TARGET2-Polemik ohne Aufklärungswert

„Sehr geehrter Dr. Stelter,

Jens Berger von den “Nachdenkseiten” hat sich an das Thema “Target2” herangewagt und einen äußerst abstrusen Artikel dazu geschrieben. Zuerst verortet er alle Ökonomen, die die (für Deutschland) hohe Target2-Summe von fast einer Billion Euro kritisieren, in die rechte Ecke. Außerdem seien diese irgendwie Scharlatane. Dann geht er dazu über, das Target2-System so zu erklären, als würde man einfach so die Forderungen und die Schulden so hin und her buchen, bis sie sich irgendwann in Luft aufgelöst haben …
Mich hatten schon einige angeschrieben, die in diesem Portal sachliche Kritik geübt haben und deren Texte sofort gelöscht wurden. Was an Kommentaren übrig geblieben ist, spricht für sich.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesen Herrn einmal zur Brust nehmen.“

  • Tja, ich kannte die Seite bisher nicht und war vor allem wegen des Titels sehr neugierig. Kann ich doch für mich nur festhalten, dass ich beim Thema Target2 ob der verschiedenen Argumentationslinien auch immer ins Schwanken gerate und wenn man mir eine allumfassende Erklärung bietet, freut mich das natürlich. Also schauen wir es uns mal an:
    „Die Target-Salden des EZB-Systems sind zweifelsohne ein echtes Mysterium. Es gibt wohl keinen Bilanzposten, über den so viel diskutiert und gleichzeitig so wenig wirklich gewusst wird. Nun wird gar schon von einer Billionen-Bombe gesprochen und Talkshowökonomen wie Hans-Olaf Henkel und Thomas Mayer fabulieren schon von einem Nachfolger namens Target 3, ohne je verstanden zu haben, was Target 2 eigentlich ist.“ – bto: Es ist in der Tat ein schweres Thema, weil die Wertigkeit der Position umstritten ist. Thomas Mayer als ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank ist kein Talkshowökonom, Hans-Olaf Henkel ist sicherlich kein Volkswirt, sondern in diesem Kontext ein Politiker. Maßgeblich dürfte ohnehin nur Hans-Werner Sinn sein.
  • „Dabei muss man noch nicht einmal Geldtheoretiker oder Experte für Bankwirtschaft sein, um sich zumindest einen Überblick zu verschaffen, was man unter Target 2 zu verstehen hat. Es lohnt sich, denn wenn man erst einmal verstanden hat, um was es geht, merkt man, wie unsinnig die Talkshowökonomen argumentieren und dass die Debatte vor allem nationalistisch geprägt ist.“ – bto: Das ist natürlich eine problematische Argumentation. Man kann doch aus einer ökonomischen Diskussion, die über einen erheblichen Vermögenswert streitet – so die Sichtweise der einen Seite – nicht schließen, dass diese „nationalistisch“ ist.
  • „Bis 2012 wussten nur Experten für Zentralbankbilanzen, dass es so etwas wie Target-Salden“ überhaupt gibt. Dann schrieb der Talkshow-Ökonom Hans-Werner Sinn ein reißerisches Buch über die Target-Falle, die Gefahren für unser Geld und unsere Kinder und plötzlich geisterten die Target-2-Salden durch die Wirtschaftsteile der Zeitungen, die ohnehin nicht im Verdacht stehen, sonderlich kompetent in finanzwirtschaftlichen Fragen zu sein.“ – bto: Hier stimme ich beim letzten Satz ausdrücklich zu und gehe dann natürlich davon aus, dass der Autor im Unterschied zu den Zeitungen kompetenter ist.
  • „Die Target-Debatte ist eine rein deutsche Debatte. In keinem anderen Euroland sind die Target-Salden ein Thema. (…) Die Salden werden dabei stets als eine Art Kredit interpretiert, für den wir haften müssen.“ – bto: Bekanntlich sind große, unbesicherte und zinslose Forderungen, so es sich hierbei darum handelt, immer nur für den Kreditgeber ein Problem. Aus der Tatsache, dass es in den anderen Ländern kein Thema ist, zu schließen, dass es kein Thema sei, ist ziemlich weit gesprungen.
  • „Doch diese Interpretation ist wirklich komplett absurd. Es fällt einem wirklich schwer, derartige Artikel überhaupt ernst zu nehmen und man weiß gar nicht, wo man denn jetzt mit seiner Kritik anfangen soll – denn streng genommen sind diese Artikel von vorne bis hinten ausgemachter Blödsinn.“ – bto: Und jetzt kommt die Aufklärung für all jene, die zu dumm oder zu nationalistisch sind. Da freue ich mich drauf.
  • „Um die jeweiligen Zentralbankbilanzen sauber zu bilanzieren, gibt es im EZB-System ein sogenanntes Rechnungsabgrenzungssystem mit dem Namen Target 2. In unserem Beispiel bucht die Banca d´Italia nun eine Target-2-Forderung in Höhe von 100 Euro gegenüber dem Target-2-System. Die Bundesbank bucht spiegelbildlich eine gleichhohe Target-2-Verbindlichkeit und nun sind bei allen Beteiligten die Salden wieder ausgeglichen, die Forderungen entsprechen exakt den Verbindlichkeiten. In internen Bilanzen des EZB-Systems führt daher jede Zentralbank einen Rechnungsabgrenzungsposten Target 2 – dieser kann auf der Seite der Forderungen oder auf der Seite der Verbindlichkeiten stehen.“ – bto: Und er widerspiegelt privatwirtschaftliche Zahlungsströme zwischen den Mitgliedsländern des Euro. Er widerspiegelt auch unterschiedlich schnelle Geld- = Kreditschöpfung in den einzelnen Ländern, die wiederum zu entsprechender realwirtschaftlicher Nachfrage führen. Gehen wir davon aus, dass es letztlich diese Güter sind, die einen Wert darstellen, haben wir durchaus eine Verschiebung über Landesgrenzen hinweg, was zwischen Ländern durchaus eine Rolle spielt, ohne nationalistisch zu sein.
  • „Wenn Björn Massimo Geld überweist, ist dies keine Kreditvergabe. Für die Geschäftsbanken macht es überhaupt keinen Unterschied, ob die Überweisung nun an eine deutsche oder italienische Bank geht. Und die Banca d´Italia hat der Bundesbank in diesem Beispiel selbstverständlich auch keinen öffentlichen Überziehungskredit gegeben, wie es Hans-Werner Sinn so gerne formuliert, und mit einem Risikotransfer, den Thomas Mayer zu erkennen glaubt, hat dies auch überhaupt nichts zu tun. Eine Geschäftsbank lässt eine Überweisung selbstverständlich nur dann zu, wenn das Konto gedeckt ist – ob die Überweisung national oder international ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Und wenn dauerhaft mehr Überweisungen von einem Euroland ins andere stattfinden und die Salden sich dauerhaft auseinanderbewegen, werden keine Risiken, sondern Guthaben transferiert.“ – bto: hm. Die Frage ist doch, woher kommen die 100 Euro auf dem Konto, die überwiesen werden. Diese sind definitiv die Folge eines Verschuldungsaktes, denn nur so entsteht neues Giralgeld. Nun kann es sein, dass dieser Verschuldungsakt eine Weile zurückliegt. Es kann aber auch sein, dass dieses Geld gerade erst geschaffen wurde, entweder direkt als Kreditvergabe für dieses Konto oder indirekt für jemand anderen, der dann Lohn oder etwas anderes damit gezahlt wird. Damit ist es eine Verschiebung einer bestehenden Forderung, nicht das Schaffen einer neuen Forderung. Beides ist aber relevant, vor allem, wenn es Zweifel an der dahinter liegenden Qualität der Beleihungsgrundlage gibt. Das muss man, wenn man das Thema so aufklärerisch präsentiert, auch diskutieren. Oder …
