Sechs Pro­zent wohnen in den falschen Woh­nungen

Am kommenden Sonntag (23. April 2023) geht es im Podcast um die Lage am deutschen Immobilienmarkt. 

Zur Einstimmung, wie immer ein paar Beiträge. Heute eine Kurzstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln:

  • „Laut der Definition von Eurostat (o. J.) gilt eine Wohnung grundsätzlich dann als überbelegt, wenn nicht für jede Person im Haushalt rechnerisch ein Raum zur Verfügung steht. Dies gilt etwa dann, wenn ein Paar mit einem Kind nur in einer 2-Zimmer-Wohnung lebt oder wenn es bei zwei Kindern im jugendlichen Alter nur ein Kinderzimmer gibt. (…)“ – bto: Es geht dem IW hier darum, das Problem am Wohnungsmarkt anders zu definieren als nur nach der Belastung der Einkommen – also größer.
  • „Das Phänomen der Überbelegung spielt in ländlichen Kommunen und abseits der großen Ballungsgebiete kaum eine Rolle, in Gemeinden unter 2.000 Einwohnern sind zum Beispiel nur 1 Prozent der Haushalte betroffen. Anders sieht es aber in den deutschen Großstädten aus, hier wohnten im Jahr 2020 6 Prozent der Haushalte in rechnerisch zu kleinen Wohnungen.“ – bto: … wie gesagt, größer. Wobei man dieser Argumentation durchaus folgen kann.
  • „Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in Großstädten sehr viele Single-Haushalte leben, die per Definition nicht von Überbelegung betroffen sein können. Entsprechend kumuliert sich das Problem bei einigen Gruppen besonders. So lebten im Jahr 2020 ein Drittel der Familien in überbelegten Wohnungen, bei den Haushalten mit direktem Migrationshintergrund waren es ein Fünftel.“ – bto: Quasi im Nebensatz wird hier einer der wesentlichen Faktoren für das Problem genannt: die Tatsache, dass immer mehr Menschen allein wohnen.
  • „Die Quote der Überbelegung ist damit gerade im Vergleich zur Wohnkostenbelastung ein besserer Indikator für die Lage am Wohnungsmarkt. Denn die Wohnkostenbelastung – also der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen – zeigt über die letzten 10 Jahre eigentlich keinerlei Veränderungen und bleibt konstant bei einem Niveau von rund 25 Prozent in den Großstädten. Ursächlich hierfür sind zum einen positive Einkommensentwicklungen, geringe Anstiege von Mieten im Bestand und eben die Reaktionen vieler Haushalte nicht umzuziehen, was dann zur Überbelegung führt.“ – bto: Ich könnte auch sagen, es ist eigentlich kein großes, sondern sehr regionales Problem und dabei vor allem die Folge von bestimmten Lifestyle-Entscheidungen, aber eben kein gesamtgesellschaftliches Problem.
  • „Anfang der 1990er Jahre war die Überbelegung besonders groß. (…) In der Spitze erreichte die Überbelegung in den deutschen Städten einen Wert von 37 Prozent bei Familien mit Kindern. Danach ging die Überbelegung deutlich zurück, weil die Zuwanderung in die Großstädte nachließ und die Bautätigkeit sehr stark angestiegen war – allein 1994 wurden in Deutschland über 600.000 Wohnungen gebaut. In der Folge sank die Quote bis auf 23 Prozent im Jahr 2008 bei Familien und 5 Prozent bei allen Mieterhaushalten.
  • „Tatsächlich war der Wohnungsmarkt in dieser Phase sehr entspannt, die Mieten stagnierten im Wesentlichen, die Einwohnerentwicklung der Großstädte war verhalten.“ – bto: Nicht nur das: Es gab Leerstand und die Mieten sanken zum Teil sogar. Bauen hilft wirklich.
