Schulden: Große Staaten lassen sich nichts vor­schreiben

Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe warnt in einem Interview mit der WELT vor den Folgen massiver Staatsverschuldung. Eine Warnung, die wir durchaus ernst nehmen sollten. Ich denke aber, dass wir den Point of no Return bereits lange hinter uns gelassen haben. Schauen wir uns die Kernaussagen an:

  • “Diese Schuldenlage ist historisch ohne Vorbild. In früheren Zeiten waren Kriege in der Regel der Grund für eine stark steigende Staatsverschuldung. (…) Dass sich Staaten extrem hoch verschulden, um Kriseninterventionen zu betreiben, ist neu, und deshalb lassen sich die Erfolgsaussichten nicht vorhersagen: Es ist ein Test ohne große historische Erfahrung, und die Erfahrungen, die es aus den 70er-Jahren gibt, sind nicht vielversprechend.” – bto: Sie sind aber ein Hinweis, in welche Richtung das Ganze gehen dürfte: in eine Welt der Geldentwertung, die vor allem die Deutschen hart treffen würde.
  • “Die Politik vertraut auf die Idee der sich selbst vertilgenden Staatsschuld. John Maynard Keynes hat die Theorie vor dem Hintergrund der 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise entwickelt. Der Staat soll mit Krediten Investitionen und Konsum fördern, um so Wachstum anzureizen, das wiederum staatliche Einnahmen bringt, mit denen die Schulden dann zurückgezahlt werden.” – bto: was aber dann – so die Erfahrung der 70er-Jahre – auf die Werner Plumpe abhebt, nie der Fall war. Die Schulden wurden weder getilgt, noch sind sie relativ zum BIP zurückgegangen.
  • “Ist der Staat bei der eigenen Bevölkerung verschuldet, dann ist eine Währungsreform das Mittel der Wahl. Die Deutschen haben das zwei Mal im 20. Jahrhundert erlebt. 1948 wurden so aus 100 Mark 6,50 Mark. Durch eine solche Enteignung wird der Staat seine Schulden los. Schwieriger ist es mit internationalen Kreditgebern, die oft in der Lage sind, harte Anpassungsmaßnahmen zu erzwingen, um ihr Geld wiederzubekommen.” – bto: und in der Eurozone? Wie soll es denn da funktionieren? Eine Währungsreform wäre sicherlich theoretisch angebracht, aber praktisch schwer zu realisieren. Zudem gibt es erhebliche Verteilungswirkungen zwischen den Ländern.
  • “Die USA schafften es nach dem Zweiten Weltkrieg, von ihrem hohen Schuldenstand wieder runterzukommen. Die Amerikaner hatten damals das Zinsniveau gedeckelt und erzielten hohe Wachstumsraten bei einer über dem Zinsniveau liegenden Inflationsrate. (…) Und darauf will jetzt auch die Europäische Zentralbank hinaus: eine höhere Inflation bei gleichzeitig niedrigen Zinsen und höherem Wirtschaftswachstum. Dann soll der Schuldenberg wie Schnee in der Sonne schmelzen. Zwar bedeutet auch dieser Weg eine finanzielle Repression, also Wohlstandsverlust. Doch wäre das weniger spürbar als eine Enteignung über eine Währungsreform.” – bto: Wenn es so einfach wäre, hätten wir die Inflation bereits. Aber wie immer wieder von mir geschrieben, dürfte der Green Deal der heimliche Weg sein, um das Schuldenproblem zu lösen.
  • “Das kann nur gelingen, wenn die EU erhebliche Produktivitätsfortschritte erreicht – und das ist leider nicht zu sehen. Jetzt wird so getan, als ginge es vielen EU-Staaten wegen Corona schlecht. Doch tatsächlich befanden sich Länder wie Italien oder Frankreich schon vor der Pandemie wirtschaftlich im Niedergang. Die fehlende wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit einiger Mitgliedstaaten ist die Wurzel des Übels. Und die europäische Krisenpolitik ändert an dem Grundproblem gar nichts, sondern verschärft es stattdessen.” – bto: richtig, weil die Mittel konsumptiv verwendet werden.
  • “Die gemeinsame Schuldenaufnahme begünstigt Länder wie Italien oder Frankreich, die ansonsten höhere Zinsen für neue Kredite zahlen müssten. Mit den gemeinsamen Schulden nimmt man den Reformdruck von diesen Ländern. Ohne Wachstum werden die Schulden irgendwann erdrückend. Historisch führten solche Wege oft zu brachialen Lösungen wie einer Währungsreform, die auch mit dem Euro möglich wäre. Die Alternative wären anhaltende Transfers vom Norden in den Süden. Doch auf Dauer funktioniert auch die Subventionierung nicht mehr, spätestens wenn ein Teil der Länder – zum Beispiel die „sparsamen vier“, also Schweden, die Niederlande, Dänemark und Österreich – aussteigen, weil sie sich das nicht mehr leisten wollen. Die sogenannte Solidarität, die jetzt beschworen wird, birgt also große Risiken.” – bto: Vor allem übersteigt sie die deutsche Leistungsfähigkeit auf Dauer auch. Ich denke an unsere Probleme in wichtigen Schlüsselindustrien.
  • “Die Bereitschaft zu Reformen muss aus den Ländern selbst kommen. Leider zeigt sich aber auch in Frankreich, wo entsprechende Bemühungen von Präsident Macron blockiert wurden, wie groß die Widerstände sind. Höhere Staatsschulden sind kurzfristig der leichtere Weg.” – bto: und die Deutschen dafür bezahlen zu lassen! Durchweg smart – und die Dummen sind selber schuld!
  • “(…) für die EZB ist die Erhaltung der Euro-Zone das übergeordnete Ziel, nicht die Geldwertstabilität. Mit dem Kauf von Staatsanleihen betreibt sie erkennbar eine monetäre Staatsfinanzierung, zumal sie Ländern wie Italien entgegen der ursprünglichen Quotenregelung überproportional viele Anleihen abnimmt. Nach den EU-Verträgen ist eine monetäre Staatsfinanzierung ausdrücklich unzulässig, aber die roten Linien werden von der EZB stetig weiterverschoben. Und die nationalen Regierungen lassen das zu.” – bto: “lassen das zu”? Nur wir lassen es zu, die anderen fördern das durch die zunehmende Politisierung der EZB.

welt.de (Anmeldung erforderlich): „„Jetzt wird so getan, als ginge es vielen EU-Staaten wegen Corona schlecht““, 29. Oktober 2020