Spaniens vorbildliche Sünden

Ich schätze Thomas Fricke bekanntlich sehr. Doch in diesem Beitrag für SPIEGEL ONLINE ist er doch zu sehr in das Lager jener eingestiegen, die sagen, es sei doch alles paletti, wenn wir wieder mehr Schulden in Europa machen und damit das Wachstum stärken. Das heute-journal des ZDF hatte schon die Entscheidung der EU-Kommission gelobt, Portugal und Spanien mehr Zeit zu gewähren, um die Defizite zu senken. Da könnte man noch mangelndes ökonomisches Verständnis als Ursache vermuten. Bei Fricke wundert es mich dann schon, ist er doch hoffentlich nicht auf dem Weg, die Dinge zu beschönigen.

Nun zu Frickes Aussagen:

  • „Dass das spanische Staatsdefizit 2015 mit fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erneut über dem EU-Wunschwert von drei Prozent liegen würde, stand lange vor den Wahlen im Herbst fest, als Rajoy von Schäuble noch umarmt wurde. Seitdem hat sich da so viel nicht verändert. Auch nicht wirtschaftlich: Trotz des Wahl-Patts entwickelt sich das Geschäftsklima in Spanien nach Umfragen nicht schlechter als bei uns, dem aktuellen Hort wirtschaftsreligiöser Vorbildlichkeit. Mit rund 2,5 Prozent Wachstum wird Spanien nach jüngsten Prognosen auch 2016 an der Spitze der großen Euro-Länder liegen.“ – bto: Weshalb sollte das Geschäftsklima auch schlecht sein, wenn der Staat viel Geld ausgibt? Bekanntlich ist es erst schlecht, wenn der Staat pleite ist.
  • „Wenn Spaniens Wirtschaft aus der Rezession gekommen ist, dann, gerade weil die Regierung irgendwann aufgehört hat, wie irre Ausgaben zu kürzen und Steuern anzuheben. (…)  Den letzten großen Sanierungsschub gab es, gemessen am Abbau des strukturellen Staatsdefizits, 2013. Im Jahr 2014 wurde der Fehlbetrag kaum noch abgebaut, will heißen: den Menschen im Land kaum noch Geld abgenommen.“ – bto: Natürlich ist das super.
  • Dazu zeigte SPIEGEL ONLINE dann diese Bilder:

 

Sinkende Arbeitslosigkeit …
Arbeitslosigkeit in Spanien in Prozent
Quelle: EU-Kommission, 2016/2017: Prognose

… statt sinkender Schulden
Spaniens strukturelles Staatsdefizit* in Prozent 

 

  • Gewollte Nachricht: Wenn man nicht spart, dann wächst man mehr. Das kann aber doch niemanden wundern. Natürlich kann man sich aus der Pleite nicht heraussparen! Wachstum wäre schön. So sieht das auch Fricke: „Eine wachsende Wirtschaft scheint immer noch die beste Garantie für sprudelnde Steuereinnahmen und sinkende Staatsausgaben, etwa für Arbeitslose.

Was Fricke aber verschweigt, ist Folgendes: Dieses Wachstum ist vor allem über den gestiegenen Konsum getragen, nicht durch Exporte, weshalb das Land als Ganzes keine Schulden abbaut, sondern sich weiterhin verschuldet. Irgendwann sind die Schulden aber nicht mehr tragfähig. Entscheidend ist doch die Frage: Kann man sich aus der Pleite herauswachsen?

Nun, McKinsey hat die Antwort schon vor fast zwei Jahren gegeben:

Was gespart

Damit die spanische Schuldenquote stabil bliebe, müsste Spanien entweder 4,9 Prozent vom BIP sparen oder aber entsprechend schneller wachsen! Doch so schnell wächst die Wirtschaft noch lange nicht.

Fricke sieht – richtigerweise – die Sparpolitik als ungeeignet, um die Krise zu überwinden. Er suggeriert aber, man könne aus der Pleite herauswachsen. Doch das kann man nicht. Was zu der Frage führt: Wie will Fricke die Schulden loswerden: über Besteuerung der Vermögen/der Gläubiger, über eine einseitige Pleite, über eine Monetarisierung durch die EZB oder über Inflation? Und wer wird dabei wie viel verlieren?

Wer dem temporären nächsten Schuss für den Junkie lobt, der muss auch sagen, was danach kommt.

→ SPIEGEL ONLINE: „Widerstand gegen harten Sparkurs: Spaniens vorbildliche Sünden“, 20. Mai 2016