“Turkey is the first big victim of Fed tightening, but it won’t be the last”

Immer wieder habe ich die Gefahr der Dollarverschuldung in den Schwellenländern thematisiert und mich über die Käufer der 100-jährigen Anleihe Argentiniens mokiert. Dass es nun in der Türkei losgeht, ist kein Zufall, ist es doch eine Kombination aus schuldenbasiertem Wachstum (falsch, wenn es unproduktiv ist) in Fremdwährung (immer hochgefährlich) und einer vorsichtig formuliert problematischen politischen Situation.

Viel ist dazu geschrieben worden. Wie immer ist Ambroise Evans-Pritchard derjenige, der es etwas in den breiteren Kontext setzt:

  • “The famous Lex Dornbusch of financial crises is that they take longer to hit than you think, but then unfold much faster than you ever thought possible.” – bto: Das würde ich auch dem Kommentator von Dienstag entgegenhalten, der bto als übertrieben pessimistisch sieht.
  • “Every hedge fund in Mayfair knew that Turkey was an accident waiting to happen. It was odds-on favourite to be the first of the big emerging market economies – along with Argentina – to face trouble as the US Federal Reserve raised interest rates and drained the pool of global dollar liquidity.” – bto: Aber eben nicht das Einzige und vor allem steigen die Zinsen schon länger und die Liquidität nimmt ab.
  • “The foreign currency debt of Turkish companies, banks, and the state had reached 55pc of GDP, roughly the danger threshold in the Asian crisis of 1998. The country had become dangerously reliant on short-term dollar loans to cover a current account deficit of 6.5pc of GDP. This left Turkey at the mercy of shifts in global confidence.” – bto: klar, kurzfristig finanziert. Habe ich in meiner Aufzählung noch vergessen.
  • “Dollar funding was irresistibly cheap in the halcyon days of zero rates, when the G4 economies were adding $2 trillion (£1.6 trillion) a year to the international system through quantitative easing. It was also a Faustian Pact.” – bto: Es zeigt nur, dass man Krisen, die aus zu vielen Schulden entstehen, nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen kann.
  • “The Institute of International Finance thinks events in Turkey are just the start of a long and painful hangover for those emerging markets that drank deepest from this cup, with South Africa, Indonesia and Colombia next in line as the spigot is gradually shut off.” – bto: Addieren wir dazu die Probleme, die von China ausgehen könnten, haben wir leicht eine Weltrezession und das Finanzsystem ist erneut nackt.

Hier passend dazu ein Chart der FT:

Quelle: FT

  • “(…) the world has become hypersensitive as it grapples with a debt-to-GDP ratio of 318pc of GDP, some 40 percentage points higher than on the eve of the Lehman crisis.” – bto: Und deshalb bleibe ich auch so “negativ”. Die Notenbanken sind bald mit ihrem Latein am Ende.
  • “There is now synchronised global tightening. The Fed in particular is unlikely to back off soon given that its underlying inflation gauge has hit a 13-year high of 3.33pc. The Bank for International Settlements says dollar debt in emerging markets has soared to $7.2 trillion, when both cross-border loans and functionally equivalent derivatives are included. This is an unprecedented figure and has never been tested in a cycle of rising Fed rates.” – bto: Und wird die Fed diesmal auf das Ausland Rücksicht nehmen? Ich denke, wir können uns nicht darauf verlassen.
  • “Investors fear that the Turkish state itself does not have enough dollars to cover even a tiny fraction of the country’s $240bn of external financing needs over next twelve months, should inflows dry up completely or turn into capital flight. (…) the Erdogan regime must take three drastic steps: a rate rise of up to 1,000 basis points, a budget squeeze enshrined in law with a Fiscal Rule, and the release of the US pastor Andrew Brunson held for alleged terrorism.” – bto: Letzteres zeichnet sich ja ab. Die Frage ist übrigens: Warum haben wir keine Sanktionen verhängt, als es um deutsche Staatsbürger ging? Ich kenn die Antwort natürlich, doch erinnert es etwas an die Münchner Konferenz, was wir da veranstalten.
  • “The lira slide risks turning into a self-feeding downward spiral with systemic implications for Turkish banks. Phoenix Kalen from Societe Generale says each 10pc fall in the currency erodes 50 basis points of bank capital buffers. Any sustained move beyond 7.0 to the dollar leaves lenders high and dry, leading to a credit crunch.” – bto: ein Margin Call, wo man das Geld nicht beschaffen kann.
  • “Standard & Poor’s said the true ratio of bad loans in the system has reached double digits. Firms in construction, real estate and energy have borrowed heavily in dollars but derive most of their revenues in lira. Few have currency hedges. Turkish banks are coming under mounting pressure to roll over loans in what amounts to stealth restructuring, drawing them into the morass.” – bto: Was China vielleicht kann, kann die Türkei noch lange nicht.
  • “In the end, (the crisis of 1998) was contained when the Greenspan Fed slashed rates. The same happened again in early 2016 during the Chinese currency crisis when the Yellen Fed quietly suspended its tightening campaign and halted a nasty global sell-off.” – bto: Die Notenbanken sind gefangen in der Politik billigen Geldes, es muss immer billiger werden.
  • “The Fed is unlikely to come to the rescue this time until there is blood on the floor. The Powell Fed is faced with inflationary late-cycle fiscal stimulus by the Trump administration, forcing it compensate with higher interest rates. This is pushing the dollar higher.” – bto: was die USA allerdings auch nicht wollen.
  • “There is another unsettling thought to contemplate. The emerging market nexus was not big enough to take down the global economy in 1998. Today it makes up over 50pc of world output, and 80pc of incremental growth.” – bto: Dann ist auch hier bei uns die Party zu Ende.

