Regimewechsel zur Inflation

Russell Napier habe ich schon mehrfach zitiert.

Die globale Geldordnung ist am Ende
Schleichende Ent­eignung
Warum nun die Trend­wende von Dis-Infla­tion zu Infla­tion droht (I)
Warum nun die Trend­wende von Dis-Infla­tion zu Infla­tion droht (II)

Im Interview mit the market erläutert Napier erneut, weshalb er vom Lager der Deflationisten in das Lager der Inflationisten gewechselt ist. Letztlich sieht er hier die Lösung der Probleme, die auch im Podcast vom 15. August 2021 zur Sprache kamen. Die Highlights:

  • Zunächst einmal stimme ich zu, dass ein grosser Teil der heutigen Inflation durch die Angebotsseite, etwa durch gestörte Lieferketten, verursacht wird. Dieses Element wird sich korrigieren, daher können wir sagen, dass es vorübergehend ist. Ich würde jedoch ein Fragezeichen über die Angebotsseite hängen, und zwar betreffend China. Erinnern Sie sich daran, dass China 1994 seine Währung abwertete und eine Welle von Exporten auslöste – (…) Jahrelang wehte danach ein deflationärer Wind aus China über die Weltwirtschaft. Das wird sich aus zwei Gründen nicht wiederholen: Erstens, weil die Lohnkosten in China gestiegen sind. Zweitens treten wir in einen neuen Kalten Krieg ein, was bedeutet, dass wir weniger aus China kaufen werden.“ – bto. Und drittens beginnt die Erwerbsbevölkerung in China deutlich zu schrumpfen. China dürfte als deflationärer Faktor ausfallen.
  • Wichtig ist meiner Meinung nach aber nicht die Angebotsseite, sondern die Tatsache, dass die Inflation längerfristig betrachtet durch das Wachstum der Geldmenge getrieben wird. Wir beobachten derzeit ein ausserordentlich hohes Wachstum der breiten Geldmengenaggregate. In den USA stieg das Wachstum der Geldmenge M2 zeitweise auf 27%. Wegen des Basiseffekts geht dieser Wert nun zurück, aber ich denke, dass sich das M2-Wachstum in den USA um 10% einpendeln wird. Auch in Europa liegt es um 10%, und selbst in Japan liegt es deutlich über dem Durchschnitt der letzten dreissig Jahre. Die Folge eines derartigen Geldmengenwachstums ist eine Inflationsrate von über 4%.“ – bto: Das ist übrigens genau die Argumentation, die vor einigen Wochen in meinem Podcast zum Thema Rückkehr der Inflation vorgetragen wurde.
  • Die Regierungen mischten sich in das kommerzielle Bankensystem ein, indem sie für Kredite des Privatsektors bürgten. Wenn ich mir die Daten anschaue, sehe ich, dass die Bankbilanzen um etwa 10% wachsen, was sich in einem M2-Wachstum von etwa 10% niederschlägt. Sie müssen bedenken, dass es nicht die Zentralbanken sind, die das meiste Geld schaffen, sondern die Geschäftsbanken. Mit dem Instrument der Kreditgarantien können die Regierungen so viel Geld schaffen, wie sie wollen. Aus dem Nichts.“ – bto: Und hier liegt der enorme Unterschied zu vor zehn Jahren. Diesmal kommt das Geld in der Realwirtschaft an.
  • Für die nächsten zehn Jahre würde ich in den Industrieländern eine Inflationsrate zwischen 4 und 5,5% prognostizieren. (…) Haben wir jemals in der Geschichte ein Land gesehen, das dauerhaft ein Wachstum der breiten Geldmenge von 10% hatte, ohne dass seine Inflationsrate bei 4% lag? Nein. Je nach der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kann es auch zu Phasen kommen, in denen die Inflation über 4% liegt.“ – bto: Napier betont, dass er nicht das Risiko von Inflationsraten von zehn Prozent sieht und auch keine Hyperinflation – nur eben eine Inflation, die hartnäckig bleibt. Ohnehin liegt das Problem auf der Zinsseite.
  • Wird es den kurz- und langfristigen Zinssätzen erlaubt sein, eine Inflation von 4% abzubilden? Meine Antwort lautet Nein. Wir werden in eine Periode der finanziellen Repression eintreten, in der die Regierungen die Zinssätze unter der Inflationsrate halten werden, genau wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Das wird die gesamte Struktur des Finanzsystems verändern.“ – bto: Es ist der wohl einzige denkbare Weg, um die Schuldenquoten nach unten zu bringen. Nur dürfte die Nebenwirkung bei den Vermögensmärkten erheblich sein.
  • Das ist, was nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist. Die Zentralbanken waren zu dieser Zeit machtlos. Das Geldangebot wurde von den Regierungen diktiert, die das Bankensystem kontrollierten. Zu diesem System werden wir zurückkehren. Die Regierungen können das nie offiziell sagen, denn der ganze Sinn der finanziellen Repression besteht darin, den Sparern langsam das Geld zu stehlen. Aus Sicht der Politik sind staatliche Garantien für Bankkredite eine tolle Sache: Sie sind keine offizielle Fiskalausgabe, sie sind keine explizit höhere Besteuerung, sie sind bloss eine Eventualverbindlichkeit auf der Bilanz des Staates. Sie schaffen politisch gesteuertes Wachstum, und sie schaffen Inflation. Für Politiker ist es eine magische Geldquelle.“ – bto: vor allem, wenn man dann auch noch sagen kann, dass es ja einem guten Zweck dient, konkret dem Kampf gegen den Klimawandel.