  • „Vielleicht geht es gar nicht um die Sache, sondern man sucht nur einen möglichst abstrakten Weg, um nationalistisch gegen andere Euroländer zu poltern. Nicht umsonst gehören fast alle Target-Kritiker zu den Eurogegnern, deren politisches Sprachrohr die AfD ist.“ – bto: Das ist eine Frechheit und eine zudem sehr bequeme Möglichkeit sich unwillkommener Kritik zu entledigen.
  • „Vielleicht liegt aber wirklich ein Denkfehler vor. Der wird dann wohl vor allem daher kommen, dass viele Ökonomen, die sich nie ernsthaft mit dem doch sehr eigenen Rechnungswesen der Zentralbanken beschäftigt haben, Zentralbanken nicht nur mit Geschäftsbanken, sondern sogar mit normalen Unternehmen gleichsetzen. (…) Doch die Zentralbanken des EZB-Systems sind feste Teile des EZB-Systems und können als Zentralbanken auch nicht pleite gehen.“ – bto: ja, weil sie beliebig viel Geld herstellen können. Doch was heißt dies übersetzt? Nichts anderes, als dass man wertlose Forderungen mit wertlosen Forderungen begleicht. Aus Sicht der Struktur des Auslandsvermögens Deutschlands ist es dennoch ein Verlust. Besser wäre, die Bundesbank kaufte damit in den Krisenländern oder wir tun es beispielsweise über einen Staatsfonds
  • „Was passiert, wenn ein Land den Euro verlässt? Dann würde eine von 19 Zentralbanken aus dem EZB-System ausscheiden und die Target-2-Salden würden sich neu berechnen. Die Vorstellung, nach der übrigens die Zentralbanken oder gar die Regierungen der Euroländer irgendwelche daraus resultierenden Defizite durch reale Gelder ausgleichen müssten, ist komplett abwegig. Daher ist die Horrorvorstellung, wir würden mit einer Billion Euro für was auch immer haften, auch aus fachlicher Sicht absurd.“ – bto: Nein, es bleibt der Umstand, dass wir realwirtschaftliche Güter gegen eine Kontoposition getauscht haben, die zwar nicht wertlos werden kann, weil sie keinen Wert hat und deshalb irrelevant ist.
  •  „Warum hat die Bundesbank denn nun fast eine Billion Euro Target-2-Forderungen an das Target-System der EZB? Zum einen ist dafür die Realwirtschaft verantwortlich. Deutschland ist Exportüberschussweltmeister und liefert wesentlich mehr Güter in die anderen Euroländer, als es von dort importiert. So was wollen deutsche Ökonomen und Finanzjournalisten, die jegliche Kritik am Exportüberschussmodell ablehnen, natürlich nicht hören.“ – bto: Auch das ist eine haltlose Behauptung. Denke ich an bto, so ist Kritik an dem Handelsüberschuss Tradition.
  • „Zum anderen geht es hier jedoch auch um Kapitalflucht. (…) Paradoxerweise lassen also gerade die Euro-Rausschmiss-Fantasien der deutschen Talkshowökonomen die Target-Salden der Bundesbank indirekt mit ansteigen. Sinn und Co. regen sich also über Entwicklungen auf, die sie zum Teil selbst zu verantworten haben.“ – bto: wow. Klar, ich denke auch, dass die in Italien Hans-Werner Sinn brauchen, um auf die Idee zu kommen, ihr Geld in Sicherheit zu bringen.
  • „Die Debatte ist auch deshalb eine rein deutsche Debatte, weil in Deutschland die unseriösesten Ökonomen von ebenso unseriösen Finanzjournalisten auf ein Podest gehoben werden. Es ist kaum vorstellbar, dass beispielsweise die Financial Times einem Hans-Werner Sinn Raum für dessen esoterische Ergüsse geben würde.“ – bto: Tja, wenn Herr Berger die FT lesen würde, wüsste er, dass dies nicht stimmt. Herr Sinn hat dort mehrfach publiziert.
  • “Olaf Storbeck, einer der wenigen guten Finanzjournalisten, fasste dies im Kontext der Target-Debatte schon vor Jahren mit dem griffigen Satz zusammen: Ein VWL-Student, der so [wie Hans-Werner Sinn] argumentiert, würde durchs Examen fallen. Und Storbeck hat damit vollkommen Recht. Auf internationaler Ebene findet sich daher auch kein namhafter Ökonom, der die deutschen Medien-Thesen zu den Target-Salden teilen würde und generell gibt es keinen einzigen mir bekannten Zentralbankexperten, der derartige Thesen teilt. Ganz im Gegenteil.“ – bto: was allerdings damit zusammenhängt, dass sie entweder Länder vertreten, die davon profitieren oder aber als Vertreter der Zentralbanken keine weitere Unruhe wollen.
  • Er führt dann eine lange Liste von internationalen Ökonomen an, die keine Bedenken wegen Target2 haben, um dann zu schreiben: „Vom Fach sind auch die beiden Zentralbank-Ökonomen Willem H. Buiter (LSE, Yale, Bank of England) und Ebrahim Rahbari (LBS, Oxford, Citigroup), die die fachlichen Hintergründe von Target 2 ebenfalls in einem für Laien unverständlichen, aber für Ökonomen äußerst lehrreichen wissenschaftlichen Papier zusammengetragen haben.“ – bto: hm. Was sagt doch der hier zitierte Willem Buiter: „Willem Buiter, Citigroup’s chief economist and a former UK rate-setter, says weaker EMU central banks are little more than currency boards. They can go bankrupt and are not credible counterparties. He argues that the ECB may ultimately have to suspend funding lines to irreparably insolvent central banks in order to protect itself.” Klingt für mich nicht so, wie hier insinuiert. Hier zu finden: → Uscitalia: Die Stimmen der anderen
  • „Es hätte auch den deutschen Talkshow-Ökonomen freigestanden, sich diese Facharbeiten und Artikel einmal anzuschauen und auf wissenschaftlicher Ebene eine Debatte zu führen, wenn sie denn tatsächlich Gegenargumente hätten. Doch diese Gelegenheit wurde nie wahrgenommen, obgleich man nun bereits sieben Jahre Zeit hatte. Doch die toben sich lieber in abstrusen Hysterie-Artikeln in den deutschen Medien aus. Woran das wohl liegen wird?“ – bto: einfach Target2 bei bto eingeben und man findet eine Fülle an fundierten Artikeln von beiden Seiten zu dem Thema. Also aufhören mit der Polemik und tiefer in das Thema einsteigen, würde ich sagen.