Zu Asien zeigt sich die FT hingegen optimistischer:

  • “In Asia in general, (…) economic fundamentals are stronger and central banks are very vigilant, a result of the profound and violent experience of the Asian financial crisis that erupted in 1997. Policymakers (…) willing to take difficult steps to keep inflation and exchange rates under control, even if that meant sacrificing growth by using high interest rates.” – bto: Ohnehin haben mehr asiatische Länder Überschüsse.
  • China remains vulnerable to the escalating trade war with the US, as shown in a 16 per cent drop in its stock markets this year, and other EM are vulnerable to a slowdown in China. But even this is a secondary consideration against a background of rising US rates and a stronger dollar.” – bto: Der Dollar bleibt auch hier das Problem, wobei ich schon denke, dass China aus sich heraus ein Problem darstellt.

telegraph.co.uk: “Turkey is the first big victim of Fed tightening, but it won’t be the last”, 14. August 2018

ft.com (Anmeldung erforderlich): “Investors fear Turkey is harbinger of crisis as easy money ends”, 13. August 2018

Kommentare (20) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Michael Stöcker

    >Lasst uns doch das Inflationsziel anheben – dann können wir in guten Zeiten auch wieder die Zinsen kräftiger erhöhen und haben in der Rezession Spielraum nach unten (4 bis 5 %).>

    Das ist die Geschichte für GLÄUBIGE wie Sie.

    Fakt ist:

    BEVOR die guten Zeiten kommen, sind wir in den jetzigen KRISENZEITEN.

    JETZT sind höher Zinsen die Gefahr, dass Schuldner die Kredite nicht mehr bedienen können und Dominoeffekte eine Finanzkrise auslösen.

    Das ist keine Erfindung von mir, gewichtige Marktteilnehmer und Institutionen wissen dies.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Das ist die Geschichte für GLÄUBIGE wie Sie.“

      Schon wieder FALSCH! Das ist die Geschichte von Larry Summers und Olivier Blanchard.

      „BEVOR die guten Zeiten kommen, sind wir in den jetzigen KRISENZEITEN.“

      So ist es, Herr Tischer. Der schwarzen Null sei‘s gedankt. Von daher empfehlen Blanchard und Summers ja auch den Tango; und zwar ganz genau so, wie es Samuelson für 1929 beschrieben hatte: https://youtu.be/EeeasEyTZqo

      Bevor Sie hier mit Ihren unhaltbaren Unterstellungen weiter für Verwirrung sorgen, einfach noch mal den Links folgen und hören und lesen was Blanchard und Summers so empfehlen.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Michael Stöcker

        Die VERWIRRUNG liegt bei Ihnen, wenn Sie nicht unterscheiden können zwischen VON wem eine Geschichte ist und FÜR wen sie ist.

        Davon abgesehen, brauchen Sie mir nicht immer mit Summers und Blanchard zu kommen und davon Unterstellung ableiten.

        Das ist nichts wert.

