, relativ kleinen und damit spezialisierteren Länder aus Süd- und Osteuropa (Malta, Slowakei, Tschechische Republik, Polen und Estland). Aber auch unter den weiter entwickelten EU-Mitgliedern – allen voran Deutschland – könnten die Auswirkungen wirtschaftlich relevant sein. Im Falle Deutschlands sind die beiden Sektoren mit den zweit- und fünftintensivsten CO2-Emissionen, nämlich Metallerzeugung und -bearbeitung sowie chemische Erzeugnisse, für 2,8 % und 2 % der gesamten Wertschöpfung verantwortlich und beschäftigen 2,9 % und 1 % der deutschen Arbeitnehmer.“ – bto: Diese Betrachtung springt zu kurz. Man muss sich auch ansehen, wie die Produkte der deutschen Industrie von dem Thema betroffen werden. Wenn nun die Automobilindustrie unter Druck gerät, sind weitaus mehr Arbeitsplätze in Gefahr.

Quelle: Flossbach von Storch

  • „Kürzungen und die letztendliche Beseitigung der CO2-Emissionen werden erhebliche Auswirkungen auf die sektorale Wertschöpfung und Beschäftigung sowie auf die Gesamtwirtschaft haben. Ein erheblicher Teil des bisher eingesetzten Kapitals und der Arbeitskräfte wird entfallen. Es müssen neues Kapital aufgebaut und Arbeitskräfte neu ausgebildet und zugeteilt werden. Dies wird den Spielraum für den Konsum verringern. (…) Es werden mehr Sozialausgaben erforderlich sein. (…) Politiker scheuen sich, ihren Wählern die volle Wahrheit zu sagen. Um Klimaaktivisten zu beruhigen, setzen sie sich ehrgeizige Klimaziele und weisen die mit der Erreichung dieser Ziele verbundenen kurzfristigen Kosten ab. Damit riskieren sie eine politische Gegenreaktion, die ihre gesamte Klimapolitik zerstören könnte.“ – bto: Packen wir dazu noch die anderen Erblasten aus jahrzehntelanger Misswirtschaft wie zum Beispiel Renten, Pensionen, Gesundheit, Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung –, das ist brandgefährlich.