Selbst in den schwersten Zeiten …

Im Jahr 2010 erschien das Buch “Accelerating out of the Great Recession” von meinem Kollegen David Rhodes und mir. Es wurde mit dem “Get Abstract International Book Award” ausgezeichnet und erschien 2010 unter dem deutschen Titel “Nach der Krise ist vor dem Aufschwung”:

→ “Nach der Krise ist vor dem Aufschwung”

Angesichts der wohl größten ökonomischen Krise seit der Weltwirtschaftskrise, dachte ich mir, ich veröffentliche ab sofort Auszüge aus dem Buch auf bto. Heute beginne ich mit einem Blick in die Geschichte:

Rezessionen und die darauf folgenden Perioden mit niedrigen Wachstumsraten treffen alle Unternehmen. Das Management muss das Unternehmen nicht nur wohlbehalten durch das schwierige Umfeld zu steuern, sondern auch die Gelegenheit nutzen, die Wettbewerbsposition für die Zukunft zu verbessern.

Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die Rangordnung in Branchen meist gerade in schwierigen Zeiten aufbricht – und dass die in solchen Umbruchphasen errungenen Positionen anschließend über lange Zeiträume gehalten werden. Es geht während des Abschwungs also nicht nur ums Überleben, es geht um die langfristige Wettbewerbsposition. Dafür lohnt sich der Einsatz.

Aus keiner Periode der Wirtschaftsgeschichte lässt sich so viel darüber lernen, wie Unternehmen nach einer großen Krise Erfolg haben können, wie aus der Weltwirtschaftskrise. Die 1930er Jahre waren eine Zeit tiefer Umbrüche. Doch selbst in dieser Zeit überstanden gut geführte Unternehmen die Krise nicht nur mit soliden Ergebnissen, sondern mit den denkbar besten Startbedingungen für die Zeit danach. Wer seine Wettbewerber während der Weltwirtschaftskrise abhängte, bewies in der Folge meist eine überaus gute Performance – über Jahre und Jahrzehnte.

Eine kurze Geschichte der Weltwirtschaftskrise

„Meine Herren, Sie kommen sechzig Tage zu spät. Die Rezession ist vorbei.“ Mit diesen optimistischen Worten begrüßte US-Präsident Herbert Hoover im Juni 1930 eine Delegation von Bankvertretern und kirchlichen Würdenträgern, die aus Sorge um die wachsende Arbeitslosigkeit das Weiße Haus aufsuchten. Die ökonomischen Eckdaten wiesen in den USA damals tatsächlich auf eine Normalisierung hin. Die Harvard Economic Society prognostizierte für die zweite Jahreshälfte 1930 sogar einen Aufschwung. Der Dow-Jones-Index, der zwischen September und November 1929 um 36 Prozent gefallen war, machte in den folgenden sechs Monaten die Hälfte dieser Verluste wieder wett. Aber das war nur ein kurzlebiger Anstieg, wie er sich nach einer steilen Abwärtsbewegung oft beobachten lässt. Die schlimmste Phase der Weltwirtschaftskrise stand 1930 erst noch bevor.

Die Große Depression ist aus vielen Gründen eine kulturelle Zäsur. Sie war die längste und tiefste Rezession unserer Zeit. In den Vereinigten Staaten schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt zwischen 1929 und 1933 um 26 Prozent, eine anhaltende Wachstumsphase begann erst wieder mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Der Crash und der folgende wirtschaftliche Einbruch trafen die Amerikaner mehr als jede andere Finanzkrise. Über 9.000 Banken (20 Prozent aller US-Banken) brachen in dieser Zeit zusammen, mit ihnen wurden 10 Prozent aller privaten Ersparnisse in den USA vernichtet. Zudem war die Weltwirtschaftskrise mehr als jeder Abschwung davor und danach ein internationales Phänomen. Auf der ganzen Welt gingen Volkswirtschaften in die Knie, und da die Regierungen ihre heimischen Märkte schützen wollten, schrumpfte der Welthandel um fast zwei Drittel von 2,998 Milliarden Dollar im Januar 1929 auf 992 Millionen Dollar vier Jahre später.