        Ich brauche keinen Links zu folgen, um zu WISSEN, dass es nicht falsch ist, dass Inflationsziel zu erhöhen, damit die Notenbanken wieder Spielraum nach unten haben, wenn das erforderlich sein sollte für die KONJUNKTURSTEUERUNG.

        Es geht um etwas anderes, nämlich darum, warum Zinserhöhungen der Notenbanken JETZT vermieden werden sollten – jetzt in den Krisenzeiten, die auch SIE sehen.

        Die Krisen in dieser oder jener Ausprägung, denen wir uns heute zu stellen haben, sind – bottom line – STRUKTURELLER Art.

        Sie sind damit dem Ausmaß nach SYSTEMGEFÄHRDEND und eben nicht Indikatoren für mehr oder weniger große Abweichungen vom Potenzialwachstum, also der SYSTMPERFORMANCE.

        Damit ist der Unterschied markiert, der REALITÄTSBEZOGEN für eine Anhebung der Zinsen durch die Notenbanken spricht.

        Summers, Blanchard und Sie können mir so lange wie sie wollen erzählen, welche Vorteile die Vermeidung von Zinserhöhrungen der Notenbanken AUCH noch hat in welcher anderen realen Situation.

        Meine Auffassung wird damit nicht widerlegt.

  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Alle wissen es:

    Wenn die Notenbanken an der Zinsschraube drehen, kracht es.

    Daher wird jetzt von den klugen Köpfen die Parole ausgegeben:

    Lasst uns doch das Inflationsziel anheben – dann brauchen die Zinsen nicht erhöht zu werden.

    Das ist so einfach und stimmig, dass es jeder kapiert.

    Aber es ist auch ein klares Zeichen, dass die Notenbanken längst nicht mehr SOUVERÄN handeln (können), sondern Gefangene einer Systemverschuldung sind, die an Grenzen stößt.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Lasst uns doch das Inflationsziel anheben – dann brauchen die Zinsen nicht erhöht zu werden.“

      VÖLLIG FALSCH! Sie haben noch nicht einmal im Ansatz verstanden, worum es Blanchard, Summers & Co. geht. Richtig hätte es heißen müssen:

      Lasst uns doch das Inflationsziel anheben – dann können wir in guten Zeiten auch wieder die Zinsen kräftiger erhöhen und haben in der Rezession Spielraum nach unten (4 bis 5 %).

      „Aber es ist auch ein klares Zeichen, dass die Notenbanken längst nicht mehr SOUVERÄN handeln (können), sondern Gefangene einer Systemverschuldung sind, die an Grenzen stößt.“

      Sie sind nicht nur Gefangene einer Systemverschuldung, sondern ebenfalls Gefangene am ZLB mit homöopathischen Wachstumsraten (secular stagnation), die auch noch durch die schwarze Null unnötig geschwächt werden. Grenzen lassen sich übrigens nur dann überwinden, wenn man den Mut dazu hat. Es handelt sich nämlich hierbei nicht um eine tatsächliche physikalische Grenze, sondern um eine ideologische Grenze in unseren Köpfen. Reales Wachstum gibt es nicht unendlich, nominelles sehr wohl. Einfach mal darüber nachdenken.

      Beim konservativen PIIE gibt es aktuelle Informationen zur Unabhängigkeit der Zentralbanken: https://piie.com/events/central-bank-independence-revisited (mit Larry Summers und Adam Posen).

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        Herr Stöcker: “Reales Wachstum gibt es nicht unendlich, nominelles sehr wohl. Einfach mal darüber nachdenken.”

        Nominalwachstum interessiert mich aber nicht. Ich will, dass mein Lebensstandard steigt, und nicht die Anzahl der Nullen auf den Geldscheinen, die ich üblicherweise benutze.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Ich will, dass mein Lebensstandard steigt, und nicht die Anzahl der Nullen auf den Geldscheinen, die ich üblicherweise benutze.“

        Das wollen wir wohl alle, und das ist auch kein Widerspruch. Aber wollen Sie wirklich jedes Jahr 5 % mehr, wenn Sie schon zwei Autos, drei Fahrräder und zwei bis drei Häuser besitzen und jeden Abend eine schöne Flasche Rotwein am Pool genießen? Für viele unserer adipösen Erdbewohner gilt sogar: Weniger ist mehr! Insofern spreche ich von reifen Volkswirtschaften und nicht von Schwellenländern. Und wenn Sie diesen Status noch nicht erreicht haben sollten, dann darf Ihre individuelle Wachstumsrate durchaus noch etwas zuungunsten der 10 % ansteigen.