Was mich betrifft: Ich wollte noch mehr über Target2 wissen, als hier geboten wird.

nachdenkseiten.de: “Was Sie schon immer über Target 2 wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten”, 17. August 2018

Kommentare (40) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. assi
    assi sagte:

    ich verstehe target2 als clearing system der eu länder untereinander – drunter sind die geschäftsbanken – änlich wie multilaterales clearing – es wäre auch ohne krise zu einer schieflage gekommen da in target2 auch die ausenhadelsbillanz der länder untereinander enthalten ist – was man ganz klar aus target2 rauslesen kann ist das die meisten anleihekäufe der ezb zu lasten deutschlands gehen und nicht von allen ländern getragen werden – das ist für mich die sauerrei

    der fehler im target2 system ist das nicht gecleart wird, also zeitlich nicht ausgeglichen wird – was mich mal intressieren würde wie die ezb so einfach bei deutschland anschreiben lassen kann – oder kauft deutschland soviele anleihen auf :) das kapier ich noch nicht und wer hat das legetiemiert

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  2. asisi1
    asisi1 sagte:

    Da können sich sogenannte Experten, auf allen Ebenen die Finger wund Schreiben, letztendlich geht es darum alle Schulden der EU , Deutschland aufzubürden. Wer die letzten 70 Jahre “selbstständig” Denken gelernt hat, weiß wo das alles hinführt.
    Es ist unter der Kategorie einzuordnen wie der Spruch , die Wiedervereinigung wird uns nichts kosten und es wird allen besser gehen! Dieser Spruch ist nur was für Idioten!

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  3. Jochen Straus
    Jochen Straus sagte:

    Ist das nicht faszinierend: selbst die einfache Frage “habe ich (der Staat, die EZB, Private) Schulden oder nicht?” kann nicht mehr klar beantwortet werden.

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    • jobi
      jobi sagte:

      @Jochen Strauss

      absolut !

      Allerdings – was die verdrehte Argumentation der Geld-Alchimisten hier geschafft hat, muss man als intellektuelle Meisterleistung anerkennen.

      Bilanzakrobatik auf höchstem Niveau !

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  4. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Auch wenn schon 2012 ausgesprochen, ist dies m. A. n. immer noch eine zutreffende Feststellung zum Thema:

    >Für den Mann der Währungsunion ist Target2 ein Zahlungssystem, kein Finanzierungssystem. Über das Target2-System wird kein Kredit gewährt. Ein Euro ist ein Euro, gleichviel ob er in Gestalt einer Forderung gegen die Deutsche Bundesbank oder als Forderung gegen den Banco d’Italia auftritt. Forderungen gegen die eine werden anstandslos und grenzenlos in Forderungen gegen die andere umgewandelt. In einer Währungsunion ist das so (in den Vereinigten Staaten nicht anders) und kann auch nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, man möchte über etwas anderes reden als über eine Währungsunion, was selbstverständlich legitim wäre…

    Die Betrachtung der Target2-Salden macht erst Sinn, wenn man die Möglichkeit untersucht, dass die Europäische Währungsunion aufgelöst und die EZB liquidiert wird. Dann werden aus internen Verrechnungsgrößen Vermögenspositionen – beanspruchte, bestrittene, durchsetzbare, undurchsetzbare. Freilich, dann ändert sich so viel anderes zugleich, und womöglich in katastrophaler Weise, dass eine solche separate Antizipation wieder keinen Sinn macht. …Hier hilft nur separates Diskutieren>

    So Olaf Sievert in einem offenen Brief an H.-W. Sinn:

    http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=8787

    Für mich heißt das unterm Strich:

    Die Target2-Salden bestimmen IN der Währungsunion keine VERMÖGENSPOSITIONEN.

    Bei ZERFALL der Währungsunion sind sie mit NICHT kalkulierbaren RISIKEN auch keine.

    Mit Target2-Salden Schuldner- und Gläubigerpositionen bestimmen zu wollen, ist daher ein SINNFREIES Unterfangen.

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  5. Claudia Chehade
    Claudia Chehade sagte:

    Die nationalen Wirtschaften fungieren als getrennte Verrechnungsräume. Ein deutscher Exporteur erhält für seine Waren neu geschöpfte Euro der Bundesbank. Der griechische Importeur tätigt im Gegenzug die entsprechende Überweisung an die griech. Zentralbank. Das dafür nötige Geld stammt aus einem Kredit seiner griech. Geschäftsbank. Kann er diesen Kredit nicht zurückzahlen, endet das in einem Zusammenbruch der griech. Bank. Dies kann natürlich für Deutschland zum Problem werden (siehe Griechenlandrettung). Das eigentliche Problem ist jedoch der fehlende Gegenwert für das in Deutschland geschöpfte Geld infolge des Exportes. Handelte es sich um zwei getrennte Währungsräume, hätte der deutsche Exporteur griech. Drachmen eingenommen und würde jetzt in Griechenland einkaufen wollen. Da Griechenland jedoch wenig von Interesse produziert, würde der Exporteur dreimal überlegen, bevor er seine Waren für Drachmen hergibt. So aber hält der Exporteur Euro in der Hand. Diese neu geschöpften Euros sind trügerisch, da ihnen kein Wert mehr gegenübersteht. Das wird nicht erst relevant, wenn ein Land aus dem Euro aussteigt. Es ist schon jetzt ein Problem und zwar noch nicht mal ein exklusiv deutsches. Die Target2-Salden messen, wie viel Geld in Umlauf kam, zu dem kein Gegenwert existiert. Bei Target2 handelt es sich um einen Inflationsindikator.

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  6. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    „Dabei muss man noch nicht einmal Geldtheoretiker oder Experte für Bankwirtschaft sein, um sich zumindest einen Überblick zu verschaffen, was man unter ‚Target 2‘ zu verstehen hat. Es lohnt sich, denn wenn man erst einmal verstanden hat, um was es geht, merkt man, wie unsinnig die Talkshowökonomen argumentieren und dass die Debatte vor allem nationalistisch geprägt ist.“

    Das Nationalismus-“Argument” ist ja köstlich! Ich frage mich, wie Berger es emotional verkraftet, dass in sämtlichen EU-Ländern jedes Jahr eine extrem nationalistisch geprägte Debatte über den jeweiligen jährlichen Staatshaushalt stattfindet. ;)

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      @Herrn Ott: Den Witz mit dem nationalen Staatshaushalt fand ich gut.

      Man sollte sich für die Debatte direkt wünschen, dass anstelle von Großbritannien mal ein Mitglied des Euroclubs mal aussteigt, damit wir das mit den Targetsalden mal in der Praxis durchdeklinieren können. Vielleicht nicht gleich mehrere, aber ein Land wäre schon mal gut. Vielleicht irgendjemand, dessen Targetsalden weder positiv noch negativ zu hoch ausfallen. Dann wären die Differenzbeträge übersichtlich.

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      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        Vielleicht sollten wir ja einfach mal in einem Wald ein Feuer legen, um zu sehen, was passiert. Vielleicht ein Wald, in dem es nicht zu trocken aber auch nicht zu nass ist. Dann werden wir ja sehen, ob es tatsächlich eine alles vernichtende Billionen-Bombe gibt.

        Sorry, Herr Selig; so sehr ich ansonsten Ihre Kommentare schätze: Das wäre ökonomischer und politischer Selbstmord und wird von niemandem in politischer Verantwortung bei halbwegs klarem Verstand – also nicht unterhalb der nach unten offenen Trumpskala – auf die Agenda gesetzt.

        LG Michael Stöcker

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        Ich dachte, Waldbrände sind gut für die Konjunktur? Denken Sie an all die schönen Staatsausgaben, die Sie für die Wiederaufforstung budgetieren könnten, vielleicht sogar zentralbankfinanziert? ;)

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        Dazu fällt mir Volker Pispers ein:

        „Wenn Sie 40 Jahre lange den Wirtschaftsteil solcher Zeitungen gelesen haben, dann ist alles zu spät. Das hab ich inzwischen begriffen. “Beschäftigung durch Wachstum”, “kapitalgedeckte Altersversorgung” und mein Lieblingssatz ist “sozial ist, was Arbeit schafft”. Da würde kein Mensch widersprechen. Ich würde sagen: “Herr Pofalla, wenn ich Ihnen Ihre Hackfresse mit einem Baseballschläger zertrümmer, dann schafft das im Krankenhaus jede Menge Arbeit …”

        LG Michael Stöcker

  7. Barthel Berand
    Barthel Berand sagte:

    „Doch die Zentralbanken des EZB-Systems sind feste Teile des EZB-Systems und können als Zentralbanken auch nicht pleite gehen.“

    Die Alchemisten, sie leben hoch! Sie schaffen es tatsächlich heutzutage, aus heißer Luft „Geld“ zu erzeugen.

