Russell Napier über die inten­sivierte finan­zielle Repression

Russell Napier habe ich schon mehrfach zitiert.

Die globale Geldordnung ist am Ende
Schleichende Ent­eignung
Warum nun die Trend­wende von Dis-Infla­tion zu Infla­tion droht (I)
Warum nun die Trend­wende von Dis-Infla­tion zu Infla­tion droht (II)
Regimewechsel zur Inflation

In der FINANZ und WIRTSCHAFT hat er sich erneut geäußert. Das Interview erschien im November 2021, hat aber von seiner Aktualität noch nichts eingebüßt.

  • “Die grösste Überraschung ist für mich definitiv der Goldpreis. Die Inflation ist stark gestiegen, die Zinsen deutlich weniger, und die Realzinsen sind vielerorts negativ. Dennoch hat sich der Goldpreis kaum ­bewegt. (…) Als die Aktienmärkte im März 2020 eine Kernschmelze hatten, flohen viele Anleger in Gold. (…) Sobald sich die Aktien erholt hatten, verkauften diese Anleger ihr Gold und stiegen wieder in Aktien ein. Dieser Überhang dämpft weiterhin die Preisdynamik bei Gold. Aber das wird nicht ewig dauern.” – bto: Ich schließe nicht aus, dass auch von interessierter Seite der Deckel draufgehalten wurde.
  • “In einem stark fremdfinanzierten System wird Deflation zu Konkursen führen, und die Anleger sorgen sich um die Solvenz. Also wählen sie Gold als sicheren Hafen, der kein Gegenparteirisiko hat. (…) Gold entwickelt sich gut in einer Welt, in der die Realzinsen sehr niedrig oder sogar negativ sind, wie es jetzt in vielen Teilen der Welt zu sehen ist. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren sollten sich Goldanlagen also gut entwickeln.” – bto: einfach, weil das Geld entwertet wird.
  • “Ich erwarte nicht, dass die Inflation sinken wird. Ich würde jetzt Gold kaufen und es für mindestens ein weiteres Jahrzehnt halten. Wir werden in die nächste Phase der finanziellen Repression eintreten. Die Repression ist eine politische Entscheidung, die darauf abzielt, die rekordhohe Schuldenquote der Welt zu senken. Um es unverblümt zu sagen: Sie stehlen peu à peu das Geld von alten Menschen.” – bto: Es kann nicht anders sein, wenn wir die zu hohe Verschuldung abbauen wollen.
  • Regierungen sind grosse Schuldner. Sie haben jeden Anreiz, diese Kombination aus hoher Inflation und niedrigen Zinsen herzustellen, um die Schuldenlast erträglicher zu machen. Finanzrepression ist der einzige politisch gangbare Weg, um die enormen Schuldenberge zu schrumpfen. Dann bestimmen Regierungen, oft durch die Regulierung von Anlagegesellschaften, wo die Menschen ihr Geld anlegen sollen. Wenn das passiert, neigt Gold dazu, wertvoller zu werden, weil Sie es verbergen können. Gold ist leichter zu verbergen als eine Anleihe oder ein Aktienportfolio.” – bto: Das geht nur in einem gewissen Umfang. Es gibt auch hier schon Beschränkungen, gerne gerechtfertigt mit dem Kampf gegen Geldwäsche oder Steuerhinterziehung.
  • “Wir werden die Politisierung der Geld­vergabe erleben. Die Regierungen bestimmen, wer Kredit bekommt und wer nicht. Und die Geschäftsbanken werden lediglich die von den Regierungen gewünschten Kreditzuweisungen ausführen. (…) Die Regierungen werden die Finanzierung auf diejenigen Unternehmen konzentrieren, die die politischen Ziele wie die Öko­logisierung der Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Finanzierung von Hauskäufern am ehesten erreichen. Gewerbeimmobilien werden es schwer haben, Kredite zu erhalten, weil sie im ­Vergleich zu grünen Hypotheken oder Eigenheimhypotheken oder auch im Vergleich zu Fabriken, wo Menschen arbeiten, nicht so produktiv und nützlich sind.” – bto: Ich denke nicht, dass Hypotheken für Eigenheime in Deutschland gefördert werden, im Gegenteil. Man will bekanntlich aus ökologischen Gründen keine neuen Eigenheime mehr.
