Plädoyer für Effi­zienz und Effek­ti­vität beim Klima­thema

Am kommenden Sonntag geht es in meinem Podcast erneut um das Thema “Energiewende”. Zum Aufwärmen kommen ein paar Beiträge zu dem Thema. Heute beginne ich mit einem Interview mit Burkhard Drescher, früherer Oberbürgermeister von Oberhausen und jetzt Geschäftsführer von Innovation City Bottrop im Deutschlandfunk. Es zeigt einfach, dass es durchaus möglich ist, unideologisch zu handeln, weshalb ich es an dieser Stelle wiederhole. Es war schon im Sommer 2019 Thema auf diesen Seiten.

Ganz anders, als dass heute der Fall ist, wo wir immer mehr Überzeugungstäter am Werk haben, die unter dem Vorwand, die Welt retten zu wollen, in Wahrheit ihre Umverteilungswünsche und Neidgefühle adressieren. Doch lesen wir mal, was der SPD-Politiker zu erfolgreichem Umweltschutz sagt. Das Interview führte Jürgen Zurheide. (Übrigens kam es an einem Samstagmorgen, wo vermutlich wenige Leute zuhören, nicht zur Hauptsendezeit.):

  • Zurheide: Sie sind in Bottrop seit fast zehn Jahren unterwegs und haben den CO2-Ausstoß um 50 Prozent reduziert. Was haben Sie da gemacht? Drescher: Wir wollen den C02-Ausstoß bis 2020 um 50 Prozent reduzieren (…) und wir haben uns auf das Machen konzentriert. (…) Was wir gemacht haben, ist, die Bürgerinnen und Bürger, die Hausbesitzer, die Energieversorger, die Handwerker, alle Beteiligten in einer Stadt, in einem Stadtquartier zunächst mal für die Idee zu gewinnen und dann über ganz gezielte Energieberatungen jeweils in den einzelnen Häusern Vorschläge zu unterbreiten.“ – bto: also ein sehr pragmatischer Ansatz und keine Verbotskultur.
  • “(…) wie die Leute einerseits was für den Klimaschutz tun können, aber andererseits als entscheidende Triebfeder eigentlich Geld zu sparen, indem man Energiekosten spart. Und das ist der eigentliche Hebel, um auch zum klimagerechten Stadtumbau zu kommen, indem man den Leuten erklärt an den Gebäuden, dass man sehr viel Energiekosten sparen kann, wenn man bestimmte Maßnahmen an Gebäuden macht.” – bto: Das Wichtige ist, und das werden wir gleich sehen, was „bestimmte Maßnahmen“ sind. Es sind nämlich nicht die massiven Maßnahmen, die man in der Politik sonst fordert, kosten sie, was sie wollen.
  • “Dabei muss man wissen, dass in der Bundesrepublik fast 40 Prozent der CO2-Emissionen aus den Gebäuden kommen, (…) Deutschland ist gebaut, und da passiert jahrelang, oder Jahrzehnte muss man schon sagen, viel zu wenig.” – bto: Und wir sind da bei einem sehr heiklen Thema, denn wenn man die Eigentümer zur Modernisierung zwingt und gleichzeitig keine Erhöhung der Mieten zulässt, ist das die Fortsetzung der – eigentlich beabsichtigten? – Enteignungspolitik, die sich immer mehr verbreitet.
  • “Wir machen Informationsabende, Themenabende, jeden Monat einmal das Thema Dach, das Thema Fenster, das Thema Schimmel, das Thema Heizung, das Thema Photovoltaik. (…) Und das ist das eigentliche Geheimnis unseres Erfolges: (wir gehen) mit einer eigenen Konzeption für die Energieberatung auf die Bürger zu, auf die Hausbesitzer, auf die Wohnungsgesellschaften und machen Vorschläge, was man machen kann.” – bto: Dass Drescher kein Schwätzer ist, erkennt man auch daran, dass er explizit das Schimmel-Problem anspricht. Denn die zunehmende Isolierung fördert Schimmel, wenn nicht ausreichend geheizt und gelüftet wird. Dann gibt es Streit zwischen Mieter und Vermieter und da die Gerichte fast immer zugunsten der Mieter entscheiden (egal, was richtig wäre), bleiben die Vermieter auf den Kosten sitzen. Das ist auch ein Grund, nicht zu isolieren.
  • “Man kann jedes bestehende Gebäude so umbauen, dass die Gebäude über Fotovoltaik und über andere Maßnahmen mehr Energie erzeugen, als die Nutzer verbrauchen. Und das ist die große Chance, die wir eigentlich haben im Klimaschutz, dass man über den klimagerechten Stadtumbau so viel CO2 einsparen kann, so viel Energie erzeugen kann, dass man tatsächlich die CO2-Emissionen in den Städten von unten heraus so weit minimieren kann.” – bto: Auch das ist eine richtige Überlegung. Man kann mit intelligenten Maßnahmen viel erreichen.
