(Noch) ist Europa nicht wie Japan

Japan gilt als warnendes Beispiel, wie man enden kann, wenn die falsche Politik verfolgt wird. Das hindert allerdings unsere Politiker und Notenbanker unter lauten Rufen “Es-darf-nicht-wie-in-Japan-werden” genau denselben Weg zu beschreiten. In den kommenden Tagen plane ich noch einen weiteren Beitrag dazu. Hier schon mal zum Aufwärmen ein kurzer Text von Bloomberg. Gute Nachricht: Wir sind noch nicht wie Japan:
  • The region’s bout of misery this year – Germany’s industrial slump and the struggle to fix its banks, Italy’s inability to reform, the apparent defeat of central bankers seeking to wean the euro area off stimulus – may seem to make perpetual malaise look inevitable. The euro region’s economy is similar in important ways to its Asian counterpart two decades ago: Interest rates at or below zero, the mountains of debt and non-performing loans, populations transitioning from an aging society to an aged one.” – bto: Damit ist das Problem gut zusammengefasst. In der Tat sind die Zinsen hierzulande deutlich gesunken, was für keine übermäßigen Wachstumshoffnungen spricht.

 Quelle: Bloomberg

  • “‘I’m very worried about it,’ said Adam Posen, president of the Peterson Institute for International Economics, whose areas of expertise include both Japan and Germany. ‘Europe’s Japanification is a real risk.’ Japan’s so-called lost decade, triggered by the bursting of a bubble in stocks and real estate, pushed the economy into anemic growth or none at all, with rising unemployment and falling interest rates.” – bto: Mittlerweile sind es aber drei Jahrzehnte und nicht nur eines!

Sodann macht sich Bloomberg die Mühe und sucht nach Ähnlichkeiten und Unterschieden:

Schrumpfende Erwerbsbevölkerung

  • “The euro area’s working-age population has decreased as people live longer and have fewer children. Overall population growth is set to peak in 2045, according to Eurostat, so the region is well on track to match Japan. There, the population has fallen for the last seven years; one in three people is now age 60 or olderAging populations are often thought to weaken inflation pressures, as people save for retirement and spend less per capita.” – bto: Es gibt eine Studie der BIS, die die Relation von Abhängigen zu Beitragszahlern für entscheidender hält (“dependency ratio”), wobei auch Kinder mit unterstützt werden müssen. Hier findet man, dass eine höhere Zahl Abhängiger im Schnitt zu höherer und nicht tieferer Inflation führt.

Quelle: Bloomberg

  • “Japan’s demographic squeeze has brought more women and old people into work and pushed the overall unemployment rate to 2.3 percent, near the lowest level in more than two decades. Yet wage growth is tepid, insufficient to spur inflation. In the euro area, on the other hand, unemployment is still above its pre-crisis low, yet workers’ pay has started to improve (…)” – bto: Aber das ist kein Zeichen der Entwarnung. Wir werden eventuell höhere Inflation sehen bei anhaltender Arbeitslosigkeit, weil die Eurozone eben kein funktionierender Währungsraum ist. Das könnte dann die These der BIS bestätigen. Dennoch hätten wir es mit zu hohen und nicht bewältigbaren Schulden zu tun. 

Geldpolitik

  • “The BOJ was the first major central bank to embrace radical monetary policy, yet it’s still locked into negative interest rates and asset purchases, and weighing more easing. The ECB is a long way from raising rates. While it may be unable to adopt more BOJ-like measures if the slowdown worsens, the bank could be locked into its current stance for a while.” – bto: natürlich, weil höhere Zinsen den Stecker ziehen würden für Euro und Vermögenswerte. Undenkbar, da es die eigene Existenz der EZB aufs Spiel setzen würde. Die EZB wird mindestens so radikal werden wie die Bank of Japan. Es gibt doch schon die erste Diskussion von möglichen Aktienkäufen durch die EZB. 

Inflationserwartungen

  • “While inflation in the euro area has picked up, it’s still below the ECB’s goal of just under 2 percent, and the core rate is stuck around 1 percent.” – bto: Klar, hohe Schulden, dysfunktionale Banken und von Nullzinsen am Leben gehaltene Zombies müssen tendenziell deflationär wirken. 