    Ein Wirtschaftsteilnehmer, der nicht Pleite gehen kann, ist kein Wirtschaftsteilnehmer. Von den Zentralbanken produziertes „Geld“ ist damit eine exogene Größe im Wirtschaftskreislauf (es gab ja mal den Streit, ob Geld eine endogene oder eine exogene Größe sei. Ich weiß gar nicht mehr, wie das ausgegangen ist. Heute sollte es an der Antwort aber keinen Zweifel mehr geben).

    Es leuchtet ein, dass diejenigen, die die Meinung vertreten, die Zentralbanken könnten so viel Geld produzieren, wie es nötig erscheint (nötig wozu?), den Target2-Positionen keine große Beachtung schenken. Wenn sie an die Wirksamkeit dieses Systems glauben, ist dies nur konsequent.

    Diejenigen, die mehr in einer Welt verhaftet sind, in der Geld noch einen realen Bezug zur Wirtschaft haben sollte, sehen in den Target2-Positionen – ebenso konsequent – ein Problem.

    Letztlich bleibt damit auch die Target2-Diskussion eine Folgeerscheinung, die aus einem unterschiedlichen Geldverständnis herrührt. Daher wäre es anzuraten, die Diskussion stärker auf die Ausgestaltung eines neuen und funktionsfähigen Geldsystems zu fokussieren.

    Alles andere ist Folge.

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Barthel Berand

      >Daher wäre es anzuraten, die Diskussion stärker auf die Ausgestaltung eines neuen und funktionsfähigen Geldsystems zu fokussieren.>

      Das Geldsystem bedient REALWIRTSCHAFTLICHE Prozesse.

      Jedes funktional mögliche Geldsystem ist daraufhin zu bewerten, d. h. wie es DIESE Prozesse, die ja nun einmal existieren (in welcher Ausprägung auch immer), bedienen kann – mit welcher Effizienz, mit welchen Risiken etc.

      Man muss also von den realwirtschaftlichen Prozessen und deren Erfordernissen für eine angemessene Funktionalität ausgehen.

      Andersherum ist es m. A. n. nicht zielführend, auch wenn unbestreitbar ist, dass jedes Geldsystem rückwirkend die Realwirtschaft beeinflusst.

      Antworten
      • Barthel Berand
        Barthel Berand sagte:

        @ DT

        „Das Geldsystem bedient REALWIRTSCHAFTLICHE Prozesse.“

        Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass das Geldsystem realwirtschaftliche Vorgänge beeinflusst. Würde es sie bedienen, wären die Wachstumsraten von Geld- und Gütermärkten sehr ähnlich. Diese Ähnlichkeit können wir in der Realität schon länger nicht mehr feststellen, da die Wachstumsraten der Geldmengen die der Gütermengen deutlich übersteigen. Nicht ohne Grund gehen die Assetpreise durch die Decke.

        Ein Geldsystem, welches die realwirtschaftlichen Prozesse bedient, muss in der realen Welt verankert sein, sprich: eine realwirtschaftliche (Teil-)deckung aufweisen. Andernfalls hängt die Geldproduktion an der Willkür der an Hybris erkrankten Spieler, die an den Schalthebeln der Druckerpresse sitzen. Und das wollen wir doch nicht, oder?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Barthel Berand

        >Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass das Geldsystem realwirtschaftliche Vorgänge beeinflusst.>

        Darauf können wir uns nicht einigen, da ich meine Position nicht aufgeben will.

        Ausgangspunkt der bzw. geldpolitischen Grundsatzdebatte im weitesten Sinn MUSS die Realwirtschaft sein.

        Aber natürlich:

        Ich widerspreche auch nicht.

        >Ein Geldsystem, welches die realwirtschaftlichen Prozesse bedient, muss in der realen Welt verankert sein, sprich: eine realwirtschaftliche (Teil-)deckung aufweisen.>

        Ich stimme uneingeschränkt zu.

        Genau das ist im Augenblick nicht der Fall:

        Das BESTEHENDE Geldsystem bedient die Realwirtschaft in der Tat nicht angemessen – da gibt es vermutlich keinen Dissens.

        >Andernfalls hängt die Geldproduktion an der Willkür der an Hybris erkrankten Spieler, die an den Schalthebeln der Druckerpresse sitzen. Und das wollen wir doch nicht, oder?>

        Ich jedenfalls nicht.

        Wobei wir wieder beim Problem der Realwirtschaft sind:

        Zu viele verblendete Spieler in der Politik und Makroökonomie setzen auf die Karte „Nachfrage KOSTE ES, WAS ES WOLLE“, um schmerzhafte reale Anpassungsprozesse zu verhindern und sind bereit, dafür ein Geldsystem zu akzeptieren, das allein der WILLKÜR gehorcht (Monetisierung der Staatschulden, und wenn erforderlich, vermutlich aller Schulden, sowie evtl. oben drauf auch noch ein leistungsloses Bürgergeld

        Wer das will, ersetzt ein Problem durch ein anderes, was nicht nur potenziell ein anderes ist.

        Ich halte es für einen fundamentalen Fehler zu glauben, dass sich alle Probleme schmerzlos lösen lassen.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        @ Barthel Berand und Dietmar Tischer

        Zum Thema Finanzwirtschaft versus Realwirtschaft empfehle ich eindrücklich Stephan Schulmeister: https://youtu.be/cKy4Y5Zk8ig. Das neue Buch von Schulmeister steht ganz oben auf der Agenda und wurde am 06.06.2018 vom österreichischen Bundespräsidenten (sic!) an der Wirtschaftsuniversität in Wien vorgestellt.

        LG Michael Stöcker

  8. Thomas
    Thomas sagte:

    @Troodon: Erstklassige Sicherheit ?:
    http://www.spiegel.de/spiegel/a-766905.html
    (Ab)Laufzeit (Maturity) der portugiesischen Anleihe von 1943: 31.12.9999
    Dieser Ablauftermin wäre generell für alle Schuldnerländer “very convenient” (auch Japan)

    Das Konzept von Apples AGB “differential privacy” zu garantieren wird wohl demnächst auch bei den Sicherheiten umgesetzt werden müssen…

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      Das “9999” beim Jahr ist vermutlich nur ein Platzhalter für die Computerdatenbanken. Ich denke, dass das ewig laufende Anleihen mit jährlichem Zinskupon sind, so wie sie zum Beispiel früher von Großbritannien oder den Niederlanden ausgegeben wurden. Die Anleihebedingungen enthalten höchstwahrscheinlich eine Klausel, der gemäß die Zentralbank die Anleihe unter Bestimmten Bedingungen gegen Zahlung des Nennwertes auch wieder einziehen kann.

      Antworten
      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Die Anleihebedingungen enthalten höchstwahrscheinlich eine Klausel, der gemäß die Zentralbank die Anleihe unter Bestimmten Bedingungen gegen Zahlung des Nennwertes auch wieder einziehen kann.“

        Dafür bedarf es keiner Klausel, Herr Ott. Eine ZB kann jederzeit Anleihen am Markt aufkaufen. Der Verkäufer hat sodann ein unverzinsliches Guthaben.