  • Zurheide: Auf der anderen Seite sagen Sie – und das habe ich so nachgelesen – dass das, was wir Deutsche gelegentlich wollen, nämlich 100-Prozent-Lösungen, dass das eben nicht immer das Richtige ist. Ich glaube, Sie haben ein Konzept, wo Sie sagen, 90 Prozent Einsparung mit 10 Prozent der Kosten, und das ist ja dann besonders überzeugend im Bestand. (…) Drescher: Ja, das kritisiere ich ja an den Förderprogrammen des Bundes, die über die KfW auch die energetische Modernisierung von bestehenden Gebäuden fördern, allerdings ein Anspruchsniveau dort definieren, welches so im Niveau des Neubaus liegt. Dann sind aber die Kosten so hoch, dass die Maßnahmen sich nicht mehr rechnen für die Hauseigentümer, und dann machen sie gar nichts.“ – bto: Es ist auch ein Beispiel für den völligen Idiotismus der Politik, derart radikale Maßnahmen zu fordern!
  • „Wir sagen (…) du musst jetzt nicht das ganze Dach erneuern für 30.000 Euro im Einfamilienhausbereich, es reicht, wenn du den Speicher dämmst, den du nicht brauchst. Dann hast du zwar nicht 100 Prozent CO2-Einsparung über diese Maßnahme, sondern nur 90 Prozent, aber dann machen die Leute das auch, weil sich das dann in fünf Jahren, sechs Jahren oder sieben Jahren rechnet statt in 20 Jahren (…) Unter einem Prozent energetische Modernisierungsrate haben wir in Deutschland, wir in Bottrop seit insgesamt acht Jahren inzwischen über drei Prozent jedes Jahr. Daran kann man sehen, dass offensichtlich wir die besseren Instrumente haben. Und das ist der entscheidende Punkt: Die Förderinstrumente des Bundes sind fehlgeleitet.“ – bto: Es ist wie das Ziel, das CO2 auf null zu bringen. Ich denke, wir brauchen den Effekt und um den soll es gehen, nicht um die Art der Maßnahmen.
  • Zurheide: (…) bestimmte Sanierungen (…) sind so teuer, dass die Mieter im Zweifel rausgetrieben werden und dass es nicht funktioniert. (…) Drescher: (Wir) haben für eine große Wohnungsgesellschaft einen Vorschlag unterbreitet, wo wir energetische Modernisierungsmaßnahmen vorgeschlagen haben, die dazu führen, dass die Leute unter dem Strich nicht mehr Miete zahlen als vorher. Allerdings zahlen sie viel, viel weniger für Energie, und dafür können sie mehr für die Nettokaltmiete zahlen, die dann wiederum die Investitionen für die Wohnungsgesellschaft refinanzieren kann.” – bto: Drescher ist halt ein Politiker, der noch rechnen kann. Das ist doch erfreulich, wenn man so etwas liest.
  • Zurheide: Ich geh da jetzt mal zwischen. Das heißt, solche Modelle rechnen sich. Drescher: (…) Die rechnen sich, da muss man aber klug modernisieren. Also da zum Beispiel haben wir der Wohnungsgesellschaft empfohlen, verzichtet auf die Dämmung der Häuser von außen. Das bringt zwar auch einiges an CO2-Einsparung an den Energiekosten, aber das ist mit in der Regel die teuerste Maßnahme. Und manchmal versaut man sich dabei auch ein städtebauliches Bild, weil das Bepappen mit Dämmung im Grunde genommen stigmatisiert dann die Häuser und macht sie alle gleich, während der städtebauliche Charakter dabei verloren geht. Will also sagen: Die Konzepte gibt es, dass man mit niederschwelligen Maßnahmen vielleicht nicht 100 Prozent der Energiekosteneinsparung, die man erreichen könnte, prinzipiell umsetzen kann, aber man kann es dann so machen, dass man unter dem Strich für die Mieter die Miete nicht erhöhen muss, sondern man macht einen Wechsel: Weniger Energiekosten, mehr Nettokaltmiete, und das kann man investieren.” – bto: Spätestens hier fragt man sich, ob Herr Drescher nicht auf anderer Ebene Verantwortung tragen sollte. Denn so funktioniert erfolgreiche Politik.
  • Zurheide: (…) warum regen Sie sich auf über diejenigen, die in den Städten so etwas wie Klimanotstand ausrufen? Drescher: Ich halte es für zu billig, in einer Stadt den Klimanotstand auszurufen, wenn man nicht gleichzeitig sozusagen den klimagerechten Stadtumbau nach vorne bringt (…) Den Klimanotstand, den gibt es in Marokko, in Afrika, in Asien, da wo entweder Überflutungen sind oder wo die Oasen austrocknen. Dass wir auf den Klimanotstand in dieser Welt hinsteuern, ist keine Frage, aber in den Städten läuft mir das sozusagen zu sehr auf politische Selbstbefriedigung hinaus. Entscheidend sind eigentlich die Maßnahmen: Machen! Die Städte können machen und können unserem Beispiel folgen, und das wäre eigentlich das, wo man auch den Menschen sagen kann, Klimaschutz hat nichts mit Not zu tun, mit Entbehrung zu tun, Klimaschutz hat was mit Lebensqualität zu tun.” – bto: Das lasse ich jetzt mal so stehen!

→ deutschlandfunk.de: “‘Die Städte sind in der Lage, Klimaschutz umzusetzen’”, 22. Juni 2019