 Quelle: Bloomberg

  • “The ECB says the risk that markets anticipate even slower inflation is “very low.” Investors are less sanguine: A gauge based on derivatives prices has plunged to 1.3 percent, the lowest level since 2016 – when the ECB was buying bonds at a rate of 80 billion euros ($90 billion) a month.” – bto: Dieses Bild unterstreicht halt nur, dass es eben nichts bringt, zu versuchen, mit immer höheren Schulden die Probleme aufzuschieben und auszublasen. 

 Quelle: Bloomberg

Schulden und Zinsen

  • “Japan’s debt-to-GDP ratio is now above 230 percent, and rising as deficits pile up. European Union rules impose fiscal limits that will limit such a buildup. The euro area’s ratio is 89 percent and is forecast to decline slowly, though a weaker economy and the need for fiscal stimulus could hamper progress.” – bto: Das ist nur das halbe Bild. In Japan hat der Staat in den letzten Jahrzehnten Schulden gemacht, während der zuvor hoch verschuldete Unternehmenssektor die Schulden abgebaut hat. Man muss also auf die Gesamtschulden blicken und da liegt Japan auch auf höherem Niveau, aber der Unterschied ist nicht so hoch. Außerdem verfügt das Land über erhebliches Auslandsvermögen …, nicht wie wir in Form von Target2-Forderungen!
  • “Still, bond yields tell a worrying story: German borrowing costs are converging with those of Japan. ‘Japan and the euro area are not that dissimilar,’ said Andrew Bosomworth, a money manager at Pacific Investment Management Co. ‘We’re just following in their footsteps.’” – bto: Das ist der Manager von POMCO, der Allianz-Tochter. Also nicht irgendwer. 

Migration

  • “The euro area’s more dynamic labor market, with both external and internal migration, is a key caveat to comparisons with Japan. Net inflows of migrants peaked in 2015 as a recovering European economy coincided with instability in North Africa and the Middle East. That helped soften declines in the working-age population.” – bto: Auch bei Bloomberg hat man noch nicht erkannt, dass es nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität ankommt bei diesen Betrachtungen. Natürlich bringt diese Art der Migration nichts.
  • “More recently, however, Europeans have grown resistant to large-scale immigration. Annual net inflows into the euro area will decrease in the coming decades, according to Eurostat.” – bto: Angesichts des demografischen Drucks vor unserer Haustür ist das nichts anderes als Wunschdenken. Es wäre aber – im Unterschied zu dem, was Bloomberg denkt – positiv, weil dann mehr Ressourcen für die Versorgung der Alten und die Steigerung der Produktivität der Jungen vorhanden wären und nicht für die Versorgung der Zuwanderer aufgewandt werden müssten.
  • Japan, with 126 million people, has only about 1.3 million foreign workers and remains opposed to a formal immigration policy. The government is likely to issue five-year residency permits to as many as 345,000 low-skilled workers over the next five years. That would plug about one-quarter of the predicted labor shortfall.” – bto: Das glaubt doch niemand. Besser ist es, zu erwähnen, dass Japan voll auf Automatisierung setzt und damit wohl die bessere Antwort auf den Wandel hat als wir.
Kommentare (21) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Alexander
    Alexander sagte:

    @ Dietmar Tischer

    Ungelenker Trollversuch :o)

    Japan´s Aufprall wird später, weniger hart und nicht multikulturell geschehen.
    Japan altert mit Würde ohne Analphabeten als Nachsiedler in den Allerwertesten zu kriechen.

    Alle machen es besser als die Deutschen, weil wir nicht einmal im Untergang aufhören uns gegenseitig zu hacken, .dh. zu Tode zu konkurrieren.

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  2. Gunnar Heinsohn
    Gunnar Heinsohn sagte:

    WAS DEN JAPANERN NICHT NACHGEMACHT WERDEN KANN!

    Bei den besonders streng gesiebten Patentanmeldungen nach dem Patent Cooperation Treaty (PCT) kommen 2017 rund 48.000 aus Japan, aber nur 19.000 aus Deutschland (https://www.wipo.int/export/sites/www/pressroom/en/documents/pr_2018_816_annexes.pdf#annex1). Bei zwei Dritteln der japanischen Bevölkerung (82 zu 126 Millionen) – hätten die Deutschen für einen Gleichstand 32.000 Anmeldungen benötigt.

    Sechs japanische Anbieter sind 2016 gut für drei Viertel der global installierten Industrieroboter (https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=BERD_INDU; https://www.therobotreport.com/collaborative-robots-are-broadening-their-marketplaces/).

