Ungleichheit fördern, um sie dann zu beklagen

Von überall ist es zu hören: Deutschland sei ein Land, in dem es besonders ungerecht zuginge. Dabei wissen wir, dass die Einkommen nach Umverteilung sehr gleich verteilt sind, die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger deutlich gesunken ist (vor allem, wenn man die Zahlen um die Zuwanderung ins Sozialsystem korrigiert) und dass die Vermögen nicht deshalb ungleich sind, weil die Reichen so viel reicher wären als in den anderen Ländern, sondern weil die Mitte zu wenig hat. Folge von Abgabenbelastung, geringer Immobilieneigentumsquote und falschem Sparverhalten.

Dennoch bleibt es Thema, denn so wollen Grüne, SPD und Linkspartei mit “Reichensteuern” und Vermögensabgaben punkten. Dabei müsste man die Ursachen angehen, so auch Wolfgang Bok in seinem Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ):

  • Der Sound passt zur Stimmungslage, die da stets aufs Neue intoniert wird: Das ‘reiche Deutschland’ leiste sich viel Armut. Um die Dramatik zu unterstreichen, wird neuerdings ein statistischer Trick angewandt: Nicht tatsächliche materielle Not ist das Kriterium, denn die ist laut Statistischem Bundesamt 2018 auf den Tiefststand von 3,1 Prozent gesunken. Auch ist die Zahl der Bezieher von Hartz IV, Grundsicherung oder Asylbewerberhilfe zurückgegangen. Also wird eine mögliche ‘Armutsgefährdung’ konstruiert. Betroffen ist bereits, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens leben muss.“ – bto: Das kennen wir bereits. Es ist nichts anderes als die Forderung nach geringer Spreizung, was etwas ganz anderes ist als „Armut“.
  • Wollte Ludwig Erhard noch ‘Wohlstand für alle’ schaffen, so geht es heute vor allem darum, die Unterschiede zwischen Arm und Reich einzuebnen. Grüne, SPD und Linkspartei, die im Herbst auf einen Machtwechsel in Berlin zusteuern, brauchen möglichst viel Ungleichheit, um ihre Forderungen nach ‘Reichensteuern’ und zusätzlichen Vermögensabgaben zu rechtfertigen. Gerne garniert mit einem Bürgergeld oder einer Garantiesicherung, die auch jenen zustehen soll, die nicht arbeiten wollen.“ – bto: Wir haben das Problem, als Land über zu wenig Vermögen zu verfügen. Was wir brauchen, ist ein Wohlstandsprogramm für Deutschland.
  • Die wahren Ursachen dafür, warum die untere Hälfte der Bevölkerung in relativem Nicht-Wohlstand verharrt, werden selten thematisiert. Denn zu Ende gedacht, würde man dann auch bei jenen als Schuldigen landen, die über die ‘ungerechten Verhältnisse’ am lautesten klagen. Sie betreiben in Wahrheit eine Umverteilung von unten nach oben.“ –bto: Diese Aussage stimmt vollumfänglich!
  • Am Beispiel der steigenden Mieten und hochschiessenden Immobilienpreise wird dies besonders deutlich: Obwohl in Deutschland nur 14,4 Prozent der 357 000 Quadratkilometer als Siedlungs- und Verkehrsfläche ausgewiesen sind, haben die Grünen dem ‘Flächenfrass’ den Kampf angesagt. Wo immer sie das Sagen haben, werden neue Baugebiete verhindert. Einfamilienhäuser sollen möglichst gar nicht mehr erlaubt sein. Diese politisch gewollte Verknappung treibt die Preise drastisch in die Höhe. Ein ausuferndes Baurecht und immer strengere Energieeinsparauflagen sorgen zusätzlich dafür, dass sich auch gutverdienende Mittelschichtsfamilien den Traum von den eigenen vier Wänden abschminken können.“ – bto: Das ist auch meine Argumentation, die ich vor einigen Wochen in einem Beitrag für die Wirtschaftswoche dargelegt habe – demnächst hier.  