Diese vier Jahre gehören zu den finstersten der Wirtschaftsgeschichte. In den USA halbierte sich die Industrieproduktion fast. Der Verbrauch sank um ein Viertel – was den Handel vor extrem schwierige Bedingungen stellte. Die Unternehmensgewinne gingen um 131 Prozent zurück, der Dow-Jones um 89 Prozent. Die Arbeitslosenrate stieg von 3,2 Prozent im Jahr 1929 auf 25 Prozent 1933 und lag 1939 immer noch bei 17 Prozent.

Mit der Wahl von Franklin D. Roosevelt zum Präsidenten 1932 und seinem Programm des „New Deal“ ab 1933 begann eine expansive Steuer- und Geldpolitik. Vor der Weltwirtschaftskrise hatte der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt bei 9 Prozent gelegen, 1939 betrug er 16 Prozent. Auch wenn sich die ökonomischen Bedingungen ab 1933 besserten, verlief die Erholung doch alles andere als gleichmäßig. 1937 und 1938 erlebten die USA eine neuerliche Rezession, weil die Regierung in dem Bemühen um eine Haushaltskonsolidierung die Zahlungen an Veteranen des Ersten Weltkriegs auslaufen ließ (eine Art fiskalischer Anreiz) und zum ersten Mal überhaupt eine Sozialversicherungssteuer erhob. Erst durch die Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg stabilisierte sich das Wachstum.

Die Weltwirtschaftskrise bewirkte größere Veränderungen in Gesellschaft und Politik als jede andere Epoche. Die Sparraten sowohl von Privatpersonen wie von Unternehmen stiegen, die Verschuldung sank. Genügsamkeit wurde zur Regel.

Die aktuelle Schulden- und Finanzkrise, die “Große Rezession”, ist der schlimmste Abschwung seit der Weltwirtschaftskrise und wird ähnlich gravierende Auswirkungen haben. Wenn Mark Twains berühmtes Bonmot zutrifft, wiederholt Geschichte sich nicht, aber sie reimt sich. Dabei hallt das Echo aus der Vergangenheit lauter wider, als wir uns gewünscht hätten.

Lehren aus der Geschichte

Zur Einstimmung wollen wir uns zunächst das Schicksal der Autoindustrie während der Großen Depression ansehen: Damals legten General Motors und Chrysler den Grundstein für ihre vier Jahrzehnte währende Erfolgsgeschichte.

Nicht anders als heute gehörten die Autobauer damals zu den von der Krise am stärksten betroffenen Branchen. Zwischen 1929 und 1932 ging der Neuwagenverkauf um 75 Prozent zurück; im Jahr 1932 wiesen die Hersteller einen Verlust von zusammen 191 Millionen Dollar aus (nach heutigem Wert 2,9 Milliarden Dollar); das entsprach 25 Prozent des Branchenumsatzes. Drei Jahre zuvor hatten sich die Gewinne noch auf 413 Millionen Dollar oder 14 Prozent des Branchenumsatzes belaufen. Das hoch profitable Luxussegment verschwand buchstäblich komplett vom Markt. Der Anteil preisgünstiger Wagen an den Verkäufen stieg von 40 Prozent im Jahr 1929 auf 80 Prozent 1933 und verharrte während des Aufschwungs und darüber hinaus bei 60 Prozent. Der Hälfte der Autohersteller blieb daher nichts anderes übrig, als die Fabriktore für immer zu schließen.

Angesichts der Probleme der US-Autoindustrie in der jüngsten Krise mag es merkwürdig scheinen, ausgerechnet die US-Autoindustrie als Beispiel für erfolgreiches Wirtschaften in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld heranzuziehen. In den 1930er Jahren glänzten Chrysler und General Motors jedoch mit einer außerordentlichen Performance. General Motors schrieb während der gesamten Weltwirtschaftskrise schwarze Zahlen, Chrysler rutschte nur in einem einzigen Jahr in die Verlustzone.