  • „Mit dem Anstieg der Zuwanderung aus dem In- und Ausland in die Großstädte ist dann die Überbelegungsquote bei Familien wieder deutlich gestiegen und erreichte im Jahr 2018 wiederum 37 Prozent in dieser Gruppe.“ – bto: So viel zum „Wir schaffen das“… Wir haben großzügig humanitäre Hilfe geleistet, aber unsere simplen Hausaufgaben nicht gemacht, nämlich für Wohnraum und Bildung zu sorgen.
  • „Das Gegenstück zu Haushalten in zu beengten Wohnungen sind solche, die in sehr großzügigen Wohnungen leben. Annahmegemäß sind dies im Folgenden Haushalte, in denen die Zahl der Zimmer die Zahl der Haushaltsmitglieder um 3 und mehr überschreitet – also etwa der Single-Haushalt in einer 4-Zimmer-Wohnung. Dies gilt in den Großstädten für 6 Prozent der Mieterhaushalte. Rechnerisch könnte die Überbelegung also ausgeglichen werden. (…).“ – bto: Man kann es so ausdrücken: Weil wir Millionen Zuwanderer ohne Plan in das Land geholt haben, nicht die nötigen Investitionen in Infrastruktur etc. geleistet haben, sollen nun Menschen, die in „zu großen“ Wohnungen leben, diese den Zuwanderern überlassen. Ich denke noch an Heiko Maas, der im TV unwidersprochen behaupten durfte, dass „niemandem in Deutschland etwas weggenommen würde“ wegen der Zuwanderung.
  • „Nichtsdestotrotz deuten die Zahlen aber auf ein gewisses Tauschpotenzial hin, insbesondere mit Blick auf ältere Haushalte. So leben 9 Prozent der Haushalte mit einem Haushaltsvorstand über 70 Jahre in sehr großzügigen Wohnungen. Dies dürfte im Wesentlichen auf den Remanenzeffekt zurückzuführen sein, wonach Haushalte oft auch dann nicht umziehen, wenn die Kinder ausziehen oder der Partner verstirbt. (…)“ – bto: Also denkt die Politik über geeignete Maßnahmen nach, um diesen Tausch zu befördern.
  • „Ursächlich für den starken Anstieg seit 2017 dürfte paradoxerweise dennoch die noch stärkere Anspannung im Markt sein. Zwar setzen die hohen Neuvertragsmieten Anreize, eher kleinere Wohnungen anzumieten, bei Bestandsmietern in großen Wohnungen wirkt aber der zunehmende Unterschied zwischen den Bestands- und Neuvertragsmieten in die andere Richtung, sprich ein Verbleib in einer eigentlich zu großen Wohnung ist günstiger.“ – bto: Denn die Regulierung durch den Staat führt dazu, dass es billiger ist, in einer zu großen Wohnung zu bleiben. Hier soll – siehe Programm der Grünen – ein Tausch organisiert werden, natürlich ohne Mieterhöhung und Mitsprache des Eigentümers.
  • „Eine zusätzliche Belastung der Bestandsmieter durch ein Anheben der Bestandsmieten erscheint in der aktuellen Lage aber kaum angemessen. Allerdings ist zu vermuten, dass bereits die Energiekrise für eine passendere Auswahl der Wohnungen sorgt. Da die Energiekosten zu einem erheblichen Teil über die Wohnfläche bestimmt werden, gibt es nun für Haushalte in sehr großzügigen Wohnungen mehr Anreize, in eine kleinere Wohnung zu ziehen.“ – bto: Vielleicht ist das das eigentliche Ziel von Habeck mit seiner Heizungstauschpflicht?
  • Zum Schluss erinnert das IW noch daran, was normale Politik machen würde: „Ganz entscheidend ist es, die Bautätigkeit hochzuhalten, was aufgrund steigender Baukosten und zinsbedingt nachlassender Nachfrage schwierig ist. Zumindest sollten die Städte aber bei der Baulandausweisung nicht nachlassen. Darüber hinaus bedarf es verstärkt Maßnahmen, um im Bestand neue Wohnungen zu errichten. Neben Dachausbauten sollten auch Aufstockungen aktiv befördert werden, ebenso wie die Schaffung von Einliegerwohnungen, gerade bei selbstgenutztem Wohneigentum.“ – bto: Das wird nicht passieren, widerspricht es doch der vorherrschenden Ideologie.

→ iwkoeln.de: „Mismatch am Wohnungsmarkt“, 25. Januar 2023