Selbst wenn Green­peace dafür ist, muss es nicht richtig sein

“Endlich” muss auch die EZB handeln, wenn es um den Klimawandel geht. Anleihen sollen nur noch gekauft werden, wenn es sich um “gute” Schuldner handelt. Gut bedeutet nicht mehr, “kreditwürdig”, sondern politisch korrekt. Konkret: klimaschonend. Nun kann man schon daran scheitern, dass es schlicht unmöglich ist, das genau zu beurteilen. Vor allem, weil es vielleicht neue Technologien sein werden, die in Zukunft die Probleme lösen und die heute noch gar nicht so gut eingestuft werden.

Zu denken geben sollte auch, wer alles auf die Überlegungen positiv reagiert. Nicht selten sind es genau jene Kräfte, die in einer “Abschaffung der bestehenden Wirtschaftsordnung” die Lösung der Probleme sehen. Und genau in diese Richtung wirken die Maßnahmen. Denn wenn man die effiziente Allokation von Mitteln verhindert, dann hat man nach dem wichtigsten Preis – dem Zins – auch noch die Allokation als Signal abgeschafft.

Die F.A.Z. zumindest berichtet erfreut von der Unterstützung, die die EZB von Greenpeace bekommt. Basis ist eine Studie in Kooperation mit der New Economics Foundation und drei britischen Hochschulen:

  • “These: Die Europäische Zentralbank (EZB) unterstütze mit ihren geldpolitischen Anleihekäufen überproportional große Unternehmen mit einer oftmals klimaschädlichen Ausrichtung. (…) Die Studie schlägt verschiedene Wege vor, wie die Notenbank ihre Regeln für die Anleihekäufe ergänzen oder sogar ganz abändern könnte, um weniger Anleihen von Unternehmen aus den Branchen Öl, Gas und Kohle dabeizuhaben, weniger Unternehmen mit hohen Emissionen und dafür mehr Anleihen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien.” – bto: Dies dürfte aber auch damit zusammenhängen, dass Großunternehmen die Anleihenmärkte dominieren.
  • “EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat es zu einem wichtigen Thema ihrer Amtszeit erklärt, den Klimaschutz auch durch die Notenbank stärker unterstützen zu wollen. (…) So sollen in der Bankenaufsicht Klimarisiken künftig eine stärkere Rolle spielen und bei den Investitionen der Notenbank in Anleihen für den eigenen Pensionsfonds schon nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden. Umstritten aber ist, ob auch die Geldpolitik selbst, und da vor allem die geldpolitischen Anleihekäufe, grüne Ziele verfolgen oder nur das Ziel der Preisstabilität, also den Kampf gegen Inflation, im Blick haben soll.” – bto: durch die damit verbundene Vermischung von Zielen parallel zu den anderen Aktivitäten im Klimaschutz wie beispielsweise die CO2-Abgaben. Ich bin immer für Transparenz und Klarheit und genau diese fehlt bei dieser Vorgehensweise.
  • “Die EZB selbst hat zwei Hilfsargumente eingeführt (…): Eines ist, dass aus dem Klimawandel irgendwann so starke Auswirkungen auf die Wirtschaft hervorgehen könnten, dass dies die Preisstabilität gefährde. Klimapolitik wäre damit ein natürlicher Teil der Geldpolitik. Das andere ist, dass es beim Thema Umwelt ein starkes Marktversagen und sogenannte externe Effekte gebe, so dass die Zentralbanker eingreifen müssten, um keine exzessiven Risiken einzugehen. (…) Wenn die Zentralbank Anleihen einfach nur nach dem Verhältnis kaufe, wie sie am Markt vorlägen, also nach dem bislang geltenden Prinzip der sogenannten „Marktneutralität“, dann gingen sie gleichsam dem Marktversagen auf den Leim, argumentierte Lagarde zuletzt.” – bto: Der Markt glaubt dann also nicht den Politikern und weil er das nicht tut, muss nachgeholfen werden?

Dazu dann diese Darstellung, die unterstreicht, dass unsere Wirtschaft immer noch an fossilen Energien hängt und damit diese Unternehmen auch die großen sind, die entsprechend Anleihen ausgeben, die man als Notenbank dann kauft bzw. als Sicherheit akzeptiert. Ein Bild also, was so aussehen muss in der heutigen Welt:

Quelle: F.A.Z.