        Sobald sich die Anleihen im Eigentum der ZB befinden, ist der Zinsaufwand neutralisiert, da die Zinszahlungen via Gewinnausschüttung gemäß Kapitalschlüssel wieder an die Staatshaushalte zurück fließen (linke Tasche, rechte Tasche).

        LG Michael Stöcker

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        Das stimmt natürlich, a) sofern die Zentralbank auch verkaufsbereite Anleihehalter findet und b) die Zentralbank Anleihen überhaupt zurückkaufen darf. Manche der ewigen Anleihen wurden deutlich vor den Zeiten begeben, in denen “moderne Zentralbankpolitik” entwickelt wurde.

        Trotzdem kenne ich ewige Anleihen, in deren Anleihebedingungen zum Beispiel stand, dass die Zentralbank die Anleihen erst nach wenigstens 5 Jahren zurücknehmen könnte, die also effektiv eine entsprechende Mindestlaufzeit hatten.

  9. troodon
    troodon sagte:

    Der Artikel von Jens Berger trägt definitiv nicht zur Versachlichung der Target Debatte bei.
    Wenn Target Kritiker allerdings immer auf 1 Bio Euro Risiko für D hinweisen, ist dies auch nicht unbedingt hilfreich, da die tatsächlichen Abschreibungen nun einmal von der Höhe der Target Verbindlichkeiten des ausscheidenden Landes abhängen, wenn es den € verlässt. Der deutsche Kapitalanteil der EZB beträgt rd. 25% , somit sind auch die Verluste bei anteilig rd. 25% der Forderungen. Zudem ist es fraglich, ob die Forderungen komplett wertlos würden. Die ausscheidende Notenbank hat Sicherheiten bei der Kreditvergabe an die Banken hereingenommen, die zumindest einen gewissen Wert darstellen werden. Somit würde sich der auftretende Verlust weiter mindern, aber selbstverständlich immer noch eine beachtliche Größe betragen können. Eine genaue Zahl wird man kaum vorab berechnen können.

    Die stärksten Target Kritiker sollten auch nicht vergessen, dass der wesentliche Anstieg der Target Forderung von D auf das Anleihekaufprogramm APP zurückzuführen ist. Jedenfalls erscheinen mir die Ausführungen der BuBa hierzu nachvollziehbar:
    https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/Target2/2017_03_mb_target2.pdf?__blob=publicationFile
    https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/Target2/2017_12_mb_target2_saldo.pdf?__blob=publicationFile

    Aufgrund einer positiven Handelsbilanz Italiens in den letzten Jahren wird sich deren negativer Target-Saldo jedenfalls nicht deshalb vergrößert haben können.
    Und für nachhaltige Kapitalflucht aus Italien, die den Anstieg des negativen Target-Saldo in dieser Größenordung auch nur ansatzweise erklärt, kann ich jedenfalls keinen Beleg finden. Ich meine damit nicht, das jemand gehört hat hat, dass irgendeiner einen kennt, der von einem entfernten Bekannten gehört hat, dass der Nachbar nun italienischen Eigentümern die Miete überweisen muss, da diese seine Wohnung gekauft haben. Dies gibt es selbstverständlich, aber der deutliche Anstieg der Target Salden lässt sich damit nicht erklären.
    Und bei Kapitalflucht von Italienern aus Italien heraus nach D in sehr deutlichem Umfang, sollten die Einlagen bei den italienischen Banken zurück gehen. Dafür gibt es außer in dem Krisenjahr 2011 in den Statistiken der BuBa keinen Anhaltspunkt.
    https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/ESZB_Statistiken/Monetaere_Statistiken/eszb_table_view_node.html?statisticId=outstanding_amounts&dateSelect=2018-06-01

    Die “Einlagen von Ansässigen im Euro-Währungsgebiet” und hiervon die Untergruppierung “sonstige öffentliche Haushalte/sonstige Ansässige im Euro-Währungsgebiet” sind in Italien von 12/2007 bis 6/2018 um rd. 5% p.a. gestiegen, in D im gleichen Zeitraum um 3% p.a.

    Was tatsächlich bei italienischen Banken im Zeitraum 12/2007 bis 6/2018 rückläufig war, sind
    ” Passiva gegenüber Ansässigen außerhalb des Euro-Währungsgebiets”. Diese haben sich um rd. 110 Mrd € reduziert, während diese in D in diesem Zeitraum um rd. 31 Mrd angestiegen sind, was für D allerdings nur 0,4% p.a. entspricht. Quelle hierfür ebenfalls abrufbar unter dem o.a. BuBa Link.

    Insgesamt würde mich eine Reduzierung der Target Salden mit dem Auslaufen des APP definitiv nicht wundern bzw. erwarte ich dies. Dies würde dann hoffentlich dazu führen, dass sich die Diskussion stärker darauf ausrichtet, dass es eben nicht haltbar ist, dass D DAUERHAFT Exportüberschüsse in aktueller Größenordung produziert, ohne dass dies immer wieder zu Verlusten auf der Forderungsseite führen wird. Aber vielleicht dringt Hr. Stelter mit seiner Forderung nach mehr Investitionen im Inland irgendwann doch noch stärker durch…

    Wenn es durch das Ausscheiden Italiens aus dem Euro zu Verlusten bei den Target Forderungen für D kommt,wäre es lediglich eine Fortsetzung der Entwicklung seit 2007, in der rd. 700 Mrd. Euro weniger Auslandsvermögen aufgebaut wurde als es eigentlich dem Saldo der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse hätte entsprechen müssen. Leider…
    Auch so etwas sollte HWS stärker thematisieren und die möglichen Ursachen kritisieren, anstatt zu sehr auf dem Thema Target als deren teilweise Folge herumzureiten. https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2018/2018_04_auslandsvermoegen.pdf?__blob=publicationFile

    Aber wie schreibt Hr. Stelter immer so passend (sinngemäß): ” In einer überschuldeten Welt ist es keine gute Idee Gläubiger zu sein”.
    Bis diese Erkenntnis zu einem Umdenken in der Politik führt, ist es wohl leider noch ein weiter weg…

    Antworten
  10. Thomas
    Thomas sagte:

    Ein paar kleinere Fragen und ein paar Spekulationen

    Wie mittlerweile bekannt wurden die Target2 Salden deswegen in der Euro Zone so hoch,
    weil bei der Konstruktion des Eurosystems auf die Verpflichtung der jährlichen Saldierung,
    wie im US-Dollarraum verpflichtend verzichtet wurde.
    Die erste Frage stellt sich ob die Konstrukteure des Eurosystems diese “Auslassung” als Experiment,
    aus “Vergesslichkeit” oder mit voller Absicht vorgenommen haben und in wieweit die
    Konsequenzen den Akteuren bekannt waren.

    Analysiert man Draghis Kommentar genauer ist klar dass er nur auf eine von zwei Möglichkeiten
    eingeht den Euro zu verlassen:
    Ein Target2 Schuldner will den Euro verlassen, in diesem Falle muss der Schuldner die Salden ausgleichen

    Auf die zweite Option, was eigentlich passiert, wenn ein Target2 Gläubiger den Euro Raum verlässt,
    ist bislang noch keiner eingegangen, obwohl, wie in diesem Blog mehrfach aufgezeigt diese Option
    ebenfalls die Wettbewerbsdiffernenzen zwischen Deutschland und der Rest-EU ausgleichen würde.