Vor der Weltwirtschaftskrise war der Automarkt dreigeteilt: General Motors und die Ford Motor Company hielten je ein Drittel Marktanteil. Das verbleibende Drittel teilten sich mehrere kleinere Hersteller. Während der Großen Depression steigerten General Motors und Chrysler ihren Anteil am Markt um 15 bzw. 19 Prozentpunkte. Untätigkeit und Fehlentscheidungen schmälerten hingegen den Marktanteil von Ford beträchtlich und bedeuteten für die kleineren Wettbewerber sogar das endgültige Aus.

Im Unterschied zur Konkurrenz deuteten General Motors und Chrysler die Zeichen der neuen Realitäten richtig und nutzten sie zu ihrem Vorteil. Sie erkannten die Chancen in der Weltwirtschaftskrise und vermochten sich anzupassen. Das Geheimnis ihres Erfolgs lag darin, dass sie sowohl Defensiv- wie Offensivstrategien anwendeten.

General Motors – schnelles, entschlossenes, umfassendes Handeln

Bei General Motors hatte man keineswegs die Weltwirtschaftskrise früher erkannt als bei den Wettbewerbern. Alfred P. Sloan, 1923 bis 1956 zunächst Präsident, dann Chairman von GM, erklärte: „Es wäre gelogen, wenn wir irgendwelche Vorahnungen für uns reklamieren würden; wir haben die Weltwirtschaftskrise so wenig kommen sehen wie alle anderen (…) Wir haben nur gelernt, schnell zu reagieren. Das war vielleicht der größte Gewinn, den wir aus unserem Controllingsystem zogen.“[i]

Dank dieses Systems konnte General Motors rasch auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen der 1930er Jahre reagieren. Das Unternehmen senkte seine Kosten drastisch: Fabriken wurden eingemottet, Arbeiter entlassen, die Produktion der Premium-Modelle sofort zurückgefahren, die Gewinnschwelle der Marke Chevrolet (die das untere Preisspektrum abdeckte) um ein Drittel gedrückt. Um die Lager zu räumen, senkte GM die Preise für die teuren Automobile um bis zu 70 Prozent – eine Maßnahme, die unter anderen Umständen völlig undenkbar gewesen wäre. Da General Motors kaum Beteiligungen an Lieferanten (Rückwärtsintegration) hatte, konnte das Unternehmen die Fixkosten niedrig halten und einen Teil der Volumenrisiken auf die Lieferanten abwälzen. So war GM in der Lage, die Produktion schlagartig zurückzufahren, als die Nachfrage einbrach. Um die Lagerhaltung zu reduzieren und die Kapazitätsnutzung flexibel zu halten, verwendete der Autobauer für seine verschiedenen Marken die gleichen Motoren und Teile. Zudem wurden die Vertriebsabteilungen für die Mittelklassewagen zusammengelegt, um die Distribution effizienter zu gestalten und die Kapazitäten im Verkauf besser auszulasten.

Der Erfolg von General Motors während der Großen Depression verdankte sich vor allem der Entscheidung, das Produktangebot den veränderten Bedürfnissen einer Kundschaft anzupassen, die nicht mehr so viel Geld ausgeben konnte: Es entstand das „Auto für jeden Zweck und jeden Geldbeutel“, wie Sloan es ausdrückte. GM expandierte massiv in das untere Preissegment und verlagerte den Schwerpunkt von Luxuslimousinen auf die Massenmarke Chevrolet. Deren Werbebudget wurde erhöht und den Kunden wurde eine Finanzierung angeboten – in Zeiten, als die Banken kein Geld verliehen, war das ein attraktives Paket. Im Ergebnis gewann General Motors Marktanteile und konnte für vergleichbare Produkte höhere Preise verlangen als Ford.

Chrysler – Aufstieg in die erste Liga

Die Geschichte von Chrysler beweist, dass selbst in den denkbar schwierigsten Zeiten ein entschlossener strategischer Angriff erfolgreich sein kann. Für den Dritten der „Big Three“ von Detroit war die Weltwirtschaftskrise der entscheidende Wendepunkt – erst in dieser Zeit stieg Chrysler vom Branchenneuling in die erste Riege der Autobauer auf. 1925 gegründet, hatte Chrysler 1928 mit dem viel kleineren Autohersteller Dodge fusioniert und damit zwar an Größe gewonnen, erreichte aber zu Beginn der Großen Depression trotzdem nur einen Marktanteil von 8 Prozent.

