Szenarien für den italienischen Staatsbankrott – oder Show zur Erpressung Deutschlands?

„Lasst uns aus dem Euro austreten, bevor Italien es tut“ ist bekanntlich schon lange die Position von bto. Kommt natürlich nicht. Derweil wächst die Krise in Italien weiter an und nun wird schon offen über die Szenarien für den Staatsbankrott diskutiert, natürlich unter dem weitaus weniger dramatischen Titel: „The Italian public debt in the Eurozone“. DIE WELT berichtet:

  • “In Rom (…)  fand sich eine illustre Runde von namhaften Wissenschaftlern, smarten Investoren, berüchtigten Schuldenexperten und Politikern zusammen. Ihr Ziel war es, eine Idee zu entwickeln, wie Italien am besten sein grassierendes Schuldenproblem löst.” bto: Von Lösung kann eigentlich keine Rede sein. Es geht um die Reduktion durch Gläubigerverzicht auf die eine oder andere Weise.
  • “(Es) wurden ganz konkrete Pläne durchgespielt, wie das Land seine drückenden Verbindlichkeiten reduzieren könnte und das ohne Tabus: Vom Schuldenschnitt über die Einführung einer Parallelwährung bis zum Austritt aus der Währungsunion kam alles auf den Tisch.” bto: In jedem Szenario verlieren die Gläubiger. Das muss man immer klar und deutlich so sehen.
  • “Rom und die italienische Öffentlichkeit sind es offensichtlich leid, durch striktes Sparen die Schuldenlast zu reduzieren. Also müssen neue kreative Ideen her. (…) Offen wurden dabei Ideen diskutiert, wie die Bundesrepublik quasi erpresst werden kann, den Italienern beim Abbau der Altlasten zu helfen.” bto: Und wir werden das auch tun. Wie sagte es ein Italiener so schön? Weshalb sollten wir es selber zahlen (reiche Privathaushalte!) wenn es die Provinzen (=wir) tun?
  • “Erst kürzlich haben die Target-Verbindlichkeiten der Italiener einen neuen Rekord markiert. Diese müsste man im Zweifel wertberichtigen. Außerdem halten Finanzinstitute (…) italienische Staatsschulden im Milliardenwert. Hier drohen Bilanzschäden.” bto: Und da liegt das Erpressungspotenzial!
  • “Ökonomen sind sich einig, dass die Lösung des Italien-Problems die letzte große Schlacht um die Rettung der Euro-Zone ist. (…) Einig waren sich Referenten über den Zustand der drittgrößten Ökonomie der Euro-Zone. Das Land stecke das sechste Jahr in Folge in der Rezession, polterte Heiner Flassbeck, (…). Keine große Ökonomie habe ein solch langes Leiden durchmachen müssen.” bto: was nicht neu ist und dennoch ist die Mehrheit der Italiener für den Euro.
  • “Hätte Italien eine eigene Notenbank, seien die Verbindlichkeiten zu tragen, (…). Im aktuellen Setting mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und der mangelnden Möglichkeit, selbst Geld zu drucken, sei das Land mathematisch pleite (…).” bto: Naja, Italien kann die Pleite nicht via Inflation gestalten.
  • Italien ist eindeutig zu groß, um gerettet werden zu können, sagt Jochen Andritzky, Generalsekretär beim Sachverständigenrat der Bundesregierung. Gerade der Rettungsfonds ESM könnte den größten Schuldner der Euro-Zone inzwischen nicht mehr auffangen. Daher müssten Regeln für eine geordnete Umschuldung im Krisenfall her.” bto: Das Bild ist interessant, weil es zeigt, wie schlecht auch die Entwicklung Deutschlands ist.

Quelle: Infografik DIE WELT

  • Die Ideen u. a.: “(…) in die (sollten) Anleiheverträge Klauseln eingebaut werden, die für den Krisenfall eine automatische Laufzeitverlängerung vorsehen (…)” oder: “(…) die alten nach italienischem Recht begebenen Staatsanleihen (sollten) in neue internationale Papiere mit längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinsen getauscht werden. (…) ein indirekter Schuldenschnitt (…).” bto: Das sind alles Tricks, um die Gläubiger zu beteiligen.
  • “Noch sind 93 Prozent der Papiere nach heimischem Recht ausgegeben. Das ermöglicht es den Italienern, die Papiere im Zweifelsfall auch in Lira zurückzuzahlen, sollte es zu einem Austritt kommen, betonte Brigitte Granville, Professorin der Queen-Mary-Universität in London. Sie hat einmal durchgerechnet, was ein Austritt kosten würde. Und die Kosten seien auch wegen der Rechtslage bei den Anleihen gar nicht so hoch. (…) bereits im vierten Jahr käme das Land gestärkt aus der Katharsis hervor und könnte im fünften Jahr sogar kräftig wachsen. Nach unseren Berechnungen würde Italien bei einem Exit bereits 2020 das Wirtschaftsniveau von vor der Finanzkrise wieder erreichen, zwei Jahre schneller, als es der Internationale Währungsfonds aktuell für den Status quo errechnet hat, sagte Granville.” bto: Das ist doch wiederum sehr interessant. Es zeigt, dass es für kein Land so attraktiv ist, auszusteigen, wie für Italien, wie ich auf bto immer wieder betonte.

Quelle: Infografik DIE WELT

  • “Natürlich wolle sie ihre Berechnungen nicht als Masterplan für einen Austritt Italiens verstanden wissen. Aber vielleicht sei es besser, dem ökonomischen Leiden ein Ende zu bereiten. Als Alternative zum Austritt gebe es lediglich eine interne Abwertung durch niedrigere Löhne oder aber milliardenschwere Transfers.” bto: Deshalb sollen wir auch zahlen. Am besten wäre für Italien übrigens, wenn wir erst zahlen und sie dann trotzdem aussteigen. Sage keiner, das würden die nie machen!
  • “Sinnvoller wäre da wohl eine interne Abwertung (…) durch (…) die Einführung einer Parallelwährung. (…) Dabei gibt der italienische Staat Steuerzertifikate aus, die mit zukünftigen Steuereinnahmen hinterlegt sind. (…) Damit bekommt der Staat Euro und zieht künftige Steuereinnahmen in die Gegenwart vor. Die Papiere werden aber nicht in Euro zurückbezahlt, sondern es entwickelt sich ein Zweitmarkt, auf dem die Zertifikate gehandelt werden. Diese funktionieren dann wie eine abgewertete Zweitwährung.” bto: denkbar, aber vermutlich zu kompliziert.
  • In Wahrheit geht es aber darum, wie man Deutschland zum Zahlen bringt: “Der Regierung in Berlin müsse man mit konkreten Drohungen kommen. Sicher gehört die Einführung einer Parallelwährung dazu, ein Austritt aus der Euro-Zone auch.” bto: Und wir werden uns erpressen lassen. Deshalb läuft doch bei uns schon lange die Kampagne vom “Hauptnutznießer” des Euro.

welt.de: “In Italien entscheidet sich das Schicksal der Euro-Zone“, 4. Juli 2017