“The devil is in the detail of Rome’s new budget”

Heute Morgen haben wir gesehen, dass es theoretisch möglich ist, dass Italien aus den Schulden herauswächst. Praktisch, denke ich, ist es zu spät. Die Euro-Zinssenkungsdividende wurde verschwendet und im Unterschied zu Belgien nicht genutzt. Wie groß der Effekt war, zeigt dieses Bild aus den FT:

Quelle: FT

Die Zeitung kommentiert die Überlegungen der italienischen Regierung wie folgt:

  • “The short answer is that the microeconomic aspects of the budget are worse than the macroeconomics. (…) Public debt is certainly high, but the budgetary cost of servicing it is the lowest in almost 40 years, as the chart below shows. What matters most for sustainability is the effect on growth.” – bto: Klartext: Wenn es zu mehr Wachstum führt, können wir auch mehr Schulden machen. Passt zu heute Morgen.
  • “The key to our judgment on the macroeconomic impact on the budget must be whether we think the Italian economy is at full employment or not. While many observers seem to think this is the case, that is hard to believe when unemployment, though falling, remains more than 4 percentage points above the pre-crisis low. If there remains unused potential, extra stimulus to demand should feed through to short-term growth. For an economy as stagnant as that of Italy, a short-term growth boost is not to be scoffed at.” – bto: Nur wenn es dann so schnell verpufft, haben wir ein Problem.
  • “For a deficit 1.8 percentage points bigger than previously planned, it foresees a boost to growth of 0.6 percentage points, or one-third of the deficit change. That is a very conservative take on the fiscal multiplier effect‘ of government deficit spending on aggregate demand, especially in a currency union where monetary policy will not move to offset a single country’s fiscal stimulus. If the multiplier is this size, let alone bigger, Rome’s insistence that it can contain public finances through growth-friendly budget policy deserves a hearing. If the commission finds that it goes against EU fiscal rules, that says as much about the rules as about the budget.” – bto: Die Erfahrung der letzten Jahre spricht eindeutig dagegen, dass es funktioniert. Es wird ein Strohfeuer ohne bleibende Wirkung.
  • “(…) the market reaction matters if the budget prompts investors to make financing costlier. This is a real risk, especially because the government’s commitments to deficit-cutting beyond next year are hard to trust. (…) But a higher bond spread could also directly affect private borrowing costs. If investors demand more to finance Italian banks — and they have been since the government took office — that cost will, at least in part, be passed on to the banks’ business and household clients.” – bto: und vor allem auf die Non-Zombies!
  • “But the deeper worries concern not how much Rome wants to spend, but on what. I have been more sympathetic to the government’s priorities than many others, but there is much not to like in this budget. (…) it looks like a ›Greatest Hits‹ album containing all the measures that have failed to spur growth in the past‘.” – bto: weil man eben die Wachstumsmisere, die strukturell ist, nicht durch Konjunkturprogramme lösen kann.
  • “In this case, the tax and spending changes in the government’s budget do not target what is likely to promote growth. It does not reduce the high tax wedge‘ between company labour costs and take-home pay that is one of the biggest hindrances to greater hiring. (…) None of this is catastrophic. But if the populists in Rome were going to pick a fight with Brussels over macroeconomics, they could at least have used it as an opportunity to get the microeconomics right in the process.” – bto: Das unterstreicht nochmals, was für ein Irrsinn die Währungsunion ist.

→ FT (Anmeldung erforderlich): “The devil is in the detail of Rome’s new budget”, 19. Oktober 2018

Kommentare (9) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ ikkyu

    Ich sehe die Dinge ähnlich.

    Die Lösung müssen jedoch nicht gleich „Bullshit jobs“ sein.

    Ich beobachte z. B., dass Teams von 3 bis 4 meist älteren Männern die Trassen der Straßenbahn von Unkraut und Laub säubern.

    Die Arbeit muss verrichtet werden, aber bei einem 4er-Team ist mindestens ein Mann zu viel beschäftigt, wenn zügig gearbeitet würde.