  • Der Bonner Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick hat errechnet, dass die ärmsten 20 Prozent der deutschen Haushalte mittlerweile fast 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. 1993 seien es noch 23 Prozent gewesen. Dieser Personenkreis ist es auch, der unter den hohen Energiepreisen zu leiden hat: Den Strompreis können sich jährlich an die 350 000 Haushalte nicht mehr leisten, und die Stromzufuhr wird ihnen abgedreht. Zwei Millionen Menschen in Deutschland fehlt laut Statistischem Bundesamt das Geld, um die eigene Bleibe ausreichend zu heizen. Selbst der Bundesrechnungshof rügt diese einseitige Belastung in seinem neusten Bericht. Dennoch wollen Grüne und SPD die Preise für Strom, Gas, Benzin und Heizöl weiter nach oben treiben.“ – bto: Das kritisiere ich auch in “Ein Traum von einem Land“. Es ist eine sehr unsoziale Politik zugunsten jener, die sich subventioniert Solardächer und E-Mobile leisten können.
  • Während zu Hause das Geld fehlt, um insbesondere den abhängig Beschäftigten mehr Netto vom Brutto zu lassen, gibt man sich in Europa als Grosssponsor. Entgegen der eindeutigen Rechtslage erklärt der Finanzminister Olaf Scholz eine Schuldenunion zum politischen Ziel. Der Kanzlerkandidat der SPD, der einen Amtseid zum Wohle des deutschen Volkes geleistet hat, nimmt also die eigenen Steuerzahler in Haftung, um die deutlich wohlhabenderen Bürger in Italien, Spanien oder Frankreich vor unangenehmen Reformen zu bewahren.“ – bto: Ja, der Autor könnte glatt ein Leser meiner Seiten sein.
  • Mit einem Medianvermögen von netto gerade einmal 61 000 Euro sind die Deutschen sogar ärmer als die Griechen, denen sie mit vielen Milliarden helfen mussten. Der EU-Schnitt liegt bei 100 000 Euro. Zugleich hat das Land unter der Regierung Merkel nicht nur die Spitze der Steuer- und Abgabenbelastung unter den OECD-Ländern erklommen, sondern hier trägt die arbeitende Mittelschicht mit 27,17 Prozent auch am meisten zum Steueraufkommen bei.“ – bto: Das fand ich bei der Arbeit an meinem “Ein Traum von einem Land” auch sehr überraschend: Die Belastung ist wirklich in der Mitte am höchsten.
  • Völlig ausgeblendet wird in der deutschen Gerechtigkeitsdebatte das Thema Migration. Selbst in offiziellen Studien wie dem ‘Sozialreport 2021’ wird allenfalls am Rande zwischen heimischer und importierter Armut unterschieden. (…) Von den damals 5,52 Millionen Hartz-IV-Empfängern haben rund zwei Millionen keinen deutschen Pass. 980 000 werden der Personengruppe ‘Asylbewerber’ zugeordnet.“ – bto: Und die Zahl der deutschen Hartz-IV-Empfänger ist deutlich gesunken in den letzten Jahren.
  • Vor allem die Zuwanderung von bildungsfernen Schichten aus Afrika und Arabien sowie deren deutlich höhere Geburtenrate hätten dazu geführt, dass die Bevölkerung in Deutschland nicht geschrumpft, sondern auf die Rekordmarke von rund 83 Millionen gestiegen sei. (…) Derweil verliessen in den letzten zehn Jahren rund 500 000 Hochqualifizierte das Land, um einer Abgabenlast zu entgehen, die nach dem Willen von Grünen, SPD und Linkspartei für die sogenannten Besserverdiener noch weiter steigen soll.“ – bto: Ich kenne viele, die mit Blick auf die Bundestagswahl die Koffer packen und sei es erst mal nur für ihr Vermögen.

nzz.ch: „Die deutsche Gerechtigkeitsdebatte hat System“, 6. April 2021