Richtige Gedanken zur Bertelsmann Stiftung

Im vergangenen Oktober war ich auf einer Reise in den USA. Kurz zuvor hatte ich einen Beitrag für Cicero verfasst und dort unter anderem mit Blick auf die Zuwanderung nach Deutschland eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zitiert, die ausdrücklich betont, dass sich Deutschland eine Zuwanderung wie in der Gastarbeiter-Zeit nicht mehr leisten kann, sondern auf eine Auswahl der Zuwanderer setzen müsse. Nur so ließen sich die Kosten der Alterung bewältigen. Die Studie rechnet vor, wie hoch die Nettoverluste für den Staat inklusive Sozialkassen aus dieser Zuwanderung sind.

Kurz, nachdem der Artikel erschien, schrieb die Stiftung, ich würde die Studie bewusst falsch zitieren, da nirgendwo eine solche Aussage getroffen würde. Bedingt durch den Zeitunterschied und die nicht ganz einfache Kommunikation entschloss sich die Onlineredaktion des Cicero damals, meinen Artikel entsprechend abzuändern.

Das Ganze hat mich damals massiv geärgert. Denn ich habe mich völlig korrekt auf eine Studie des ZEW im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung bezogen, die vor der Flüchtlingskrise entstanden ist und deren richtiger Inhalt nunmehr politisch nicht mehr erwünscht war:

“Stellt man alle allgemeinen Staatsausgaben, etwa für Verteidigung oder Straßenbau, mit in Rechnung, schlägt für jeden lebenden Ausländer ein langfristiges Staatsdefizit von 79.100 Euro, für jeden lebenden Deutschen von 3.100 Euro zu Buche. Wegen dieses Defizits weist das Staatsbudget, wenn nicht gehandelt wird, langfristig eine Tragfähigkeitslücke von fast 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf.”

ZEW: „Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt“

Konsequent fordern die Autoren der Studie auch einen besonderen Fokus auf qualifizierte Zuwanderer: “Eine Wiederholung der Gastarbeitereinwanderung ist weder hinsichtlich der erwähnten Tragfähigkeitslücke noch mit Blick auf den Arbeitsmarkt im 21. Jahrhundert ökonomisch sinnvoll. Wissend um die schon erwähnten demografischen Entwicklungen, ist es mit Blick auf die Wohlstandssicherung in Deutschland hingegen sinnvoll, ja geradezu geboten, qualifizierte Einwanderer ins Land zu holen.”

Wie gesagt, diese Aussage zu treffen, war gemäß Bertelsmann-Stiftung eine falsche Wiedergabe der Studie. Es handelt sich um Originalzitate.

Damals wollte ich einen Beitrag zu der Wirkung der Stiftung verfassen, habe es aber dann gelassen. Umso mehr freut mich, dass der Cicero das Thema aus anderem Anlass aufgegriffen hat:

  • Letzte Woche ereignete sich daher Bemerkenswertes. Da veröffentlichte niemand anderes als die Bertelsmann Stiftung eine Studie mit dem Titel: „Die Stunde der Populisten? Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017“. (…) Erkundet werden sollte, wie populistisch die Deutschen sind und wie sich populistische Einstellungen auf die anstehende Bundestagswahl auswirken.” bto: als solches eine zulässige Fragestellung, wobei man schon die Frage aufwerfen darf, wie denn “populistisch” definiert ist.
  • Man kann an dieser Studie – wie an allen Studien – sicher Vieles kritisieren: die Methodik, die Fragestellung, den Pool der Befragten. Doch das sind Nebenaspekte. Viel spannender ist ein anderer Punkt: der Initiator der Studie, also die Bertelsmann Stiftung.” bto: die, wie oben erläutert, gerne auch die Ergebnisse eigener Studien in die gewünschte Richtung verfälscht.
  • Ihre ideologische Agenda ist ein brachialer Vulgär-Modernismus. Gut und aus Gütersloh wissenschaftlich flankiert und finanzkräftig gefördert ist alles, was auf Globalisierung, Internationalisierung, Ökonomisierung und Digitalisierung hinausläuft. Unter dem Deckmäntelchen des zivilgesellschaftlichen Engagements soll die Gesellschaft weltanschaulich auf Linie gebracht werden (...).” bto: Und die Ergebnisse werden ähnlich poliert.
  • “(…) die Bertelsmann Stiftung (…) [hat] ein enges Netzwerk von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien geknüpft (…), zu dem wie selbstverständlich die Spitzen der deutschen Partei-, Bundes- und EU-Politik gehören. Diese Verflechtung von Medienmacht, Einfluss auf Universitäten und Institute, politischer Protektion und persönlichen Verbindungen (…) erklärt auch, weshalb es kaum kritische Stimmen zum Gebaren der Gütersloher Stiftung gibt.” bto: Es ist wie beim DIW, das ebenfalls mit dem edlen Titel “Institut” eine politische Agenda treibt.
  • Die Populismus-Studie der Bertelsmann Stiftung, diese Lesart drängt sich auf, ist der Versuch einer selbsternannten, interessengeleiteten Modernisierungselite, jeden Protest gegen die eigenen gesellschaftlichen Umbaupläne im Keim zu ersticken.” bto: deshalb auch die Verdrehung der eigenen Migrationsstudie, weil es eben nicht mehr passte.

Experten, wohlmeinende Stiftungen und vermeintlich neutrale Institute arbeiten so mit den Medien Hand in Hand in der Erziehungsarbeit. Kann gut sein, dass es eben doch nicht auf Dauer funktioniert. Zu wünschen wäre es!

-> cicero.de: “Opium für die Mächtigen”, 29. Juli 2017