    Entfiele er, könnten die verbleibenden 3 mehr verdienen.

    Das geschieht nicht, weil wir Menschen selbst dann beschäftigen WOLLEN, wenn wir es der Wertschöpfung wegen nicht müssten.

    Bezüglich des verteilten Geldes ist es prinzipiell gleich, ob der 4. Mann Lohn erhält oder Sozialhilfe.

    So versteht es auch A. Turner – als „zero-sum-distribution“ –, wenn er sagt, wie von Ihnen verlinkt:

    >The crucial economic question, therefore, is not whether individual jobs are “bullshit,” but whether they increasingly perform a zero-sum distributive function, whereby the dedication of ever more skill, effort, and technology cannot increase human welfare, given the skill, effort, and technology applied on the other side of the competitive game.>

    Seine perspektivische Sicht hat es in sich:

    >In John Maynard Keynes’s words, we would have solved “the economic problem” of how to produce as many goods and services as we want , but would face the more difficult and essentially political questions of how to achieve meaning in a world where work is no longer needed, and how to govern fairly the inherent human tendency toward status competition>

    A. Turner ist einer der wenigen Ökonomen von Format, die weit über den Tellerrand schauen.

    Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Markus

    >„Hauptsächlich den, aber auch den derer, die arbeiten könnten, aber nicht wollen.“ Der Anteil dieser Menschen wird überschätzt. Die minimale Arbeitslosenquote kann als obere Grenze für die Quote der Menschen, die gar nicht arbeiten wollen, hergenommen werden. In Deutschland lag die bei 0.7%.>

    Ich bestreite, dass die minimale Arbeitslosenquote die obere Grenze darstellt.

    Es geht doch nicht nur um Menschen, die im System „Arbeit“ erfasst werden.

    Es gibt Menschen, die so wohlhabend sind, dass es unattraktiv für sie ist zu arbeiten.

    Die tauchen überhaupt nicht im Arbeitsmarkt auf.

    Zu Italien:

    >Viele Italiener kommen nach Deutschland zum Arbeiten nicht weil wir so viel besser bezahlen, sondern weil sie in Italien schlicht keine Arbeit finden.>

    Das ist richtig und betrifft nicht nur Italiener, sondern u. a. auch Spanier, Mittel- und Osteuropäer sowie Wirtschaftsmigranten aus Afrika.

    Wir könnten jetzt sagen:

    Gut, dann schicken die Italiener das oder einen Teil des bei uns durch Arbeit erzielten Einkommens nach Italien für den dortigen Konsum. Das erfolgt auch.

    Das Problem:

    Trotz dieses positiven Konsumeffekts in Italien „verrottet“ Italien, weil dort nicht investiert wird.

    Würde das durch Mehrverschuldung des italienischen Staats verfügbare Geld für Investitionen in Italien ausgegeben werden, kann es nicht mehr für Konsum verteilt werden. Auch der Staat kann das Geld nur einmal ausgeben.

    „Nicht mehr für Konsum verteilt werden“ ist demnach das, was ich im Kontext der Mehrverschuldung des italienischen Staats als KONSUMVERZICHT derer ansehe, die das Geld nicht bekommen könnten, WENN es investiert würde.

    Sie bekommen es und müssen insoweit keinen Konsumverzicht leisten, weil faktisch nicht investiert wird.

    Die Italiener wollen das.

    Denn sie haben so gewählt.

    Antworten
  3. ikkyu
    ikkyu sagte:

    Welche wertschöpfende Industriezweige sind es denn, in die Italien investieren könnte, um in Zukunft massenweise Menschen in Arbeit zu bringen?

    Der einfache Arbeiter wird doch zunehmend durch Automatisierung ersetzt.

    Oder ist die Schaffung von “Bullshit jobs” die Lösung?

    “David Graeber of the London School of Economics argues that as much as 30% of all work is performed in “bullshit jobs,” which are unnecessary to produce truly valuable goods and services but arise from competition for income and status.”

