Sind die Käufe von Anleihen durch die Notenbanken wirklich neutral?

Der geschätzte Gerald Braunberger von der F.A.Z. – immer optimistisch und traditionell ein Unterstützer der Politik der Notenbanken – berichtet sichtlich erfreut von einer neuen Studie. Demnach war die Politik der Notenbanken in den letzten Jahren wirkungslos, weshalb auch das Ende dieser Politik keine Wirkungen haben wird. Kann sein. Wie wir allerdings gesehen haben, steigen die kurzfristigen Zinsen in den USA und damit der weltweite Spareckzins. Das kann ohne die Zentralbanken passieren, ist dennoch ein Alarmsignal.

Doch schauen wir uns die Argumentation an:

  • „Anleihekäufe funktionieren in der Praxis, auch wenn sie nach der Theorie nicht funktionieren sollten“, sagte der frühere Vorsitzende der Fed, Ben Bernanke, einmal. Die Idee ist, dass durch Anleihenkäufe die Renditen von Anleihen mit mittleren und längeren Laufzeiten sinken. Von den niedrigen Renditen enttäuschte Anleger mögen dann auf andere Anlagen wie Aktien oder Immobilien ausweichen, worauf deren Kurse steigen. Man verspricht sich davon eine Belebung der Wirtschaft und einen Anstieg der Inflationsrate auf das gewünschte Niveau von rund 2 Prozent.“ – bto: So ungefähr hat man sich das vorgestellt. Andererseits hat McKinsey schon vor Jahren vorgerechnet, dass es diesen Effekt nicht gibt. → McKinsey: QE and ultra-low interest rates: Distributional effects and risks  Die Studie der Bank of England hat den Zinsrückgang ebenfalls anders erklärt, nämlich mit Demografie und Ersparnisüberhängen etc.
  • „Schädliche Nebeneffekte wie eine eventuell ungleicher werdende Verteilung von Einkommen und Vermögen als Folge der Kursgewinne an den Vermögensmärkten werden von den meisten Geldpolitikern entweder relativiert oder bezweifelt. (…) Eine völlig andere Einschätzung der Wirkung von Anleihekäufen wird an den Finanzmärkten vertreten. Dort finden sich harte Kritiker, die (…) auf „eine Sozialisierung durch die Hintertür, die Enteignung der Sparer und Blasen an den Finanzmärkten“ als „dunkle Seite“ der Programme verweisen. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Anleihekäufe der Notenbanken erhebliche Einflüsse auf die Renditen von Anleihen sowie andere Finanzmarktpreise nehmen.“ – bto: Da könnte ich nun so argumentieren: Es ist egal, ob das stimmt oder nicht stimmt. Es ist viel entscheidender, was die Märkte glauben. Wenn die Märkte an die Wirkung glauben, werden sie auch an die negative Wirkung des Entzuges glauben. Und dann haben wir den Salat (wie wir schon sehen!).
  • „Eine dritte Ansicht (ist), dass die Wirkung selbst sehr großvolumiger Anleihekaufprogramme auf Finanzmärkte und Wirtschaft äußerst gering bleibe. (…) Ein Argument (…) lautet, dass Notenbanken im Zuge eines Kaufs von Anleihen der verkaufenden Geschäftsbank ein Guthaben einräumten. Aus der Sicht der verkaufenden Bank stellt sich das Geschäft als ein Tausch von Vermögensgegenständen dar: Sie verkauft eine Anleihe – meistens handelt es sich um Staatsanleihen – und erhält ein Guthaben bei einer in den meisten Fällen staatlichen Notenbank.“ – bto: Und dieser Ansicht neige ich inhaltlich auch zu. Das hat Steve Keen sehr anschaulich in einem Video erklärt, das ich schon vor Jahren hier verlinkt habe: → QE ist kein Gelddrucken Allerdings gilt der Punkt der Markterwartungen trotzdem. Es wirkt eigentlich nicht, aber dann faktisch doch, weil die Märkte es geglaubt haben. Hinzu kommt, wenn die Notenbank gezielt Anleihen kauft, wie zum Beispiel von Italien, beeinflusst sie sehr wohl die Zinsdifferenz und verzerrt Risikoindikatoren. So, wie es die Euro-Retter wünschen.
  • „Aus der Sicht des Privatsektors sieht ein Programm der Notenbank zum Kauf von Staatsanleihen so aus: Die Forderungen des Privatsektors gegenüber dem Staat bleiben unverändert. Es ändert sich nur die Fristigkeit der Forderungen. Anstelle von Staatsanleihen mit mittlerer und langer Laufzeit besitzt der Privatsektor Guthaben bei einer staatlichen Notenbank, deren Verzinsung jener von kurz laufenden staatlichen Wertpapieren ähnelt. Wenn sich aber nicht die Höhe der Forderungen der Privaten gegenüber dem Staat ändert, sondern nur deren Fristigkeit – warum sollen sich daraus großartige Folgen für die aktuelle Lage der Wirtschaft und der Finanzmärkte ergeben?“ – bto: Ja, das ist stimmig. Dennoch, siehe oben.
  • „In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Arbeiten unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gelangt, dass die sich über mehrere Jahre erstreckenden Anleihekäufe der Fed die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen nur um rund 1 Prozentpunkt gedrückt haben dürften. Für das Anleihekaufprogramm der EZB, das erst im Frühjahr 2015 begann, liegen noch nicht viele Untersuchungen vor. Aber auch sie gelangen zu dem Schluss, dass die Käufe der EZB die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe um rund einen Prozentpunkt gesenkt haben.“ – bto: Ich denke aber, dass es die Zinsdifferenz beeinflusst.
  • „Stattdessen (ist der) kurzfristige Leitzins (…) ein viel mächtigeres geldpolitisches Instrument als Anleihekäufe. Die Frage ist, ob die Fed im laufenden Aufschwung den Leitzins so weit erhöhen kann, dass sie in einer irgendwann drohenden nächsten Rezession über genügend zinspolitischen Spielraum verfügt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Fed in der nächsten Rezession wieder zu Anleihekaufprogrammen greifen muss, auch wenn deren Wirkungen unsicher sind, prognostiziert Joachim Fels von der Fondsgesellschaft Pimco.“ – bto: Das sind dann die Helikopter.

Letztlich geht es um Erwartungen in diesem Spiel. Ich denke, es gibt eine Wirkung auf die Zinsdifferenz. Auch der Punkt – den Braunberger am Schluss auch noch bringt, dass es schlichtweg Knappheitserscheinungen bei bestimmten besonders gesuchten Papieren wie Bundesanleihen gibt, leuchtet mir ein und unterstreicht wieder, dass es dann doch einen Effekt geben kann. Egal, wie man es sieht. In den kommenden Monaten werden wir sehen, ob es wirklich so harmlos ist.

F.A.Z.: “Anleihekäufe haben kaum Einfluss auf Renditen“, 28. Februar 2018