    Unter den 20 Privatfirmen mit den meisten AI-Patenten kommen 2018 eine aus Korea, je zwei aus Deutschland und China, drei aus den USA, aber zwölf aus Japan (https://www.wipo.int/edocs/pubdocs/en/wipo_pub_1055.pdf).

    Kopenhagens U-Bahn-System wird nicht von Dänen oder von Siemens aus dem benachbarten Deutschland, sondern von Hitachi aus Japan automatisiert und roboterisiert (https://www.youtube.com/watch?v=Q0FhXknxYj4).

    Was Europa den Japanern nicht machmachen kann, ist die Kompetenz, mit der sie seit den 1960er Jahren Deutschlands Hightech-Industrien (Kameras, Tonträger etc.) in die Knie gezwungen haben. Ohne die Cognitive Ability aber bleiben auch die monetären und fiskalischen Instrumente stumpf.

    In den 2005 bis 2009 geborenen Alterskohorten hat Deutschland rund 190.000 Jugendliche mit „advanced“ Mathe-Fähigkeiten. In Frankreich sind es 100.000, in Japan dagegen 1,8 Millionen (https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/der-verfall-des-deutschen-bildungswesens-in-zahlen/).

    Gunnar Heinsohn

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Gunnar Heinsohn

      >WAS DEN JAPANERN NICHT NACHGEMACHT WERDEN KANN! ….

      … Ohne die Cognitive Ability aber bleiben auch die monetären und fiskalischen Instrumente stumpf.>

      Welche Erkenntnis ziehen wir daraus?

      Wir haben mal wieder Glück.

      Denn die unvermeidliche Anpassung nach unten wird uns ohne die individuellen hohen Ansprüche, die mit der japanischen Cognitive Ability verbunden sind, wesentlich leichter fallen als mit ihr.

      Den Japanern kann man nur wünschen, dass die Welt noch lange Industrieroboter braucht und sie es mit ihren Fähigkeiten schaffen, anderen immer einen Schritt voraus zu sein.

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      • Klaudia
        Klaudia sagte:

        @Dietmar Tischer:
        Ich fürchte, Sie verwechseln Fähigkeiten mit Ansprüchen.

        Wir haben hierzulande reichlich Leute ohne nennenswerte Fähigkeiten, aber mit trotzdem riesigen Ansprüchen und deren Zahl wächst seit 2015 auch noch rapide.

        Ich glaube nicht, daß denen die unvermeidliche Anpassung nach unten leichter fallen wird, weil dafür jegliche Bereitschaft fehlt…

  3. ruby
    ruby sagte:

    Sommer-Geldlektüre zu Law und anderen: Claude Cuenis “Das Große Spiel” Papiergeld und seine zwei anderen Romane zu Gold und Virtualgeld.

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  4. Eva Maria Palmer
    Eva Maria Palmer sagte:

    @ Herr Stöcker

    Um den geldpolitischen Unfug und die hanebüchenen Geldtheorien, die im Umlauf sind, zu begreifen, muß man nicht in die Sterne gucken.

    Es reicht, wenn man sich die Bilanz der EZB und ihre “Whatever it takes” (Un-) Taten und die weiteren Enteignungspläne in der Pleite- und Transfer-Union anschaut, dann fühlt man sich die Zeiten von John Law versetzt, dessen Bankrott- Aktionen auch ihm den Titel eines bedeutenden Geld-Theoretikers verschafft haben.

    Vorläufig beachte ich in erster Linie nicht die Sterne, sondern die sehr professionellen Beiträge von Dr.Stelter:
    “Das monetäre Endspiel…”
    “Globale Geldordnung am Ende…”
    “Die Welt vor dem deflationären Schock…” etc.

    Das tolle Stelter-Buch “Eiszeit” wäre sicherlich auch in diesem Zusammenhang für Sie von Interesse.

    Antworten
    • Christian Hu
      Christian Hu sagte:

      Es hilft der Gang in die örtliche Online-Hochschule, um unser aktuelles Geldsystem zu verstehen.

      Auch in altbewährten Analog-Unis steht Monetarismus zunehmend nicht mehr auf dem Lehrplan.

      Eine dritte Alternative ist der Blog von Hrn. Stöcker, dort gibt es hervorragende Erklärungen auch für Neulinge. Perry Mehrling ist ebenfalls zu empfehlen

      Antworten
    • Eva Maria Palmer
      Eva Maria Palmer sagte:

      @Richard Ott

      ..kommen die Kommentare massiv ins Stöckern…

      Die “Stöckerer” sollten sich den professionellen Stelter-Blog:
      “Das monetäre Endspiel wird vorbereitet”
      mal zu Gemüte führen und auf die Querverweise von spinnerten Geld-Vernichtern verzichten.

