Otmar Issing zum “Mythos MMT”

Kein Geringerer als der frühere Zentralbanker Otmar Issing sieht sich bemüht, über MMT zu schreiben. Schauen wir uns das mal an:

  • “Für Uneingeweihte klingt die MMT wahrscheinlich höchst anspruchsvoll – ja sogar wissenschaftlich. Die Ausführungen ihrer Verfechter hören sich an, als hätten sie ein neues ökonomisches Paradigma entwickelt, vergleichbar mit der Kopernikanischen Wende in der Astronomie. Doch hinter dem hochtrabenden Titel und den selbstbewussten politischen Erklärungen steckt eine ebenso simple wie gefährliche Botschaft (…).” – bto: Ich würde mit Blick auf die Wirkung der Staatsverschuldung auf das Schaffen von Geld nicht von einer kopernikanischen Wende sprechen, aber von einer wichtigen Klärung. Die Schlussfolgerungen sind sicherlich nicht die richtigen, denke ich zumindest.
  • “Die MMT besagt, dass Staaten bis zum Erreichen der Vollbeschäftigung so viel ausgeben können, wie sie möchten (…), weil die Zentralbank das Geld einfach durch Betätigung der Notenpresse bereitstellen kann, ohne dass dem Staat Kosten entstehen. Ob es dieser Beitrag zum ökonomischen Gedankengut überhaupt verdient, als neue „Theorie“ bezeichnet zu werden, ist angesichts der Einfallslosigkeit (und Banalität) seines zentralen Konzepts fraglich. Tatsächlich gehen diese Vorstellungen über Staatsausgaben auf das in den 1940er Jahren vom Ökonomen Abba P. Lerner entwickelten ‘Functional Finance’-Konzept zurück. Die MMT hat dem lediglich eine staatliche Jobgarantie hinzugefügt.” – bto: Ohnehin sieht MMT immer auch eine gesellschaftlich “richtige” Verwendung der Mittel vor.
  • “Die ersten Veröffentlichungen zur MMT – wie etwa das Buch Modern Monetary Theory: A Primer on Macroeconomics for Sovereign Monetary Systems des Ökonomen L. Randall Wray – erschienen vor mehreren Jahren und stießen bei Ökonomen des gesamten politischen Spektrums nahezu einhellig auf Kritik. (…)  Im Laufe seiner jüngsten Wahlkampagne stellte Sanders die MMT in den Mittelpunkt seines wirtschaftspolitischen Programms und sorgte dafür, dass sie auf der linken Seite der Demokratischen Partei breiteren Anklang finden würde.” – bto: Das ist klar, entfällt doch die zentrale Budgetrestriktion. Ein Traum für alle Politiker.
  • “Wenn die kostenlose Finanzierung der Staatsausgaben keine Schranken kennt, leben diejenigen, die sich an den Hebeln der Macht befinden, im Schlaraffenland. Allerdings wäre es ein Paradies auf Zeit, denn ein staatlicher Ausgabenrausch würde unweigerlich zu hoher Inflation führen, woraufhin sich das Zeitfenster der günstigen Gelegenheiten schließen würde und die Bürger die Zeche über Arbeitslosigkeit und geringeres Reallohnwachstum zahlen müssten.” – bto: Das ist solange eine Behauptung, wie wir es praktisch nicht mit Inflation zu tun haben und die Befürworter von MMT versprechen, dann einfach die Steuern zu erhöhen um die Inflation zu dämpfen.
  • “Man stelle sich vor: Während zuvor keinerlei Beschränkungen hinsichtlich staatlicher Ausgaben bestanden, gibt es sie jetzt plötzlich – und die Steuern müssen erhöht werden, um das überschüssige Geld, das man vorher in Umlauf brachte, wieder zurückzufordern! Eine naivere Idee demokratischer Politik als diese sich implizit aus der MMT ergebende ist kaum vorstellbar.” – bto: Issing ist ähnlich skeptisch …
  • “(…) ab welcher Inflationsrate man genau beginnen würde, das Geld durch höhere Steuern wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Was passiert mit bereits genehmigten öffentlichen Projekten, die es noch umzusetzen gilt? Und in welcher Weise sollte die Politik Inflationserwartungen berücksichtigen, die sich wahrscheinlich bereits in Löhnen, Zinssätzen und zahlreichen Vereinbarungen niedergeschlagen haben? Die Erfahrung zeigt, dass ein einmal in Gang gekommener Inflationsprozess nur unter erheblichen gesamtwirtschaftlichen Kosten gestoppt werden kann – nicht zuletzt durch steigende Arbeitslosigkeit. Der Westen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre musste genau diese Mühsal durchstehen.” – bto: wobei wir noch die ungelöste Problematik der viel zu hohen Schulden haben, die auch einer Lösung bedürfen.
  • “(…) die Vorstellung, ausländische Investoren wären unter solchen Umständen weiterhin bereit, in diese Währung zu investieren, ist nicht stichhaltig. Ab einem gewissen Punkt wäre ausländisches Kapital praktisch ausgeschlossen, wodurch sich gravierende Folgen für die Finanzierung privater Unternehmen ergäben. Auch dafür behauptet die MMT eine Lösung zu haben: im Falle der USA wird so getan, als könnte die Regierung die Kontrolle über die Zinssätze nicht verlieren.” – bto: Noch besser könnte der Staat in die Finanzierung der Unternehmen eintreten und damit bekämen wir die Planwirtschaft über die Hintertür.
  • “Im heutigen Umfeld von Null- oder sogar Negativzinsen und den massiven Ankäufen von Staatspapieren durch die Zentralbank erleben wir einen Schritt in Richtung MMT. Wenn sich die Regierungen darauf verlassen können, dass ihre Zentralbanken unbegrenzte Mengen an Staatspapieren kaufen, um einen Zinsanstieg zu verhindern, haben sie der Zentralbank die Kontrolle über die Geldschöpfung bereits entzogen.” – bto: In der Eurozone ist es so, dass ohne Handeln der EZB der Euro platzt, also befindet sich die EZB ebenfalls in einer solchen Falle. Die Regierungen müssen keinen Druck ausüben.

MMT beschreibt die Mechanik richtig. Es geht um die Frage der Begrenzung. Traut man diese der Politik zu oder nicht?

project-syndicate.org: „Der Mythos MMT“, 3. November 2020