Präsenz in den Medien ist nicht immer Garantie für Qualität (I)

Heute machen wir die Gegenüberstellung  der frühere Medien-Marktführer unter den deutschen Ökonomen gegen den heutigen: Hans-Werner Sinn gegen Marcel Fratzscher. Ich gehöre bekanntlich zu den Kritikern der medialen Omnipräsenz des Letzteren, da die Präsenz als Ziel über der Qualität der Inhalte steht, gepaart mit dem unbedingten Wunsch, der SPD zu gefallen. Legendär die haltlose Jubel-Rechnung zu den Folgen der Migration. Statt Gewinn dürfte es uns rund eine Billion kosten. Kein kleiner Rechenfehler.

Zuletzt war auch die F.A.Z. kritisch mit Herrn Fratzscher ins Gericht gegangen:

→ Achtung: „Claqueur der SPD!“

Dennoch ist die Pressestelle des DIW sehr erfolgreich in der Vermarktung. So durfte er erneut in der FT schreiben (ja, ich bin neidisch!) und hat die Gelegenheit wieder nicht genutzt, um zu zeigen, dass deutsche Ökonomen mehr draufhaben, als gefällige Texte zu schreiben. Die “Lowlights”:

  • “(…) there is much speculation about a possible “grand bargain” between France and Germany that would see Berlin re-engage in reforming Europe. At the centre of such a bargain could be a macroeconomic stabilisation mechanism for the euro area that balances the demand for stricter rules and more solidarity.” bto: Das ist doch schon mal gut. Da wird von Stabilisierung und Solidarität geredet, ohne das Problem sauber zu analysieren und vor allem, ohne zu sagen, wie viel es kostet und wer es bezahlen soll!
  • “Transforming the European Stability Mechanism, the eurozone’s bailout fund, into an EMF could constitute the “grand bargain”. The EMF would have to strike a balance across three dimensions. First between crisis prevention and crisis resolution — the EMF should have a common budget derived from national taxes, and a debt-issuing capacity, not only for emergency loans during crises, but also for supporting reforms and for dealing with recessions.” bto: aha. Das Entscheidende ist Verschuldungskapazität. Nur darum geht es in dem Spiel. Es soll zulasten aller Steuerzahler Europas ohne, dass diese gefragt werden mehr Geld aufgenommen und umverteilt werden. Egal, wie man es nennt.
  • “Potential instruments are structural adjustment programmes (bto-Klartext: Subventionen) a joint unemployment insurance scheme (bto-Klartext: Transferunion, bezahlt nur von den Arbeitnehmern), and funds for common infrastructure, energy or digital projects (bto-Klartext: Staatsprogramme, die alle bezahlen).”
  • “The common budget should not be seen as a substitute, but as a complement to sensible rules on national budgets. The overarching objective should be to ensure economic convergence to make the euro viable and European Central Bank monetary policy more symmetrical. This would be a gain for all member states as it will ultimately result in higher growth and less malign crises.” bto: Seit wann führen höhere Staatsausgaben zu Konvergenz und höherem Wachstum? Wenn das so wäre, hätten wir nie eine Krise gehabt.
  • “EMF instruments should be linked to strict conditionality. It could and should create an actuarially fair insurance union, while ruling out a larger transfer union.” bto: aha. So wie schon jetzt die “No-Bail-out”-Regeln funktioniert haben?
  • “In addition to completing banking union and capital market union, markets should be used as a disciplining device. Making EMF financing in crisis times conditional on private sector involvement, as well as risk-weighting and capping banks’ holdings of domestic government debt, would discipline governments to pursue sound policies in good times.” bto: Jegliche Erfahrung widerspricht dieser hoffnungsfrohen Einschätzung. Es ist undenkbar, dass es zu einer solchen Beschränkung kommt. Die Politik wird es immer wieder aufweichen. Außerdem unterschlägt Fratzscher erneut die enormen Kosten einer Bankenunion mit einem Bankensystem, das auf einer Billion plus x Euro faulen Schulden sitzt.
  • “Such a grand bargain would require tough compromises. But the gains would outweigh the costs for everyone. Paris would succeed in strengthening solidarity and economic convergence; Berlin would get more credible mechanisms to reduce risks and liabilities for having to bail out its neighbours. Most important of all, such a deal would help make the euro sustainable and chart a path for Europe’s future.” bto: Das sind alles Behauptungen. Wie würde ein Mechanismus für mehr Schulden und Umverteilung bitte den Euro “sustainable” machen? So wie die italienische Währungsunion zwischen Nord und Süd?

Heute Nachmittag dann das Gegenbild zu diesen unfundierten Thesen. Ich denke, die FT hat es nur gebracht, weil sie es aus politischen Gründen wollen oder, um zu bestätigen, dass die Ökonomen aus Deutschland schlechter sind als ihre eigenen.

→ FT (Anmeldung erforderlich): “Why a Franco-German bargain will help secure the euro”, 9. August 2017

 

Kommentare (7) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Wolfgang Selig

    >Wenn beispielsweise in 20 Jahren durch ständige Währungsabwertungen die deutsche Wettbewerbsfähigkeit weg ist, haben wir vielleicht unseren rust belt.>

    Egal, ob durch Währungsabwertung oder sonst etwas die Wettbewerbsfähigkeit verloren worden ist, die spannende Frage ist dann:

    Haben wir uns soweit angepasst – „soweit angepasst“ nicht als faktisches Wirtschaften verstanden, sondern als EINSTELLUNG dazu –, dass wir dieses Wirtschaften als den Gang der Dinge mehrheitlich AKZEPTIEREN oder wählen wir dann Leute wie Trump oder noch schlimmere an die Macht?