    Konkret: Gesetzt den Fall Deutschland verlässt den Euro würde das auf die zweite Frage hinauslaufen:
    Was passiert beim Euroaustritt mit den Target2 Guthaben Deutschlands und wer darf darüber entscheiden.
    Gerne würde ich hier erfahren, was Hans-Werner Sinn als Kenner der Materie dazu beisteuern kann.

    Spekulation:
    Da im internationalen Bereich die USA mit Argentinien erst kürzlich gezeigt haben,
    dass es atomar bewaffneter Flugzeugträger bedarf “souveräne” Staaten zur Bedienung ihrer Schulden
    zu zwingen, Deutschland aber kein Atomstaat ist, fällt die Option die Bedienung zu erzwingen
    als “esoterisch” aus.
    Bleibt also nur die Target2 Guthaben als Verlust zu betrachten.
    Entweder als Totalverlust abzuschreiben oder anderen Staaten gegenüber abzutreten,
    beispielsweise Polen für die “esoterischen” Reparationsforderungen
    (im Gegenzug Rückgabe Schlesien, Ostpommerns etc?).
    oder zum Erwerb von Mallorca, Sardinien oder ähnliches.

    Spekulation 2:
    Da der Euro von der französischen Regierung als politisches Instrument gewünscht war,
    um Deutschland vor zuviel Eigenständigkeit zu bewahren, habe ich in dieser Währung immer
    ein politisches Projekt gesehen und daher kann man getrost davon ausgehen dass die Target2
    Salden in der heutigen Form beabsichtigt waren, denn als “güldene Ketten”, die Gläubiger
    und Schuldner auf ewig aneinander schmieden erfüllen sie ihren Zweck.
    Weder wird Cinque Stella Bella Italia überzeugen können 400 Mrd Euro in Neuen Lira zu zahlen,
    noch kann die AFD dem deutschen Michel ohne politischen Selbstmord das Abschreiben von
    1000 mrd Euro schmackhaft machen.
    Mithin spielen Wahlen im Target2 Euroland keine Rolle mehr und werden zu “Hintergrundgeräusch”

    Letzte Gedanken:
    “Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende”
    (Sprichwort der alten Biodeutschen Minderheit)

    Antworten
    • SB
      SB sagte:

      @Thomas:

      “Die erste Frage stellt sich ob die Konstrukteure des Eurosystems diese „Auslassung“ als Experiment, aus „Vergesslichkeit“ oder mit voller Absicht vorgenommen haben und in wieweit die Konsequenzen den Akteuren bekannt waren.

      Betrachtet man das Ziel der Macher von EU und Euro, nämlich die immer engere europäische Integration, bleibt eigentlich nur Absicht hinsichtlich der “Auslassung”. Wie Sie selbst schreiben: “…denn als „güldene Ketten“, die Gläubiger und Schuldner auf ewig aneinander schmieden erfüllen sie ihren Zweck.”

      Antworten
    • troodon
      troodon sagte:

      Zum Thema jährliche Saldierung im US-System ist Jan Pieter Krahnen der Auffassung, dass
      “Die regelmäßig als Vorbild herangezogene Saldentilgung
      innerhalb des Zahlungsverkehrssystems der US-Notenbank, das Fedwire-System, leistet tatsächlich keinen Transfer von Kaufkraft – sondern erzielt einen Saldenausgleich durch Umbuchung auf einem gemeinsamen Offenmarktkonto. ”

      Und zum Thema Tilgung von Target Salden im Euro System:
      “Was auf den ersten Blick sehr plausibel erscheint, die Tilgung entstandener Salden, erweist sich bei genauerer, auf die Finanztransaktionen abstellender Betrachtung als weitgehend unwirksam. ”
      Gesamte Ausarbeitung unter : https://safe-frankfurt.de/fileadmin/user_upload/editor_common/Policy_Center/SAFE_White_Paper_56.pdf

      Zu Krahnen:
      “Jan Pieter Krahnen (* 1954), ist Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt, Direktor des Center for Financial Studies, Politikberater auf nationaler und EU-Ebene und gleichzeitig Berater der DZ BANK sowie ehemaliges Beiratsmitglied der Lobbyorganisationen TSI und Deutsches Aktieninstitut (DAI). Von 2008 bis 2012 war er Mitglied der Expertengruppe Neue Finanzmarktarchitektur” https://lobbypedia.de/wiki/Jan_Pieter_Krahnen

      Antworten
  11. Lenz
    Lenz sagte:

    @Hansjörg Pfister
    Sehen Sie es mal so: Sie schulden ihrer Bank 1 Mio. und ihre Sicherheiten sind unzureichend. Für die 1 Mio haben Sie sich was gekauft, was inzwischen “wert ärmer” ist (PKW) oder einfach “verlebt/verbraucht”. Wenn die Bank dann die 1 Mio. wieder haben möchte, ist der “Wert” dieser Forderung irrelevant.

    @Herrn Stelter: Vielen Dank
    Der “SPD” Eigentümer Müller & Herr Berger sind halt einäugig, manche Artikel sind wirklich wirklich gut, bei anderen merkt man: Völlig ahnungslos und getrieben von blöder Ideologie. Die Herren sollten intensiver “Feind-Literatur” lesen, es bildet (deswegen klicke ich da ja auch manchmal drauf ;-) ). Vielleicht sollten die sich auch mal intensiver mit Venezuela beschäftigen.
    Wenn ich mit meinen Kindern im TV schaue, wie der Kaiser oder auch nur Adenauer reisten, sieht jeder: Es geht uns heute deutlich besser. Darüber freuen sich insbesondere ältere Menschen, diese verblendeten konzentrieren sich nur auf die Suche von Ungerechtigkeiten.

    Meine kleine Ergänzung für “neue Leser”:
    Gäbe es noch die Drachme, würde deren Kurs sinken und einkaufen in D würde dadurch laufend teuerer, alternativ wäre dann Urlaub in GR preiswerter. Eine derartig absurde Überziehung wäre nicht möglich.

    Hintergründe von ‚Target 2‘: Wenn es zu kompliziert erklärt wird, ist es wohl falsch und ‚Talkshow-Ökonomen‘ zeigt nur, wie dämlich inzwischen ‚Talkshows‘ sind.

    Dr. Paul C. Martin schrieb schon lange vor der Euro Einführung sinngemäß:
    Dann liefert die Mafia bei der Sparkasse Palermo wertlose Sicherheiten ab, bekommt einen Kredit in Euro und kann dann in Europa einkaufen gehen.
    (Medienkunde: das war übrigens “bashing” von Politikern, nicht von Italien und da es keine Sparkasse in Palermo gibt, kann man so etwas behaupten – da kann keiner klagen)

    An die unkundigen: Viele Bemerkungen von Herrn Stelter sind Sarkasmus!

    Als E-Techniker, der ein wenig was von Regelungen & Mathematik versteht sehe ich es so:
    Teile nie durch 0, es geht nicht. Ein 0 Risiko bei Staatsanleihen geht also nicht.
    Hätte man GR einfach nicht die absurden Kredite gewährt, hätten Sie automatisch die Lohnseite nicht so aufblähen können. Ein Euro für alle hätte funktioniert, wenn man nicht wesentliche Teile der natürlichen Regelung außer Kraft gesetzt hätte.
    Die D-Mark funktionierte ja auch in Deutschland, obwohl es zwischen München und vielen ärmeren Gegenden in Deutschland auch erhebliche Unterschied gibt.

