The curse of weak global demand ‒ Radical cures needed

Martin Wolf blickt auf die Krisenursachen der Welt. Aus seiner Sicht gibt es drei Interpretationen bezüglich der Ursachen für die langsame Erholung aus der Krise:

  • These 1: Die Wirtschaften leiden unter den Folgen hoher Verschuldung und befinden sich in einer “Bilanzrezession”. Die Bemühungen von Unternehmen, privaten Haushalten und/oder Regierungen, die Schulden abzubauen, führen zu einer Periode tiefer Nachfrage. Die Lösung: Banken rekapitalisieren, Zinsen senken und staatliche Ausgabenprogramme.
  • These 2: Das Wachstum ist nur auf ein Normalniveau zurückgefallen. In den Jahren davor war das Wachstum künstlich durch hohe neue Verschuldung “gedopt”. Eine Rückkehr zum Wirtschaften auf Pump ist wegen der gegebenen globalen Ungleichgewichte und geringen Investitionen nicht möglich.
  • These 3: Das Wachstum sinkt wegen schlechter Demografie, abnehmenden Produktivitätszuwächsen und unzureichenden Investitionen. Dies hat wiederum weniger Konsum, weniger Investition und damit schwaches Wachstum zur Folge. Bekämpfen die Notenbanken dies mit billigem Geld, blasen sie nur weitere Blasen auf.

Für Wolf ist es eine Kombination von allen diesen Punkten. Die USA mögen etwas besser damit fertig werden, weil sie eine bessere Demografie aufweisen und die Wirtschaft flexibler ist. China, für das er zu Recht eine ähnliche Situation diagnostiziert, hat noch mehr Nachholpotenzial. Japan und die Eurozone hingegen kommen mit den bis jetzt angewandten Instrumenten nicht aus der Krise heraus. Sie brauchen noch drastischere und unkonventionellere Maßnahmen. bto: Für mich kann das nur sein: Schuldenschnitt/Aufkauf und Annullierung von Staatsschulden durch die Notenbanken/10.000 Euro für jeden oder Vollgeld.

FT (Anmeldung erforderlich): The curse of weak global demand, 18. November 2014

In seiner Fortsetzung legt Wolf dar, was er vorschlägt:

  • Angesichst der nicht mehr tragbaren Schuldenlast ist ein Deleveraging unausweichbar. Dieser Anpassungsprozess des Privatsektors muss durch Fiskal- und Geldpolitik aufgefangen werden.
  • Zusätzlich zu diesem Prozess der Schuldentilgung ist eine Restrukturierung der Schulden erforderlich. In den USA hat das zum Teil stattgefunden. In Europa ist es schwieriger. Es setzt voraus, dass die Kreditgeber anerkennen, dass eine solche Restrukturierung (verbunden mit Forderungsverzicht!) erforderlich ist. Hieran hakt es immer noch.
  • Zudem müssen die globalen Ungleichgewichte bereinigt werden: zu hohe Ersparnisse in den Schwellenländern, ungleiche Vermögensverteilung, unzureichende Investitionen, technologischer Wandel, Globalisierung und der immer weiter anwachsende Finanzsektor. Es wird nicht möglich sein, diese Probleme wie in der Vergangenheit mit Verschuldung zu übertünchen.
  • Aggressive Geldpolitik hilft, indem sie die Zinsen in den negativen Bereich drückt. Sie kann noch aktiver werden, wenn sie den Vorschlägen von Adair Turner folgt und aufgekaufte Schulden einfach annulliert. In die gleiche Richtung gehen Überlegungen zum Vollgeld.
  • Auch Umverteilung von Geld von Sparern zu Konsumenten kann helfen ‒ faktisch also die Umsetzung der Ideen von Thomas Piketty.
  • Zusätzlich Maßnahmen zur Steigerung des Wachstums: Innovationen, Investitionen und Anreize zur Arbeit.