  • Die Bondrenditen werden durch die Kaufprogramme der Zentralbanken gedrückt, und ich würde argumentieren, dass sie auch durch die Massnahmen der Regierungen gedrückt werden. Versicherungsinstitute müssen aufgrund der Regeln, die ihnen von den Behörden auferlegt wurden, Staatsanleihen halten. Wir werden feststellen, dass die Bondrenditen mit der Zeit völlig von der Inflation abgekoppelt werden. Sie werden kein ökonomisches Lehrbuch finden, in dem steht, dass das überhaupt möglich ist. Und doch gibt es eine lange Periode in der Geschichte, von 1939 bis 1979, in der Bondrenditen und Inflation weitgehend entkoppelt waren. (…) Sie werden nicht mehr in einem freien Markt festgelegt. (…) Wir treten in eine Zeit der finanziellen Repression ein.“ – bto: und damit eine Zeit, in der es darum geht, Vermögen und Schulden zu entwerten. Eine gefährliche Zeit.
  • Wenn man sich die US-Finanzgeschichte anschaut, lag die Umlaufgeschwindigkeit von 1959 bis 2009 in einem recht stabilen Bereich von etwa 1,6. Die Abwärtsbewegung nach 2009 war das Ergebnis der Politik des Quantitative Easing des Fed. Mit QE kaufte das Fed Finanzaktiva auf dem Markt, und zwar von Finanzinstituten. Das einzige, was diese Institute mit der neu geschaffenen Liquidität tun konnten, war, mehr Finanzaktiva zu kaufen. Die QE-Politik erreichte nie die Realwirtschaft, sie schuf kein breites Geldmengenwachstum. Sie trieb nur die Preise für Vermögenswerte in die Höhe. Die breite Geldmenge, die jetzt vom Bankensystem geschaffen wird, wird die Realwirtschaft erreichen, daher wird sich die Umlaufgeschwindigkeit normalisieren.“ – bto: Das ist eine wichtige Annahme, denn bisher konnte man mit Blick auf die rückläufige Umlaufgeschwindigkeit immer erklären, dass die Inflationsgefahr nicht real ist.
  • Es kommt in zwei Phasen. In der ersten Phase, die wir gerade durchleben, werden die Bondrenditen weitgehend von den Zentralbanken bestimmt. Aber es wird eine Zeit kommen, in der sie ihre Anleihenkäufe nicht mehr fortsetzen wollen, weil das gefährlich ist, wenn die Marktteilnehmer höhere Inflation erwarten. Viele Leute denken, dass die Bondrenditen in die Höhe schiessen werden, sobald die Zentralbanken aufhören, sie zu kaufen. (…) dann werden die Regierungen die Finanzinstitute zwingen, Anleihen zu kaufen. Das ist die zweite Phase der Unterdrückung der Bondrenditen. Der Übergang von Phase eins zu Phase zwei wird nicht reibungslos sein; es müssen Gesetze verabschiedet werden, die es den Regierungen erlauben, die Ersparnisse des privaten Sektors durch eine stärkere Kontrolle über die regulierten Finanzinstitute zu nutzen. Es könnte also eine Phase geben, in der die Bondrenditen etwas schnell steigen und die Märkte in Panik geraten. Aber letztlich werden die Regierungen die Zinssätze deckeln, indem sie das Sparsystem nutzen.“ – bto: Angesichts der historischen Aufgabe im Bereich Klimaschutz haben die Politiker sogar noch das passende Argument zur Hand.
  • Für den Durchschnittsmenschen kann finanzielle Repression ganz gut aussehen. Sagen wir, Ihr Lohn steigt um 5%, und Ihr Hypothekarzins liegt bei 3%. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist das keine schlechte Welt, selbst wenn ihre Löhne nur im Einklang mit der Inflation steigen. Den Preis bezahlen die Sparer. Selbst wenn man nur den Zeitraum von 1945 bis 1957 nimmt, hat man mit britischen Staatsanleihen 35% seiner Ersparnisse verloren.“ – bto: Das trifft in Deutschland die Masse der Bürger und es ist so gesehen durchaus sehr relevant.
  • „(…) wenn Sie in dieser Zeit in Aktien investiert waren, ging es Ihnen sehr gut. Deshalb mag ich auch heute Aktien. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Bei Kriegsende lag die Rendite zehnjähriger Treasuries auf 2,5% und die Dividendenrendite für Aktien auf 10%. Aktien begannen die Periode der finanziellen Repression zu spottbilligen Bewertungen. Heute beginnt der Aktienmarkt diese Periode mit einer bereits sehr hohen Bewertung.(…) Eine Wiederholung der Hausse von 1945 bis 1966 ist bei Aktien angesichts der bereits hohen Bewertung unwahrscheinlich. “ – bto: Das spricht meines Erachtens auch nicht für sehr hohe Realrenditen. Ich denke, man kann froh sein, wenn man das Kapital erhält.
  • Ich bin sehr optimistisch für Gold. Das Problem für Gold im letzten Jahr war, dass die Zinsen gestiegen sind, weil die Leute immer noch glauben, es gebe einen Zusammenhang zwischen Inflation und Zinsen. Wenn die Leute glauben, dass es eine Inflation von 4% geben wird, werden sie erwarten, dass die Zinsen auf 5 oder 6% klettern werden. Diese Erwartung ist Gift für den Goldpreis. Erst wenn sie erkennen, dass der Zusammenhang zwischen Inflation und Zinsen nicht mehr besteht, wird der Goldpreis abheben.“ – bto: Das wiederum leuchtet mir ein.