      Antworten
  5. Eva Maria Palmer
    Eva Maria Palmer sagte:

    Für mich vollkommen unverständlich, wie man auch nur ansatzweise für die katastrophale Geldpolitik Japans Verständnis haben kann.
    John Law-Draghi und der japanische Schuldenstand.
    Wer wünscht sich denn so etwas?

    Antworten
    • MFK
      MFK sagte:

      Das sehen Sie falsch. Hören Sie sich mal ein paar Youtube clips von Richard Koo an (Stichwort Balance sheet recession). Er erklärt sehr gut, warum diese Geldpolitik richtig ist. Das Problem ist, dass das nicht 1:1 auf Europa übertragbar ist, da die Volkswirtschaften hier zu unterschiedlich sind.

      Antworten
  6. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    „Europe is not Japan“

    Stimmt! Aber wieso „(Noch)“?

    Japan war nie ein wirkliches/großes Problem. Das große Problem ist Euroland.

    Adair Turner hatte 2015 zu Japan geschrieben:

    „Japan— The Canary in the Mine

    Ahead of the crisis, the relentless rise in private- sector leverage shown in Figure 1.2 in Chapter 1 provoked little concern. But it should have, because from the 1990s on, Japan provided a warning of the huge damage a debt overhang can cause. Richard Koo explained how in an important book published in 2008— The Holy Grail of Macroeconomics: Lessons from Japan’s Great Recession.

    Japan successfully used a form of directed credit policy to achieve high investment and rapid economic growth during the 1950s to 1980s. From the early 1980s on, however, its banks were increasingly allowed to enter real estate lending and had incentives to do so. In addition many nonfinancial companies became heavily involved in real estate speculation alongside their core manufacturing or consumer service activities.

    The result was a massive credit- fueled real estate boom, with domestic bank credit increasing 65% from 1985 to 1989, real estate lending increasing four times, and land prices rising 245%.4 In total Japan’s land was valued at around 5.2 times GDP, driving Japan’s total wealth to income ratio from about 510% in 1980 to a peak of 800% in 1990. Market prices suggested that the gardens surrounding the Imperial Palace in central Tokyo, if available for building, would be worth as much as all the land in California: the market value of land in one of Tokyo’s districts, central Chiyoda, was said to exceed that of the whole of Canada.

    In 1990 the bubble burst, and commercial property prices fell in some locations by as much as 80%. Japanese companies, which had borrowed money in expectation of further real estate price increases, suddenly focused on the need to pay back swollen debts out of operational cash flow. They therefore cut investment in an attempt to deleverage. Rather than being net borrowers from other sectors of the economy, they switched to being net savers and continued to be so even when interest rates were cut to nearly zero. In Koo’s terms, Japan had entered a “balance sheet recession,” in which companies were so determined to improve their balance sheets by paying down debt that low interest rates were powerless to stimulate expenditure. Two decades of slow growth and gradual price deflation followed.

    But before the crisis of 2007– 2008, the lessons from Japan’s experience were largely ignored by Western economists, regulators, and central banks. Japan, it was commonly assumed, was so different and exceptional that what happened there carried few general implications. But the analysis of Jordá, Schularick, and Taylor shows that debt overhang effects resulting from real estate lending have become steadily more important across the advanced economies. Recessions are on average much deeper and longer lasting when preceded by large build- ups of mortgage debt, and debt overhang effects resulting from mortgage lending have become more important as banking systems have become more biased toward real estate. Moreover, these authors show that “recessions tend to be considerably deeper and the recovery much slower when the preceding boom saw a strong expansion of mortgage debt,” irrespective of whether there was a financial crisis involving the failure of a major bank or other financial institution. The early 1990s recession in the United Kingdom is a case in point. A strong credit and house price boom in the late 1980s was followed by falling house prices, depressed demand, a recession, and then very slow recovery, even though loan losses were never high enough to threaten the solvency of the banking system.

    Financial crises and bank insolvencies can cause great harm, but the debt overhang created by excessive private credit creation can be more harmful still.” https://books.google.de/books?id=JAqqDQAAQBAJ&lpg=PP1&hl=de&pg=PA75#v=onepage&q&f=false

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