Wie General Motors hatte sich Chrysler für geringe Rückwärtsintegration entschieden und besaß dadurch mehr Flexibilität als die meisten Konkurrenten. Chrysler ergriff Maßnahmen, die bis heute eingesetzt werden: Als die Umsätze 1930 zurückgingen, wurden Fabriken geschlossen, Arbeiter entlassen und die Verwaltungskosten um fast ein Drittel gesenkt. Es war zunächst nicht leicht, die Einsparungen durchzusetzen. Die Bereichsverantwortlichen wollten nicht sparen, sondern forderten im Gegenteil eine Erhöhung ihrer Budgets. Daraufhin ließ sich Walter Chrysler etwas einfallen, um die leitenden Manager vom Ernst der Lage zu überzeugen und zum Handeln zu bewegen:

Walter P. Chrysler rief Anfang 1930 seine Führungsmannschaft zusammen und bestand auf Einsparungen in Höhe von 30 Prozent für jede Abteilung. Die meisten Manager reagierten mit dem Vorschlag, die Ausgaben stattdessen zu erhöhen. Die Entwicklungsabteilung argumentierte mit der Notwendigkeit neuer Produkte, der Vertrieb brauchte angeblich mehr Ressourcen, und K. T. Keller [Chef von Dodge] wollte den Maschinenpark erneuern. Chrysler ärgerte sich über die Reaktionen und bat seinen Finanzleiter B. E. Hutchinson, die Gehaltslisten zu holen. Halb scherzhaft schlug er vor, alle zu entlassen, die im letzten Drittel des Buches aufgeführt waren. Am nächsten Tag legten die Bereichsleiter die geforderten konkreten Kürzungsvorschläge vor.[ii]

Die eigentliche Stärke von Chrysler lag jedoch in der Konzentration auf mehr Effizienz – ein Wettbewerbsvorteil in allen Wirtschaftslagen. Um die Nachteile zu kompensieren, die sich aus den im Vergleich zu den Branchenriesen General Motors und Ford viel geringeren Stückzahlen ergaben, steigerte Chrysler die Produktivität um 50 Prozent. Bei Chrysler liefen 90 Plymouth pro Stunde vom Band, die Konkurrenten schafften in derselben Zeitspanne gerade einmal 60 Wagen ihrer Billigmarken. Zwar verkaufte Chrysler nur halb so viele Plymouth, wie GM Chevrolets absetzte, diese aber mit 70 Prozent mehr Gewinn pro Stück.

Neben dem strikten Kostenmanagement gelang es Chrysler, die Einnahmenseite zu stärken. Mitten in der Krise hatte der Autobauer den Mut, für den Plymouth neue Verkaufsstellen zu eröffnen und Werbung und Marketing auszuweiten (immerhin waren die Anzeigenpreise auch gefallen): Die Unternehmensleitung hatte begriffen, dass in einer tiefen Rezession nur ein preisgünstiges Auto Umsatz schafft. Während der Absatz hochpreisiger Marken abstürzte, verkaufte sich der Plymouth prächtig.

Chrysler bewältigte nicht nur die Weltwirtschaftskrise erfolgreich, das Unternehmen behielt auch die Zukunft im Blick. Im Rahmen von Roosevelts New Deal wurde das Straßennetz – vor allem die Highways – ausgebaut, und Chrysler erkannte, dass dies die Nachfrage nach schnelleren Autos mit mehr PS steigern würde. Deshalb investierte der Autobauer trotz der schweren Zeiten in Forschung und Entwicklung, nutzte als erster Hersteller Windkanäle, um Designern und Ingenieuren Messdaten an die Hand zu geben, mit denen sie die Aerodynamik verbessern konnten. Das Stromliniendesign des Chrysler Airflow und die neuartige Bauweise mit steiferem Karosseriekörper und geringerem Leistungsgewicht wurden rasch zum Branchenstandard.

Chrysler wurde von einem starken Mann – Walter Chrysler – geleitet, der sich wiederum mit starken Mitarbeitern umgeben hatte. Das war das eigentliche Geheimnis, weshalb es Chrysler gelang, an so vielen Fronten gleichzeitig so große Fortschritte zu machen.