    Antworten
    • Hansjörg Pfister
      Hansjörg Pfister sagte:

      @Lenz, das leuchtet mir natürlich ein, mein Mc Laren P1, den ich mir vor wenigen Jahren gekauft habe, ist auch nicht mehr so doll…
      Aber im Ernst, in einer Asset Inlation, wie wir sie seit Jahren haben, werden sie Sicherheiten tendenziell wertvoller. Aber die Kredite werden gegen immer fragwürdigere Sicherheiten vergeben.

      Antworten
  12. Axel Jung
    Axel Jung sagte:

    >Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass unter den Experten in einer so zentralen Frage Dissens herrscht. Kollabiert das System allein schon an seiner eigenen Komplexizität?

    Nach meiner Einschätzung scheitert das Verstehen nicht an der Komplexität des Sachverhaltes, sondern daran, dass – je nach politischer Ausrichtung/Weltanschauung – die Dinge vollkommen konträr wahrgenommen werden. In einer solchen Gemengelage ist es unmöglich, sich auf ein gemeinsames Verständnis zu einigen.

    Antworten
  13. SB
    SB sagte:

    “Zum anderen geht es hier jedoch auch um Kapitalflucht. (…) Paradoxerweise lassen also gerade die Euro-Rausschmiss-Fantasien der deutschen Talkshowökonomen die Target-Salden der Bundesbank indirekt mit ansteigen. Sinn und Co. regen sich also über Entwicklungen auf, die sie zum Teil selbst zu verantworten haben.“

    Das ist echte linke Logik! Wenn man nämlich über ein Problem nicht (mehr) redet, so gibt es dieses auch nicht (mehr). Siehe dazu auch hier zum Sachverhalt “Flüchtlinge”: https://www.tichyseinblick.de/meinungen/spd-rezepte-im-kampf-gegen-rechts/

    Antworten
  14. Hansjörg Pfister
    Hansjörg Pfister sagte:

    “Nein, es bleibt der Umstand, dass wir realwirtschaftliche Güter gegen eine Kontoposition getauscht haben, die zwar nicht wertlos werden kann, weil sie keinen Wert hat und deshalb irrelevant ist.”
    Das verstehe ich zwar nicht, aber ich habe kürzlich gelesen, Draghi habe gesagt, dass wenn ein Land aus dem Euro ausscheidet, es seine Target-Verbindlichkeiten zu begleichen habe. Wie verträgt sich das denn mit den Aussagen der Target – Apologeten, hatte Herr Draghi grade “Ischias” als er das gesagt hat? Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass unter den Experten in einer so zentralen Frage Dissens herrscht. Kollabiert das System allein schon an seiner eigenen Komplexizität?

    Antworten
    • Thomas M.
      Thomas M. sagte:

      >Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass unter den Experten in einer so zentralen Frage Dissens herrscht. Kollabiert das System allein schon an seiner eigenen Komplexizität?

      Ja, das frage ich mich allerdings auch immer wieder… wir machen große Fortschritte in der Kosmologie, Teilchenphysik, künstlichen Intelligenz und Biotechnologie – Target 2 hingegen wird heiß diskutiert.

      Da es menschengemacht ist, sollte man doch meinen, dass man es auch verstehen könnte. Oder vielleicht gerade deshalb nicht?

      Jens Berger disqualifiziert sich als seriöser Autor. Sein Schreibstil ist “undemokratisch”. Er ist dem im Text implizierten Feindbild ähnlicher, als er vermutlich selber ahnt.

      Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass unter den Experten in einer so zentralen Frage Dissens herrscht.“

      Doch, Herr Pfister, leider ja. TARGET und kein Ende. So lautete auch der Titel meines Beitrags von vor einem Monat.

      Nun also auch hier wieder und ebenso an vielen anderen Stellen. Ein heftiger Schlagabtausch findet seit mehreren Tagen auf dem führenden deutschsprachigen Ökonomenportal statt. Nachdem dort ein ziemlich schlechter Beitrag (so nicht nur meine Einschätzung) von Rainer Maurer zu zahlreichen Kommentaren geführt hatte (128), folgte kurze Zeit später eine eingehende Kritik von Georg Quaas an HWS mit mittlerweile 139 Kommentaren. Georg Quaas hatte sich bereits 2011 eingehend mit den Thesen von HWS auseinander gesetzt und diese als weitgehende Fehlinterpretationen entlarvt. Hier ein Link zum aktuellen Stand des Schlagabtauschs: http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2018/08/aspekte-des-target2-problems/#c5087

      Antworten
      • troodon
        troodon sagte:

        Habe mich nun durch die meisten Kommentare des verlinkten Artikels gekämpft.
        Es wird dabei gestritten über Begrifflichkeiten, Beschimpfungen sind dabei inklusive. Man liest Geschichten von Käpt‘n Ahab, Erklärungsversuche, es werden Fragen gestellt, die mal beantwortet und mal nicht beantwortet werden.

        Und was bleibt am Ende ?
        Das Gefühl, dass alle bei FÜR MICH wesentlichen Punkten doch eigentlich nicht weit auseinanderliegen.

        Die Target Salden zeigen Ungleichgewichte an, die solange die Währungsunion in der aktuellen Form mit allen Mitgliedern bestehen bleibt, keine tatsächlichen Risiken darstellen. Tritt ein Mitglied mit einem negativen Saldo aus, sind die Risiken von Verlusten durch Abschreibungen für die BuBa vorhanden, aber man kann diese aufgrund der nicht vorhandenen Regeln für einen Austritt nicht quantifizieren.

        Tja, und über so etwas wird dann jahrelang mit harten Bandagen gestritten…

        Viel sinnvoller wäre es, die vielfach vergeudete Geistesleistung umzuleiten und die Ursachen der Ungleichgewichte anzupacken.
        Dabei wird man z.B. nicht umhin kommen europaweit das Bankensystem weiter zu stärken, die deutsche Exportabhängigkeit zu reduzieren, für eine bessere Mobilität von Arbeitskräften innerhalb der Euro Zone zu sorgen und vieles andere… Hier über die besten Konzepte zu streiten, Ideen zu entwickeln, das macht Sinn.

        Stattdessen wird weiter darüber trefflich gestritten, ob eine Target-Forderung eine Forderung oder nur ein Verrechnungssaldo ist und was denn nun Geld in welchem Geldkreislauf genau ist…

        Da könnte man meinen: Die spinnen, die Volkswirte.
        Und angesichts nicht möglicher Sanierungen von Schulen aufgrund fehlenden Bauplanern und Ingenieuren fordern, Volkswirte zu Bauplanern umschulen zu lassen…

    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Ein aktuelles Paper kommt nun von Jan Pieter Krahnen, einem ausgewiesenen Bankexperten, der sich ebenfalls HWS zur Brust nimmt; und zwar im Gegensatz zu Jens Berger ganz nüchtern, sachlich und ohne Polemik. Eine meiner zentralen Thesen lautet ja, dass es sich bei den TARGET-Salden weder um Forderungen noch um Verbindlichkeiten handelt, obwohl sie bilanziell als solche ausgewiesen werden. Ich habe diese Sichtweise auch hier auf bto mehrfach vertreten. Dazu nun Krahnen:

      „TARGET-Salden sind im laufenden Verkehr einer Währungsunion aktivische oder passivische Verrechnungsgrößen ohne Anspruchscharakter Dritter, sogenannte Perioden-und- Regionalabgrenzungsposten.“ (Seite 22)

      Und warum ein Ausgleich nach Fedwire Vorbild unsinnig ist (zentrale Forderung von Sinn), beantwortet Krahnen wie folgt:

      „Wir können die Liste der Beispiele fortsetzen, was wir aus Platzgründen nicht tun werden – die Quintessenz aus allen Beispielen ist aber die gleiche. Eine Tilgung von TARGET-Salden ist ökonomischer Unsinn. Und schlimmer: Sie würde eine Art staatsgelenktes Gegensteuern von Vermögenstransfers bedeuten, die von Privaten (oder der WZB, wie in Beispiel 4) vorgenommen worden sind – das erinnert an eine weiter oben erwähnte, staatliche Konsumlenkungspolitik im Stile einer NÖSPL – nur dass sie bei der hier präsentierten, finanzökonomischen Betrachtung eine Folge der TARGET-Saldentilgung ist, und nicht dessen Ursache.“ (Seite 14). https://safe-frankfurt.de/de/policy-center/publikationen/detailsview/publicationname/ueber-scheinriesen-was-target-salden-tatsaechlich-bedeuten-eine-finanzoekonomische-ueberpruefung.html

      Das Paper ist sehr lesenswert und auch für ökonomische Laien sehr verständlich geschrieben.