  • Es ist keine Vision. Die Bank of England hat vor etwa einem Jahr ein Komitee mit dem Titel The Productive Finance Working Group eingesetzt. Dazu gehören die Zentralbank, das Finanzministerium, die Regulierungsbehörde und siebzehn Investmentgesellschaften. Es passiert also bereits. Sie machen sich daran, zu defi­nieren, was produktiv ist und was nicht. Und sie können die Kapitalallokation auf sehr subtile Weise steuern, indem sie die Befugnisse der Regulierungsbehörde nutzen. Viele Länder werden sich vom marktwirtschaftlichen zum planwirtschaftlichen Ende des Spektrums bewegen. Für Investoren wird die Welt, wie sie sie in den vergangenen vierzig Jahren kannten, auf den Kopf gestellt.” – bto: Vor allem bedeutet dies deutlich geringere Renditen. Vermögen werden aber auch sonst gefährdet sein.
  • Ziel ist es, Investoren zum Kauf von Staatsanleihen zu bringen und dadurch steigende Renditen zu verhindern. Zu diesem Zweck drücken sie die Renditen anderer Vermögenswerte und machen sie unattraktiv. Sie können eine Stempelsteuer auf Aktien erheben oder Mietkontrollen einführen, um die Immobilienrenditen in Schach zu halten. Oder sie können einen neuen grünen Standard für die Kredit­vergabe einführen, und für alles, was die Regierung als grün definiert, müssen Geschäftsbanken dann kein Kapital halten. So funktioniert die Politisierung des Geldwesens. Und wenn eine Regierung – nicht der Privatsektor – definiert, was produktiv ist, dann sind wir in grossen Schwierigkeiten, wie die Geschichte sehr deutlich zeigt.” – bto: Und wie heißt der Begriff? Taxonomie. Genau das erleben wir gerade schon, die Planwirtschaft durch die Hintertür.
  • Es sind sowohl die staatlichen als auch die privaten Schulden – die Summe der von Haushalten und Unternehmen angehäuften Schulden –, die die politischen Optionen einschränken. Die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP liegt in den USA bei 293%, genauso wie im Euroraum – neue Rekordhochs. In Europa sticht Frankreich mit einer Quote von 371% negativ hervor. Frankreich ist eine grosse Volkswirtschaft und das schwächste Glied in der Währungsunion. Es gibt keine Geldpolitik, die für Frankreich und Deutschland passend ist – ein Land mit einer Gesamtschuldenquote von nur 209%.” – bto: Das ist doch egal. Es wird seit Jahren französische Geldpolitik gemacht und unsere Politiker schauen zu. 
  • “(…) die EZB wird die Zinsen nicht erhöhen, das würde Frankreich in den Bankrott treiben. Vergessen Sie Griechenland oder Italien. Frankreich ist das Problem. Französische Unternehmen haben einen riesigen Schuldenberg. Aber Christine Lagarde ist viel mehr Politikerin als Zen­tralbankerin. (…)  Lagarde (…) ist sie gefügig in der neuen Aufgabe, Schulden wegzuinflationieren, um politische Ziele zu verfolgen.” – bto: Klar, das wissen alle. Nur unsere Politiker schauen zu.
  • Die Repression wird zu einer Verstaatlichung der Kapitalströme führen, die dem Grundgedanken der einheitlichen Währung widerspricht. Im Laufe der Zeit werden die nationalen Regulierungsbehörden ihre Finanzinstitute mehr und mehr zwingen, lokale Regierungen und Unternehmen zu finanzieren. Diese Politik widerspricht dem Recht auf freien Kapitalverkehr innerhalb der Eurozone, aber sie geschieht bereits und wird sich intensivieren. Innerhalb eines Landes bewegt man Geld von Sparern zu Schuldnern, und das führt zu politischen Spannungen. In der Währungsunion muss Geld von Deutschland nach Frankreich bewegt werden. Deutsche Sparer werden die Schuldner Frankreichs und anderswo retten müssen.” – bto: So ist es. Umso schlimmer, dass es den deutschen Politikern egal zu sein scheint.
  • Regierungen mögen hohes Kreditwachstum, weil es alle Dinge finanziert, die sie brauchen. Sie haben immerhin eine grüne Revolution zu finanzieren. Man kann nicht Grün wählen und gleichzeitig niedrige Inflation wollen. Dies ist die neue Normalität, und die Inflation ist nicht vorübergehend.” – bto: Eine klare Aussage, die man unterschreiben kann. 

Ich bleibe bei der Wiederholung meines Fazits: Es ist erschreckend, wie egal es der deutschen Politik anscheinend ist, was da auf uns zukommt.

→ fuw.ch (Anmeldung erforderlich): „Russell Napier: ‘Ältere Menschen werden schleichend bestohlen’“, 9. November 2021