    Die Probleme Italiens werden früher oder später auch bei uns auf der Agenda stehen, da es sich um Begleiterscheinungen des technischen Fortschritts handelt.

    “Whether or not robots will ever achieve human-level intelligence, it is illuminating to consider what an economy would look like if we could automate almost all the work required to produce the goods and services human welfare requires. There are two possibilities: one is a dramatic increase in leisure; the other is that ever more work would be devoted to zero-sum competition. Given what we know about human nature, the second development seems likely to play a significant role.”

    Zitate aus:
    https://www.project-syndicate.org/commentary/zero-sum-economy-fuels-high-inequality-by-adair-turner-2018-08

    Antworten
  4. Quintus
    Quintus sagte:

    Soeben hat die EU-Kommission den Haushalt für 2019 durch die italienische Regierung abgelehnt! Das ist übrigens das erste Mal, dass die EU-Kommission einen Haushalt eines Landes zurück weist!

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      @Quintus: Da sage ich: Ja und? Das macht M5S und Lega eher noch populärer, nach dem Motto: Die kämpfen für unser Volk gegen die böse EU! Das ist erst der Einstieg in die Auseinandersetzung. Und Gott sei Dank kommt diese endlich, denn jetzt wird mal richtig ausgefochten, ob das Haushaltsrecht des nationalen Parlaments als Kernelement staatlicher Souveränität in der EU noch gilt oder nicht. Egal, wie es ausgeht: die EU wird der Verlierer sein. Entweder sofort, weil sich die Italiener vor aller Augen durchsetzen, oder im Nachgang, weil die Widerstandskräfte in den Nationalstaaten dadurch bei den nächsten Wahlen immens gestärkt werden. Ich kann die Opferrolle von M5S in RAI oder Corriere della Sera schon riechen…

      Antworten
  5. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >„For a deficit 1.8 percentage points bigger than previously planned, it foresees a boost to growth of 0.6 percentage points, or one-third of the deficit change. If the multiplier is this size, let alone bigger, Rome’s insistence that it can contain public finances through growth-friendly budget policy deserves a hearing.>

    Würde ich auch sagen.

    > bto: Die Erfahrung der letzten Jahre spricht eindeutig dagegen, dass es funktioniert.>

    Die Erfahrung der letzten Jahre ist kein Maßstab, weil das Budget ANDERS konzipiert sein soll als in den letzten Jahren – eben auf MEHR Wachstum hin.

    >„But the deeper worries concern not how much Rome wants to spend, but on what …
    In this case, the tax and spending changes in the government’s budget do not target what is likely to promote growth.>

    So scheint es offensichtlich zu sein bei realistischer Einschätzung.

    Man muss sich darüber auch nicht groß aufregen, weil völlig klar ist, für was die beiden Regierungsparteien gewählt wurden:

    Konsum bzw. Gewinn (Steuererleichterung für Unternehmen) und nicht für Investitionen, die Konsumverzicht bedeuten.

    Viel mehr muss man nicht wissen.

    Vor allem ist die folgende Empfehlung der FT völlig überflüssig:

    “But if the populists in Rome were going to pick a fight with Brussels over macroeconomics, they could at least have used it as an opportunity to get the microeconomics right in the process.“

    Die Mikroökonomie, hier die Budgetgestaltung “richtig” hinzukriegen, war ein Ringen zwischen den beiden Parteien.

    Wenn das erledigt ist, kann es mit Brüssel keinen Prozess geben, in dem das verhandelt wird.

    Es sind immer die Regierungen der Nationalstaaten, die über die Gestaltung des Budgets entscheiden.

    Brüssel kann letztlich nur auf die Höhe des Budgets einwirken.

    Das ist nur dann nicht so, wenn ein Staat unter den Rettungsschirm muss.

    Für Italien kann man das ausschließen – zu groß das Land, zu groß die Demütigung.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Konsum bzw. Gewinn (Steuererleichterung für Unternehmen) und nicht für Investitionen, die Konsumverzicht bedeuten.