        LG Michael Stöcker

  3. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Wenn wir schon die außenpolitische Situation der Türkei ansprechen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass die Türkei eigene Truppen im Nordwesten von Syrien stationiert hat: Erstens Einheiten der türkischen Armee, die den Streifen von Afrin bis Jarabulus zusammen mit Truppen der “moderaten Terroristen” von der islamistischen, sogenannten “Freien Syrischen Armee” besetzt hält – und zweitens insgesamt 12 kleine Militärstützpunkte an der Frontlinie zu syrischen Regierungstruppen rund um die Stadt Idlib in der gleichnamigen Provinz. In der Idlib-Provinz bekämpfen sich von der Türkei unterstützte Einheiten der “Freien Syrischen Armee” und Truppen von “Hayat Tahrir al Sham”, dem syrischen Ableger von Al-Kaida. Erdogan spekuliert offenbar darauf, dass er den Nordwesten Syriens im Rahmen einer Aufteilung von Syrien wieder annektieren kann, nachdem diese Provinzen früher einmal Teil des Osmanischen Reiches waren.

    Diese Militärpräsenz ist teuer und führt außerdem dazu, dass die Beziehungen der Türkei mit fast allen Nachbarstaaten und Großmächten schlecht bis zerrüttet sind: Die USA sind mit den Kurden verbündet, welche die Türkei für Terroristen hält und von denen sie Anfang 2018 die Provinz Afrin erobert haben, angeblich aus Gründen der “Terrorbekämpfung”. (Die Kurden werfen den Türken übirgens Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen in Afrin vor.) Russland ist die Schutzmacht der syrischen Regierung und diese beiden Parteien bereiten gerade einen Angriff auf die Provinz Idlib vor. China erwägt, sich an dem Angriff zu beteiligen, weil auch tausende uigurische Islamisten mit auf der Seite der Terroristen in Idlib kämpfen und die Chinesen verhindern wollen, dass die Uiguren-Kämpfer wieder nach China zurückkehren. Die türkischen Beziehungen zu Saudi-Arabien sind schlecht, weil die Türkei Katar unterstützt hat, nachdem sich Saudis und Kataris gegenseitig Terrorunterstützung vorgeworfen und sich gegenseitig mit Handelssanktionen und Kriegsdrohungen überzogen hatten.

    Wenn die Türken ihre osmanischen Großmachtträume nicht aufgeben wollen um als Gegenleistung einen Bailout zu bekommen, dann bleibt nur ein finanzkräftiger Staat übrig, der ein Rettungspaket für die Türkei schnüren könnte: Katar.

    Ich glaube nicht, dass Katars Finanzkraft reichen wird um einen Zusammenbruch der türkischen Wirtschaft zu verhindern.

    Antworten
  4. waltomax
    waltomax sagte:

    Ergänzung:

    Die Sitation ist tragisch, weil ausweglos. Nur Gründer mit völlig neuen Ideen könnten dem abhelfen. Wo sind die?

    Frage: Wann kommt der Börsencrash? Wenn die reale Wirtschaft die virtuelle ab absurdum führt. Das meint, Aktiengesellschaften machen realwirtschaftlich pleite und notieren virtuell mit Höchsständen an der Börse. Dann kommt die Panik. Ein großer Betrieb langt.

    Antworten
  5. waltomax
    waltomax sagte:

    1. Es gibt kein exponentielles Wachstum der nachhaltigen Art.
    2. Zinserhöhungen hängen der schuldengetriebenen Zombie-Wirtschaft die Geldinfusion ab. Folge: Massenpleite und Deflation. Zinssenkungen beflügeln die Inflation und senken die Kaufkraft. Ergebnis: Stagflation (auch wegen 3.)
    3. Im Kondratieff-Winter helfen nur Basisinovationen aus der Marktsättigung. Manipultionen der Zentralbanken nutzen nichts. Vermögen wirkt nur als Risikokapital. Die Politik kann nur Erfindungen fördern.
    4. Der Anlagenotstand wurde bisher in Zeiten wie diesen immer durch Krieg “gelöst”.

    Ende der Durchsage

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