    Antworten gibt die Zukunft.

    Aber Entwicklungen und Beispiele anderswo geben allen Anlass, wenigstens einmal zu fragen.

    Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >„Such a grand bargain would require tough compromises. But the gains would outweigh the costs for everyone. Paris would succeed in strengthening solidarity and economic convergence; Berlin would get more credible mechanisms to reduce risks and liabilities for having to bail out its neighbours. Most important of all, such a deal would help make the euro sustainable and chart a path for Europe’s future.“ >

    Stimmt, der Euro könnte so zumindest eine Zeitlang stabilisiert werden.

    Der Rest ist oberflächliches Geschwätz eines Meinungsmachers, der auf ökonomischen Sachverstand verzichtet, um sich als Politikberater anzudienen.

    Paris und Berlin sind NICHT everyone.

    Everyone sind die Bürger in diesen und anderen Ländern.

    Wo ist die Erörterung, was für die Bankenunion (mit Altschulden) etc., etc.
    auf DAUER für Konsequenzen hätte?

    Ein EHRLICHES Votum für den „grand bargain“ müsste so lauten:

    Der Zerfall der Eurozone würde untragbare, auf jeden Fall aber unkalkulierbare Folgen haben. Er ist daher zu vermeiden. Vermieden wird er durch eine konsequente, umfassend institutionalisierte Transferunion.

    Sie würde dauerhaft mit erheblichen Kosten verbunden sein.

    Diese Kosten würden alle Nationen der Eurozone betreffen, wenn auch alle unterschiedlich:

    Ressourcenverlust in den „Wohlstandsländern“ des Kerns, weiterhin brachliegende Ressourcen durch Strukturverhinderung in den Peripherieländern.

    Die damit verbundenen relativen Wohlstandsverluste müssen von den Bevölkerungen akzeptiert werden, weil sie dem „grand bargain“ nach unumgänglich sind.

    Werden sie nicht akzeptiert und wird der „grand bargain“ aufgegeben, wird die Eurozone zerfallen.

    So viel Ehrlichkeit zahlt sich natürlich nicht aus in einer Welt, die LÖSUNGEN statt Trade offs präsentiert haben will.

    Antworten
  3. Stefan Bohle
    Stefan Bohle sagte:

    ja, aber was für eine Umverteilung? Durchaus nicht von reich zu arm, sondern Vermögens-Umverteilung von den “long in cash” Kleinsparern der deutschen Mittelschicht zu sämtlichen Schuldnern der Eurozone, wie z.B. südeuropäischen Staaten und seinen wohlhabenden Bürgern, oder aber auch hoch verschuldeten deutschen Familienunternehmen (ja, die gibt es!), oder Private Equity Investoren, oder Immobilienspekulanten, usw… Meine Tochter würde jetzt sagen: “Schade Schokolade”.

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      Richtig, aber da die öffentlichen Einrichtungen sowie die Sachwertbesitzer inklusive der meisten Medien in Deutschland von der Umverteilung profitieren, verbleiben zu wenige Benachteiligte. Und die artikulieren sich politisch noch nicht mal ausreichend, weil sie als Mieter, Arbeitnehmer, Minderjährige, Arbeitslose, etc. meist zu wenig in der Materie drin sind. Das werden wir wohl alle noch büßen, leider wohl erst dann, wenn die Umkehr noch viel schwerer ist.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        >… verbleiben zu wenige Benachteiligte>.

        Das sehe ich anders.

        Benachteiligung ist nicht nur relativ und entsteht nicht nur durch Umverteilung.

        Benachteiligung drückt sich in Wohlstandverlusten bzw. in Perspektivlosigkeit aus, kann also auch bei einem vergleichsweise hohen Lebensstandard als „Fakt“ empfunden werden.

        Und das kann destabilisierend wirken.

        Siehe wen die „Abgehängten“ in USA gewählt haben und was daraufhin gezeigte Inkompetenz in der Welt auslösen kann.

      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        @Herrn Tischer:
        100% Zustimmung, aber in den USA hat die Perspektivlosigkeit durch die Deindustrialisierung schon in den 80ern begonnen. Das meinte ich mit späterer Umkehr und deren Probleme. Wenn beispielsweise in 20 Jahren durch ständige Währungsabwertungen die deutsche Wettbewerbsfähigkeit weg ist, haben wir vielleicht unseren rust belt.

  4. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Ich denke die FT hat es gebracht, weil es der politische Mainstream in Deutschland ist. Der FT-Leser ist regelmäßig Teil der Londoner Finanzwelt. Deutsche Interessen sind ihm egal. Er will nur wissen, wie er Deutschland finanzpolitisch aktuell einzuschätzen hat. Und dafür ist Herr Fratzscher (leider) perfekt geeignet. Das ist aber nicht nur seine Schuld, sondern vor allem die unserer Wähler und Politiker. Fairerweise muss man dazu sagen, dass der Mainstream in Deutschland schon in den 90ern eine immer stärkere Annäherung der europäischen Volkswirtschaften inklusive Umverteilung gefordert hat. Und die kommt gerade. Nur leider nicht demokratisch legitimiert, sondern über die EZB.

    Antworten

Ihr Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Wolfgang Selig Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.