      Viel mehr muss man nicht wissen.“

      Sie meinen sicherlich den Freizeitkonsumverzicht der unzähligen arbeitslosen Menschen, die ohne Zukunftsperspektive sind.

      Die Konsumverzichtsthese greift doch erst bei Vollbeschäftigung, Herr Tischer. Oder meinen Sie den Freizeitkonsumverzicht der unzähligen arbeitslosen Menschen, die ohne Zukunftsperspektive sind?

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Michael Stöcker

        >Sie meinen sicherlich den Freizeitkonsumverzicht der unzähligen arbeitslosen Menschen, die ohne Zukunftsperspektive sind.>

        Hauptsächlich den, aber auch den derer, die arbeiten könnten, aber nicht wollen.

        Die Regierung nimmt Schulden auf und verteilt die dadurch verfügbaren Mittel an diese Menschen – für Konsum.

        Denn diese Menschen investieren nicht und werden durch den Konsum kaum Investitionen auslösen.

        Die Alternative wäre, diese Mittel für Investitionen einzusetzen, die zu mehr Beschäftigung und zu mehr Einkommen aus Arbeit führen würden bei der Unterbeschäftigung in Italien.

        Natürlich würde mit dem steigenden Einkommen durch mehr Beschäftigung auch der Konsum steigen.

        Dafür sind die Regierungsparteien aber nicht gewählt worden und an die Macht gekommen.

        Sie wurden dafür gewählt, dass SOFORT mehr aufs Konto kommt OHNE den „Umweg“ über mehr Beschäftigung.

        Deshalb wird es letztere Alternative nicht geben, jedenfalls nicht in nennenswerter Weise.

      • Markus
        Markus sagte:

        Da bin ich voll bei Ihnen Herr Stöcker.

        Wir sind in vielen Wirtschaftszweigen in einer Überproduktionskrise. So verfolgen meiner Meinung nach heutzutage viele Unternehmen gezwungenermaßen eine Red-Ocean-Strategie auch wenn sie eigentlich mit der blauen Variante liebäugeln. So ging es z.B. beim Dieselskandal primär darum, Kosten zu senken (kleiner Adblue-Tank), nicht durch Innovationen auf zu trumpfen. Außerdem gilt: Genauso wie im Makroskopischen zu große Ungleichgewichte abträglich sind für die wirtschaftliche Entwicklung, genauso sind zu große Ungleichgewichte der Wirtschaftssubjekte innerhalb der Staaten der wirtschaftlichen Entwicklung abträglich. Wenn wir immer produktiver werden, dann ist das zwar prinzipiell gut. Wenn dann aber die, die produktiv in Arbeit sind NICHT weniger arbeiten und ZUGLEICH immer mehr Menschen finanziell marginalisiert werden (zum Teil, weil sie nicht Arbeit finden, zum anderen Teil, weil die Arbeit nicht genug entlohnt wird im Verhältnis zu schon bestehenden Vermögen), dann bringt auch eine eigentlich sinnvolle Investition, die die Produktivität erhöht nichts (oder bzw. nur den weniger werdenden Menschen, die in Lohn und Brot sind, bzw. den Eigentümern).

        Die Konsumverzichtsthese würde bei Vollbeschäftigung greifen. Sonst aber nicht. Wäre Vollbeschäftigung, würden sich die Löhne anders entwickeln. Selbst in Deutschland. Und erst recht in Italien. Viele Italiener kommen nach Deutschland zum Arbeiten nicht weil wir so viel besser bezahlen, sondern weil sie in Italien schlicht keine Arbeit finden.

        @DT:
        “Hauptsächlich den, aber auch den derer, die arbeiten könnten, aber nicht wollen.” Der Anteil dieser Menschen wird überschätzt. Die minimale Arbeitslosenquote kann als obere Grenze für die Quote der Menschen, die gar nicht arbeiten wollen, hergenommen werden. In Deutschland lag die bei 0.7%.

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