Ford – hohe Kosten und mangelnde Flexibilität als Wettbewerbsnachteile

Ford hatte die Massenproduktion von Autos erfunden. Man hätte meinen sollen, dieser Pionier des preiswerten Automobils sei für die Weltwirtschaftskrise bestens aufgestellt gewesen. Das Gegenteil war der Fall: Mangelnde Flexibilität und unentschlossenes Agieren führten dazu, dass die Umsätze sanken und Ford 12 Prozentpunkte Marktanteil verlor. Statt zum Marktführer aufzusteigen, fiel es auf einen schwachen dritten Platz zurück. In stärkerem Maße als seine Konkurrenten war Ford vertikal integriert und bekam wegen der hohen Fixkosten in der Produktion den Umsatzrückgang finanziell mit voller Wucht zu spüren. Laxes Controlling und schlechtes Management erschwerten Kostensenkungen. Aus dieser Unfähigkeit erklärt sich der Versuch, mitten in der Weltwirtschaftskrise die Preise zu erhöhen, was die Probleme zusätzlich verschärfte.

Ford wurde zudem ein Opfer der neuen Realitäten der Großen Depression – einer Realität, die heute wieder aktuell ist: Während General Motors ausländische Autohersteller aufkaufte und diese für ausländische Märkte produzieren ließ, stellte Ford die Teile in den Vereinigten Staaten her und ließ sie im Ausland zusammenbauen. So war Ford dem wachsenden Protektionismus ausgeliefert und musste auf bestimmte Teile Zölle in Höhe von fast 100 Prozent entrichten.

Zu allem Überfluss wurde Ford von dem V6-Motor überrascht, den Chevrolet 1928 auf den Markt gebracht hatte, und bildete bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrise in puncto Innovation das Schlusslicht. Ford zog zwar 1932 mit einem neuen V8-Modell nach, dies entsprach jedoch nicht den Bedürfnissen der Verbraucher: Der Motor war teurer und weniger zuverlässig als der der Konkurrenz.

Wie wir wissen, hat Ford die Große Depression überstanden. Doch es sollte viele Jahre dauern, bis das Unternehmen die verlorenen Marktanteile wenigstens teilweise zurückgewinnen konnte.

Die kleineren Konkurrenten

Die kleineren Autobauer konzentrierten sich fast alle auf das mittel- bis hochpreisige Segment und waren, als die Nachfrage wegbrach, massiv von Einnahmerückgängen betroffen. Sie schafften es nicht, schnell genug die Kosten zu senken und preiswerte Modelle zu bauen. Außer Chrysler meldeten die meisten Konkurs an oder verloren so viele Marktanteile, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Der Luxusautobauer Packard präsentierte erst 1935 einen Mittelklassewagen.

1937 fusionierte Nash Motors mit dem Haushaltsgerätehersteller Kelvinator (vermutlich wegen falsch verstandener Synergieeffekte) – eine reichlich ausgefallene Kombination, die zur Erfindung einer Heißwasserheizung und einer Gangschaltung, die Elemente der Staubsaugertechnik übernahm, führte. Doch wegen seines geringen Marktanteils und der damit einhergehenden Größennachteile konnte das Unternehmen keinen Gewinn aus seinen Erfindungen ziehen.

Mitte der 1950er-Jahre war keiner der kleineren Autohersteller mehr selbstständig. Den Boden, den sie während der Weltwirtschaftskrise verloren hatten, haben sie nicht mehr zurückerobern können.

Das Beispiel der US-Autoindustrie in den 1930er Jahren verdeutlicht die enormen Risiken, aber auch die Chancen in Zeiten erhöhter wirtschaftlicher Volatilität. Im siebten und achten Kapitel werden wir die Defensiv- und Offensivstrategien beschreiben, die dem Erfolg leistungsstarker Unternehmen in Abschwungphasen zugrunde lagen.

[i] Robert Sobel: The Age of Giant Corporations: A Microeconomic History of American Business, 1914–1984. Westport: Greenwood 1984.

[ii] Charles K. Hyde: Riding the Roller Coaster: A History of the Chrysler Corporation. Detroit: Wayne State University Press 2003, S. 79.