Vertane Chance: Transfer­union wird kommen – uns über­fordern und den Euro nicht retten

Es kommt wie erwartet. Zunächst wächst die Summe, danach übernimmt Deutschland überproportional und danach wächst die Summe nochmals. Dann wird aus dem Temporären etwas Dauerhaftes, wie immer bei staatlichen Programmen und dann sind wir in einer Transferunion. Einfach, aber absehbar.

Schauen wir uns die (Jubel-)-Meldungen des Tages zum Plan von Frau von der Leyen an. Zunächst SPIEGEL Online:

  • “Es ist der Tag der Zahlen für Ursula von der Leyen. Und es sind keine kleinen Zahlen, die die Chefin der EU-Kommission ins Europaparlament mitgebracht hat. Sage und schreibe 750 Milliarden Euro soll das Wiederaufbauprogramm umfassen, eine gewaltige Summe.” – bto: der erste plus 50-Prozent-Schritt. Weitere müssen folgen und werden folgen. Abgesehen davon bleibe ich dabei: “Wiederaufbau” ist Quatsch.
  • “Von der Leyens Rettungspaket ist noch größer als der Vorschlag von Emmanuel Macron und Angela Merkel, ihr Zahlenwerk ist noch ambitionierter als der Wiederaufbaufonds, den Frankreichs Präsident und die deutsche Kanzlerin vorgeschlagen haben. Klar, dass die Kommissionschefin erst mal mit dem ganz tiefen Griff in die EU-Geschichte startet: Von der Leyen erinnert an die Gründerjahre der EU, ‘wo es nichts gab außer Schmerz und Verwüstung. Sie streift das anschließende Wirtschaftswunder, die Osterweiterung. Immer wieder, so von der Leyen, habe sich gezeigt: ‘Die kühnsten Maßnahmen für Europa sind auch immer die sichersten.’” – bto: Kleiner Hinweis – seit 20 Jahren versucht die Truppe angeblich, Europa zu wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen?
  • Dazu passt der Name ihres neuen Programms: ‘Nächste Generation EU’, früher sprach sie bereits vom Mutterschiff des Wiederaufbaus. Die Financial Times’ spöttelt: Ursulas Star Trek-Moment.’” – bto: Die Briten haben gut lachen. Sie müssen ja nicht mehr für diesen planwirtschaftlichen Ansatz bezahlen …
  • 500 Milliarden der 750 Milliarden Euro sollen als Zuschüsse verteilt werden, 250 Milliarden als Kredite. ‘Diese Zuschüsse sind eine gemeinsame Investition in unsere Zukunft’, sagt von der Leyen, ‘sie haben mit den Schulden der Vergangenheit nichts zu tun’.” – bto: was objektiv nicht stimmt! Denn wenn die Staatsschulden nicht so hoch wären, müssten wir es nicht machen. Wir müssten es ohnehin nicht, weil die Staaten sich selbst helfen könnten. Aber das ist ein anderes Thema.
  • Die Projekte, die sie mit dem Geld anschieben will, klingen zudem wie aus den Wahlprogrammen der großen Fraktionen: Grüner Deal, Digitalisierung, Klima-Sanierung von Wohngebäuden.” – bto: Grün und Wohngebäude sind Konsum, Digitalisierung ist nett, wollen wir schon lange und da geht es nur um das Nachholen von Dingen, die fehlen. 
  • “Überdies schlägt sie neue eigene Einnahmen für die EU vor, also Steuern und Abgaben – eine langjährige Forderung des Parlaments. Unter anderem soll es – irgendwann – eine CO2-Grenzsteuer geben und eine Digitalsteuer.” – bto: Das ist ganz wichtig. Denn solche EU-Steuern bedeuten auch nichts anderes als eine Umverteilung!
  • Mindestens 82 Milliarden Euro an Zuschüssen und 91 Milliarden Euro an Krediten sollen aus von der Leyens Programm nach Italien gehen. Platz zwei belegt Spanien mit 77 Milliarden an Zuschüssen und 63 Milliarden Euro an Krediten.” – bto: Kredite, die niemals ordentlich getilgt werden. Also: Italien bekommt 173 Milliarden und Spanien 140 Milliarden geschenkt.
  • “Deutschland kann – im Vergleich – mit rund 29 Milliarden Euro an Zuschüssen rechnen, Kredite erhält es, wie andere wohlhabendere Länder, keine. Insgesamt ist das Wiederaufbauprogramm für Deutschland ein Verlustgeschäft, da es deutlich mehr beiträgt als herausbekommt, Solidarität eben. Nicht wenige in Brüssel fürchten, dass Deutschland, das seiner Wirtschaft mit hohen staatlichen Beihilfen helfen kann, am Ende der Krise im Verhältnis zu seinen Nachbarn noch mächtiger ist als zuvor.” – bto: Wir wissen, dass wir bei Weitem nicht so gut dastehen, wie wir denken und die anderen. Es gibt aber Ökonomen, die uns vorrechnen wollen, es sei dennoch ein Gewinn für 202 Milliarden Tilgung aufzukommen plus Zinsen und 29 zurückzubekommen. Aber das kennen wir: Es sind die typischen EU-Unterstützer, die nicht verstehen, dass man die EU – wie ich – unterstützen kann und trotzdem das Spiel um den Euro kritisch sehen.