      Antworten
      • Barthel Berand
        Barthel Berand sagte:

        @ Michael Stöcker

        Das Papier ist wirklich gut geschrieben und verständlich. Ich bin aber über zwei Abschnitte gestolpert:

        Im ersten geht es darum, dass die Target-Forderungen durch direkten Ausgleich mit Staatsanleihen ersetzt werden:

        „Betrachten wir den direkten Ausgleich zuerst. Ein Vergleich der Vermögensposition der Zentralbank des Landes A vor und nach Erhalt der Tilgungszahlung lässt erkennen, dass keine Bilanzverlängerung, sondern lediglich ein Austausch von Vermögenspositionen innerhalb der A-Bilanz stattgefunden hat, ein sogenannter Aktivtausch. Eine Forderung gegenüber dem Eurosystem, der sogenannte TARGET-Saldo, wird ausgetauscht gegen eine direkte Forderung gegen den Fiskus des Landes B. Hat sich die Vermögensposition des Landes A durch diesen Tausch insgesamt geändert? Die Antwort ist ein klares „Nein“, wie es auch schon Sinn(2012) in einem VoxEU-Beitrag festgestellt hat: Vor und nach dieser sogenannten Tilgung hält die A-Zentralbank eine Forderung in gleicher Höhe, vorher gegen die Gruppe aller Euro-Zentralbanken, nachher allein gegen den Staat Italien. Der erwartete Forderungserlös ist in beiden Fällen gleich hoch.“

        Ich bezweifele, dass man diese beiden Positionen gleich setzen kann. Die Target-Position können Sie nicht fällig stellen, nicht verkaufen, nicht verzinsen, etc. Sie können sie lediglich anschauen. Bei Staatsanleihen ist das anders. Das sind echte fungible Forderungen. Der Marktwert ist bekannt. Wenn man diese beiden Bilanzpositionen gleichsetzt, sagt man damit auch, dass es sich bei Target-Forderungen um echte Forderungen handelt. Sind sie das nun oder nicht?

        Der zweite Abschnitt:

        „Nehmen wir zum Beispiel die Exporterfolge der Firmen des A-Landes auf den Märkten des B-Landes. Wenn diese Erfolge mit unsolider Leasingfinanzierung ermöglicht wurden, so dass aus ökonomischer Sicht die Exporterlöse von späteren Kreditverlusten geschmälert werden, dann sind zwischenzeitliche Salden des Zahlungsverkehrssystems, die auf derartige Exporte zurückgeführt werden können, eng verbunden mit späteren Bankverlusten. Ein entsprechender TARGET-Saldo signalisiert dann uneinbringliche Forderungen im Grundgeschäft und kann damit ein Finanzstabilitätsrisiko anzeigen. Dies ist dann der Fall, wenn die Aufblähung des Exports eines Landes strukturell durch unsolide Kreditierung erfolgt ist und damit längerfristig zu wirtschaftlichen Verlusten im Exportland führen wird.“

        Ich halte dies für einen validen Punkt. Target2 zeigt in derartigen Fällen in der Tat eine Risikoposition auf – Größenordnung unbekannt?

        Letztlich kann ich feststellen: Schlauer geworden bin ich jetzt auch nicht….

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        @ Barthel Berand

        „Ich halte dies für einen validen Punkt. Target2 zeigt in derartigen Fällen in der Tat eine Risikoposition auf – Größenordnung unbekannt?“

        Ja, selbstverständlich ist ein Teil des TARGET-Saldos eine Risikoposition; und zwar eine politische. Und ja, die Größenordnung ist unbekannt, zumal insbesondere die Bilanzposition 9.2 „Verbindlichkeiten aus der Verteilung des Euro-Banknotenumlaufs innerhalb des Eurosystems“ in Höhe von 359 Mrd. EUR gegen gerechnet werden müsste (anteilig oder aber bei einer Auflösung des Euro vollständig) https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/BBK/2018/2018_02_27_geschaeftsbericht_2017_bilanz.pdf?__blob=publicationFile . Ansonsten hatte ich die Bewertungsoptionen ja bereits im verlinkten Beitrag beschrieben.

        Noch zum Thema Forderung: Nur dann, wenn die Bundesbank italienische Anleihen o. ä. auf dem Markt ankauft, nur dann entstehen auch gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten, die mit Zentralbankgeld zu erfüllen sind. TARGET selber ist aber weder Forderung noch Verbindlichkeit. Zur Begründung einer Forderung/Verbindlichkeit bedarf es in aller Regel zuerst eines Vertrags (Ausnahme: Steuerschulden).

        Zum Thema Verzinsung: TARGET-Salden werden selbstverständlich verzinst. Hierzu die EZB:

        „Aus TARGET2 resultierende Intra-Eurosystem-Salden der NZBen des Euro-Währungsgebiets gegenüber der EZB werden in der Bilanz der EZB zusammengefasst als saldierte Intra-Eurosystem-Forderungen bzw. Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten ausgewiesen. Die Verzinsung dieser Salden wird in der Gewinn-und Verlustrechnung unter „Sonstige Zinserträge“ und „Sonstige Zinsaufwendungen“ erfasst.“

        Da der Hauptrefinanzierungssatz allerdings schon seit einiger Zeit bei 0,0 % liegt, werfen diese Salden den gleichen Ertrag ab wie Bargeld. Das ist allerdings nicht die Schuld der EZB, sondern unmittelbare Folge der verfehlten europäischen Investitionsverweigerungsagenda. Und solange diese Investitionen nicht getätigt werden, wird auch die Realwirtschaft nicht wieder anspringen und sich stattdessen weiter auf die Bildung von fiktivem Kapital in der Finanzwirtschaft fokussieren.

        LG Michael Stöcker

      • jobi
        jobi sagte:

        @ Michael Stöcker

        “Eine Tilgung von TARGET-Salden ist ökonomischer Unsinn. Und schlimmer: Sie würde eine Art staatsgelenktes Gegensteuern von Vermögenstransfers bedeuten ..”

        Ein dreistes Argument, wenn man bedenkt, dass die Target-Salden ganz ursächlich durch ein staatsgelenktes Entfernen marktwirtschaftlicher Korrektive wie Zins und Wechselkurs entstanden sind.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        @ jobi

        Ihre Antwort lässt nur den Schluss zu, dass Sie das Paper nicht gelesen oder aber nicht verstanden haben. Denn ganz unabhängig davon, ob Ihre Vorwürfe tatsächlich stimmen, haben diese nichts mit der sachlichen Begründung von Krahnen zu tun.

        LG Michael Stöcker

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