Piketty, Credit Suisse und nun Oxfam: Symptome statt Ursache

Die Medien sind voll mit Berichten über die Ungleichverteilung des Weltvermögens. Immerhin soll ein Prozent der Weltbevölkerung so viel besitzen, wie alle anderen zusammen. Gefordert wird mehr Umverteilung, breitere Bildung, mehr Regulierung der Finanzmärkte.

→ Spiegel online: Armutsstudie von Oxfam: Das reichste Prozent besitzt mehr als alle anderen zusammen, 19. Januar 2015

Wie schon im Oktober 2014 anlässlich des Credit Suisse Wealth Reports geschrieben, können sich Thomas Piketty und seine Unterstützer bestätigt fühlen. Der Global Wealth Report der Credit Suisse und die Studie von Oxfam zeigen weltweit wachsende Vermögen und Vermögenskonzentration. Auch für die Zukunft erwarten die Analysten einen deutlich über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegenden Zuwachs an Vermögenswerten. Zugleich warnen Ökonomen wie Larry Summers vor einer „säkularen“ Stagnation der Weltwirtschaft, also einer langen Periode geringen Wachstums, weil die Welt zu viel Ersparnis habe und zu wenig Investition und Konsum. Stehen wir also vor einem sich beschleunigenden Vermögenswachstum bei gleichzeitiger Stagnation in der Welt? Wohl kaum.

Sowohl Piketty wie auch Credit Suisse und Oxfam führen bestehende Trends fort. Piketty erwartet unabhängig vom Wirtschaftswachstum eine reale Kapitalrendite von vier bis fünf Prozent, die Credit Suisse arbeitet mit erwarteten Unternehmensgewinnen und Regressionsanalysen. Die grundsätzliche Frage, wie es überhaupt sein kann, dass Vermögen dauerhaft schneller wachsen als das Volkseinkommen, stellen sie nicht. Sie betrachten Symptome, nicht die wahre Ursache, wie ich in meinem Buch “Die Schulden im 21. Jahrhundert” beschreibe.

Hier kommt die Kehrseite des Vermögens – die Verschuldung – ins Spiel. Ein derartiges Wachstum der Vermögenswerte und auch der Vermögenskonzentration wäre gar nicht möglich ohne die zeitgleich enorm gestiegene weltweite Verschuldung. Neue Schulden stützen die Realwirtschaft und treiben die Nachfrage und Preise von Vermögenswerten. In der Tat hat sich parallel zu der von Piketty beobachteten Zunahme an Vermögen seit 1980 die Schuldenlast in den Industrieländern mehr als verdoppelt. Eine Entwicklung, die sich seit Beginn der Krise weltweit beschleunigt: Die globale Verschuldung ist seit 2007 von 105 auf 150 Billionen Dollar gestiegen. Die Industrieländer haben Schulden von 275 Prozent des BIP, die Schwellenländer von 175 Prozent, womit beide je 20 Prozent über dem Niveau von 2007 liegen. China liegt übrigens mit 250 Prozent auf westlichem Niveau.

Piketty und die Credit Suisse gehen implizit davon aus, dass sich der Trend zu weiter steigender Verschuldung ungebremst fortsetzt. Es wird aber nicht möglich sein, die Schulden dauerhaft schneller wachsen zu lassen als die Einkommen. Bezöge sich die Verschuldung nur auf den Kauf von Vermögenswerten, die dann entsprechend im Wert steigen, ließe sich das Spiel so lange fortsetzen, wie die Wertsteigerung des Vermögenswertes über den Zinskosten liegt. Aber selbst in einem Umfeld von nahezu null Prozent Zinsen ist dies endlich. Sobald die Wertsteigerung nicht mehr gegeben ist, käme es zu erheblichen Einbrüchen an den Finanzmärkten, weil sich dann die negative Wirkung des Kaufs auf Kredit zeigt: Alle würden zeitgleich versuchen, aus dem Markt auszusteigen. Die Vermögenswerte kollabieren; was bleibt ist die Schuldenlast – ohne den entsprechenden Vermögenswert. Zu beobachten in Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase.

So schön eine Welt ewig steigender Vermögenswerte wäre, so unrealistisch ist sie. Viel wahrscheinlicher ist, dass Vermögen und Schulden gemeinsam schrumpfen. Entweder weil das Schuldengebäude zum Einsturz kommt oder weil die Politik den Empfehlungen Pikettys folgt, die Vermögenden konfiskatorisch zu besteuern, um damit die Schulden abzutragen. Da spielt es dann keine Rolle, dass Pikettys Theorie auf einem schwachen Fundament steht.

Hier der Link zum Global Wealth Report der Credit Suisse:

→ Credit Suisse: Global Wealth Report 2014, Oktober 2014

Vernünftiger wäre es allemal, die Ursachen der Ungleichverteilung anzugehen, wie ich für das manager magazin online vor einigen Wochen kommentiert habe:

→ Ursache und Wirkung verkannt, 10. Dezember 2014

Dennoch wird es wohl auf Umverteilung hinauslaufen, wie anlässlich des Besuchs von Piketty bei Gabriel kommentiert:

→ Besuch des Umverteilers, 7. November 2014