Kommen wir zur politischen Reaktion:

  • “Von der Leyens Vorstoß wurde von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans gelobt. (…) ‘Was Europa jetzt braucht, ist ein Akt echter europäischer Solidarität, damit kein Land in dieser Krise zurückgelassen wird. Der Kommissionsvorschlag greift die deutsch-französische Initiative und damit unsere sozialdemokratischen Forderungen der letzten Monate auf. Der vorgeschlagene Umfang entspricht unserer Vorstellung eines starken solidarischen Signals.’” – bto: Die SPD ist weiter voll auf dem Kurs, hiesige Abgaben und Steuern zu erhöhen, um eine Subventionierung der Exportindustrie (die “Reichen”) und der Privathaushalte der anderen Länder (durchaus auch “reich”) zu finanzieren. Ich hoffe, ihre Wähler erkennen, was da passiert.
  • “Die Brüsseler Behörde habe einen ‘starken Vorschlag’ geliefert, urteilte die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus. “Ein echter Marshallplan, wie Frau von der Leyen es ursprünglich angekündigt hat, ist es aber nicht geworden.” Außerdem fehlten ‘klare ökologische Kriterien’ und eine Verknüpfung mit dem Klimaschutzvorhaben ‘Green Deal’.” – bto: Die Grünen also auch völlig unbeschwert bei der Verschiebung von Vermögen, aber zusätzlich muss eine unwirtschaftliche Verwendung der Mittel sichergestellt werden. Danke dafür.
  • “Auch Fabio De Masi, Fraktionsvize der Linken, sagte, das Programm dürfe ‘keinesfalls mit nachfragehemmenden Kürzungsauflagen einhergehen’. Europa brauche ‘ein massives Investitionsprogramm’, um die Coronakrise zu überwinden. Das vorgesehene Volumen von 750 Milliarden Euro könne zudem ›schnell unzureichend‹ werden. De Masi forderte daher eine Änderung des Mandats der Europäischen Zentralbank (EZB), um dieser ‘die Garantie der Staatsfinanzen zu ermöglichen.” – bto: Was soll man sagen? Natürlich sollte man nicht kürzen, nur dass wir die Transferprogramme in Italien und Spanien finanzieren kann es doch auch nicht sein. Dass es eher 2000 Milliarden werden, sage ich schon lange. Und auch die EZB soll eine Rolle spielen, aber bitte – wie von mit angemahnt – für alle Staaten, nicht nur für Italien & Co.