 

  • “Unter den Unternehmensanleihen, die von der EZB bislang gekauft worden seien, machten die kohlenstoffintensiven Sektoren rund 62,7 Prozent aus. Das sei deutlich mehr als deren Anteil am Gesamtmarkt für europäische Anleihen. Noch stärker falle diese ‘Unwucht’ aus, wenn man sie mit dem Anteil dieser Unternehmen an der Beschäftigung (17,8 Prozent) und der Wertschöpfung in Europa (29,1 Prozent) vergleiche. Ähnlich sei es bei Unternehmen aus den Branchen rund um die Förderung fossiler Brennstoffe, bei energieintensiven Unternehmen und bei Transportunternehmen mit starker Umweltbelastung.” – bto: Das ist ja eine tolle Studie. In Deutschland beschäftigt der Mittelstand die Masse der Mitarbeiter, da dieser nur sehr selten Anleihen ausgibt, muss es eine solche Verzerrung geben.
  • “Als Grund meinen die Wissenschaftler Fehlanreize in den Kriterien der EZB für Anleihekäufe ausgemacht zu haben. Insbesondere große Unternehmen würden bevorzugt, dabei seien klimafreundliche Unternehmen oftmals eher klein und noch nicht so etabliert. Schließlich gehören zu den EZB-Kriterien für die Anleihekäufe etwa Rating, Fälligkeit, Emissionsvolumen und Laufzeit.” – bto: Der dahinter stehende, völlig veraltete Grundsatz lautet: Geld soll durch gute Sicherheiten einen Wert erhalten, nicht durch gute Absichten.
  • „‘Diese Kriterien begünstigen große Unternehmen mit hohem Finanzierungsbedarf und einer passenden Bonitätseinschätzung durch die etablierten Ratingagenturen, die bis heute jedoch noch keinen sinnvollen Umgang mit Klimarisiken für karbonisierte Geschäftsmodelle präsentiert haben und diese daher außer Acht lassen’, schreibt Greenpeace.” – bto: Man sollte dann aber mit Szenarien für diese Risiken arbeiten und nicht mit pauschalen Kapitalkostenmanipulationen, die ohnehin nur begrenzt wirken.
  • “Zwei Wege werden in der Studie beschrieben, wie die Notenbank ihre Praxis ändern könnte, um auf diese Bedenken einzugehen: Im ersten Szenario bleibt die EZB grundsätzlich bei ihren Auswahlkriterien für die Anleihen, schließt aber Anleihen, die einen schlechten Klimafußabdruck aufweisen, zugunsten von klimafreundlicheren Unternehmen aus. Im zweiten Szenario ändert die Notenbank ihre Kriterien grundsätzlich. Zusätzlich zur Bonitätsbewertung der Ratingagenturen wird auch eine Bewertung der Klimarisiken vorgenommen, und das strikte Investment-Grade-Kriterium – es darf sich nicht um sogenannten Ramschanleihen handeln – wird abgeschwächt. Die Folge wäre, dass klimafreundliche Unternehmen auch mit einem niedrigen Rating für das EZB-Programm infrage kämen, während Anleihen klimaschädlicher Unternehmen trotz Investment Grade nicht mehr gekauft werden dürften.” – bto: Das bedeutet, dass die Sicherheit hinter dem Geld, das wir verwenden, schlechter wird. Es bedeutet auch, dass es keinen Anreiz gibt, als “grüner Schuldner” die Bilanzqualität zu stärken, was aber in anderer Hinsicht wünschenswert sein könnte.

Ich bleibe bei meinem Fazit: Es führt zu einer falschen Sicherheit, besser wäre es gründlich zu analysieren. Das Vermischen der Ziele ist intransparent und damit ineffizient. Letztlich ist es nur die Vorbereitung für das eigentliche Ziel: die EZB-Finanzierung der als New Green Deal getarnten Konjunkturprogramme der Staaten.

faz.net: „Lagarde erhält ungewöhnliche Unterstützung“, 14. Oktober 2020