Fazit von Wolf: Wir brauchen radikale Maßnahmen, sonst kommen wir aus der Misere nicht heraus.
FT (Anmeldung erforderlich): Radical cures for unusual economic ills, 25. November 2014

Kommentare (5) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Uwe
    Uwe sagte:

    Wem, die Vorstellung, von unseren Medien vorgeführt zu werden, mißfällt der lese
    diesen Artikel:
    http://www.heise.de/tp/artikel/43/43409/1.html

    Sarah Wagenknechts Vorwurf und die Antwort der Kanzlerin in der heutigen Debatte
    definieren die Linien.

    Wer jetzt beginnt, am ewigen Frieden zu zweifeln, sollte überlegen, sein Vermögen
    mit der Anlage in physischem Silber, n i c h t Gold, zu versichern.

    Antworten
    • Hartmut G.
      Hartmut G. sagte:

      Versicherung bedeutet ja, dass wenn übriges (Vermögen) im Wert (=Begehrtheit) sinkt, dass dann diese Versicherung im Wert steigt. Das ist die ganze Idee einer Absicherung.
      Das kann ich aber bei Silber (einem Rohstoff mit leichter monetärer Korrelation zu Gold) wirklich nicht erkennen. Wenn FIAT, Aktien, Immobilien, diverse Rohstoffe… in Begehrtheit zurückgehen, wieso sollte ausgerechnet Silber im Gegenzug steigen? Ist es in der Menschheitsgeschichte noch nie (selbst als es vor 1871 noch monetär war, verglichen mit Gold), warum sollte es das jetzt?
      Ich mag physisches Silber, aber ich mache mir da keine Illusionen, dass es besser performen wird, als mein Stapel Kaffee, Dosenbrot oder Shampoo ;)
      mfG

      Antworten
  2. Uwe
    Uwe sagte:

    Den großen Streit haben wir seit 2008. Merkel´s Keule nutzt sich hierbei
    sichtbar ab. Die falsche Politik, der Schrecken ohne Ende, wird einfach
    fortgesetzt, wie Junker´s Vorhaben, mittels der EIB weitere Sodabrücken
    zu bauen, zeigt.
    Gleichzeitig wetzt die EU die Messer im westlichen Krieg gegen Rußland.
    Die journalistische Vorbereitung dürfte Niemandem verborgen bleiben.

    Diesen dann verloren, hat man endlich die Basis, etwas Neues aufzubauen: Auferstanden aus Ruinen!

    Antworten
  3. Gregor_H
    Gregor_H sagte:

    Apropos “Überlegungen zum Vollgeld”: Nun ist auch die SZ auf das Thema gestoßen.
    Titel des heutigen Hauptartikels auf dem Wirtschaftsteil: “Brauchen wir ein neues Geld?”.
    Das Thema scheint im Mainstream anzukommen …

    Antworten
  4. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Vor dem Schuldenanstieg stand freilich das Kreditdoping, für das vor allem die Großbanken in der Euro-Zone verantwortlich waren – u.a. durch irrsinnige Geldschöpfungsorgien im Immobilienbereich (Spanien, Irland, z.T. auch Frankreich)! Auch dem Staat waren die Banken durch den Ankauf von riesigen Mengen von mit null Eigenkapital zu unterlegenden Staatsanleihen natürlich gern behilflich – man kennt sich ja und kommt sich gern auch mal gegenseitig zu Hilfe! – Ansonsten ist das oben eine sehr zutreffende Analyse. Nur gibt es eben hundert verschiedene Wege aus dieser Krise – einige mehr angebotsorientiert, andere mehr nachfrageorientiert. Für Europa und die Euro-Zone braucht man definitiv auch ein neues makroökonomisches und institutionelles Design, bei dem dann aber zu klären wäre, wer welchen Anteil an der Schuldenrestrukturierung bezahlt! Darüber dürfte es den größten Streit geben. Und noch sitzt Frau Merkel hier am längeren Hebel. Aber Herr Juncker ist schon dabei, ihr den zu entwinden. Unter Mithilfe von Renzi, Samaras und Hollande.

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