Von den Parteien hat sich – leider – nur die AfD gegen das Programm bekannt. Damit fällt es den Politikern leicht, jede Kritik an dem Programm als “nationalistisch” und “rechts” zu bezeichnen und damit jede Kritik im Keim zu ersticken. Ich würde mir wünschen, von der FDP und auch der Union deutlicher zu hören, dass dies der falsche Weg ist. Was zu tun wäre, habe ich mehrfach erklärt, wiederhole es an dieser Stelle deshalb nicht.

Lassen wir stattdessen den von mir sehr geschätzten Thomas Mayer zu Wort kommen:

  • “Unterm Strich heißt dies, dass die Steuerzahler in den Nordländern (darunter vor allem in Deutschland) Ausgaben in den Südländern finanzieren sollen. Vermutlich müssen darüber hinaus die osteuropäischen Länder noch bestochen werden, damit sie dem Vorschlag zustimmen.” – bto: Also bedeutet es noch höhere Lasten für uns.
  • “Die Bürger scheint das nicht zu stören. In den Zeiten der Pandemie finden sie großen Gefallen am staatlichen „Volksheim“ zur Nivellierung der Lebenschancen und Absicherung aller Lebensrisiken. (…) Den Reichen (Bürgern und europäischen Staaten) soll genommen, und den Armen (Bürgern und europäischen Staaten) soll gegeben werden, auf dass es allen gut gehe. Nach der Ernüchterung über den ‘real existierenden Sozialismus’ ist das europäische Volksheim nach altem schwedischem Muster die neue Utopie. Dumm nur, dass die Anhänger dieser Utopie vergessen haben, dass das schwedische ‘Folkhemmet’ ebenso gescheitert ist wie der sozialistische Staat. Beide brauchten jedoch Jahrzehnte, bis sie am Ende waren. Das eröffnet Politkern, die den heutigen Zeitgeist bedienen, attraktive Karrierechancen. Die Zeche werden nicht sie, sondern unsere Kinder und Enkel zahlen müssen.” – bto: Ich denke, diesmal dauert es auch keine Jahrzehnte, dazu sind die Probleme zu groß.

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Verteilungswirkungen. Also, was es uns kostet (noch berechnet auf 500 Milliarden, also jetzt immer 50 Prozent draufschlagen):

  • “Am meisten Geld in Relation zur Wirtschaftsleistung des Landes würde Griechenland bekommen: etwa 2,2 Prozent seines BIP, gefolgt von Italien mit 1,4 Prozent. Der Vorteil wäre also mit selbst für die größten Profiteure vergleichsweise gering.” – bto: Klartext: Es rettet niemanden.
  • “(…) die Belastung für Deutschland (beläuft sich) auf 38 Milliarden Euro – und damit knapp 1,1 Prozent seiner Wirtschaftsleistung des Boomjahres 2019. Noch größer wäre die relative Belastung indes für Österreich (1,1 Prozent), Dänemark (1,25 Prozent) und (…) Malta (1,42 Prozent des BIP).” – bto: Frankreich wäre natürlich Nettoempfänger.

Was gern vergessen wird: Wir werden das gar nicht leisten können, was erforderlich wäre, um über Transfers den Euro zu erhalten. Das zeigte der IWF schon vor Jahren:

Es ist das private Kapital, das Krisen abfedert. So viel kann der Staat nicht umverteilen, selbst dann nicht, wenn er sich wie der unsrige völlig aufgibt.

→ spiegel.de: “Kleiner Schritt in die richtige Richtung”, 27. Mai 2020

→ spiegel.de: “Von der Leyens Billionen-Ding”, 27. Mai 2020

→ wiwo.de: „Steuerzahler in den Nordländern sollen Ausgaben in den Südländern finanzieren“, 27. Mai 2020

→ wiwo.de: „Wer am meisten für das neue Milliardenpaket zahlen muss“, 25. Mai 2020