Neue Studie zu Vermögens­verteilung in Deutschland

Vor Kurzem präsentierte die Bundesbank neue Daten und wir haben sie diskutiert:

Dank Immobilien haben die Deut­schen etwas aufgeholt

Nun eine weitere Studie zur Entwicklung von Vermögen in Deutschland. Zum Analystenteam gehört Prof. Moritz Schularick, der bereits einmal in meinem Podcast zu Gast war und es am kommenden Sonntag (21. August 2022) erneut sein wird. Norbert Häring fasst die Kernaussagen im Handelsblatt zusammen. Meine Auswahl:

  • Drei Ökonominnen und Ökonomen haben den Wohlstand in Deutschland und seine Verteilung neu vermessen – anhand des marktfähigen Vermögens wie Geld, Geschäfts- und Immobilienwerten. Thilo Albers von der Humboldt-Universität, Charlotte Bartels vom Forschungsinstitut DIW und Moritz Schularick von der Universität Bonn haben tief in die Statistiken geschaut. Wie groß sind die Vermögen, ab wann gilt man als reich, und wie ist der Wohlstand im Land verteilt?“ – bto: Die wichtige Frage ist danach. Welche Rolle spielt das überhaupt?
  • Die erste Erkenntnis: Die offiziellen Zahlen unterschätzen den deutschen Wohlstand deutlich. ‘Deutschland ist erheblich reicher, als die offiziellen Statistiken zeigen’, schreiben die Ökonomen. Allerdings schlägt sich dieser nicht erfasste Reichtum nur bei der besser situierten Hälfte der Bevölkerung nieder.“ – bto: Das ist nicht überraschend, denn es muss Vermögen besitzen, wer von einer Vermögenspreisinflation profitieren will.
  • Einer der Hauptgründe der Untererfassung: Nicht börsennotierte Unternehmen sind erheblich wertvoller, als die teilweise an Buchwerten orientierte Statistik es ausweist.“ – bto: Und wir wissen, vor allem die obersten zehn Prozent halten ihr Vermögen überwiegend in Unternehmensanteilen.  
  • Zudem werden bei den Immobilienwerten die starken Wertsteigerungen nur sehr verzögert und unvollkommen abgebildet. Frankreich und Großbritannien bewerten Immobilien zu Marktpreisen. Deutschland schätzt den Wert für Gebäude und Boden getrennt. Die Kosten für das Gebäude werden mit den späteren Investitionen und den Abschreibungen fortgeschrieben. Experten schätzen den Bodenwert mit einem pro Bundesland einheitlichen Wert. Dabei würden die Ballungszentren mit ihren hohen Preisen viel zu niedrig gewichtet, zeigt die Studie.“ – bto: Das ist dann eine berechtigte Korrektur, wobei es sicherlich nicht genügt, um die Lücke zu den anderen Ländern zu schließen.
  • Die Forscher kommen auf ein Immobilienvermögen von zehn Billionen Euro, zwei Billionen mehr, als die offizielle Statistik aufführt. Der Anstieg ab 2010 wird dabei deutlich steiler. Das Betriebsvermögen ist sogar mit etwa vier Billionen Euro doppelt so groß wie in der offiziellen Statistik.“ – bto: überschlägig also 120 Prozent des BIP. Damit kämen wir von ca. 4.5-mal BIP auf 5,7-mal BIP, wenn ich die Zahlen der Credit Suisse mal runde. Wir würden damit gegenüber Italien und Frankreich aufschließen, lägen aber immer noch dahinter. Außerdem dürfte auch in anderen Ländern das Datenmaterial nicht so perfekt sein.
  • Die Untererfassung des Betriebsvermögens finde man in ganz Europa, sagt Bartels. Aber weil nichtbörsennotierte Unternehmen in Deutschland eine besonders große Rolle spielen, dürften die Deutschen seiner Einschätzung nach beim Durchschnittsvermögen im internationalen Vergleich besser dastehen, als es die offiziellen Statistiken erscheinen lassen.“ – bto: Nur was nutzt es den anderen Bürgern, da dieses Vermögen traditionell und nicht unbegründet verschont wird.
  • Die Vermögensverteilung wird meist anhand von repräsentativen Bevölkerungsbefragungen ermittelt. Doch die von den Befragten angegebenen Vermögen sind viel zu niedrig im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Deutschen. Und die richtig Reichen werden von diesen Umfragen ohnehin so gut wie nicht erfasst. Die drei Ökonomen nutzen deshalb zusätzliche Quellen, wie etwa die Reichenliste des ‘Manager Magazins’, und erhöhen außerdem die angegebenen Vermögen um einen Faktor, der die Umfragewerte mit dem vorhandenen Gesamtvermögen in Einklang bringt.“ – bto: Das ist eine Annahme, die man machen kann.
  • Schaut man auf den Anteil des reichsten Hundertstels oder Tausendstels der Bevölkerung am Gesamtvermögen, so sind diese in den letzten Jahrzehnten zwar gestiegen, aber nicht sehr ausgeprägt, wenn man das mit historischen Schwankungen vergleicht. Die Reichen sind also der Mittelschicht, die fast das gesamte übrige Vermögen hält, nicht enteilt. Gleichzeitig ist jedoch die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung seit etwa 1990 deutlich zurückgefallen.“ – bto: Hier stellt sich die Frage, inwiefern das so stimmt. Ich denke an die Zuwanderung.
  • Das liegt laut der Studie daran, dass die Reichen von stark gestiegenen Werten ihrer Unternehmensanteile profitiert haben, die etwas mehr als die Hälfte ihres Vermögens ausmachen. Die Mittelschicht profitierte seit etwa 2010 von steil ansteigenden Immobilienpreisen, die für sie die wichtigste Anlageklasse darstellen.“ – bto: Ist das ein realer Ertrag? Ich denke an den Duration-Effekt.
  • Hinzu kommt, dass die Mittelschicht prozentual mehr Vermögen durch Konsumverzicht aufbaute als die Oberschicht. Von 1993 bis 2018 kamen gut zwei Drittel des Vermögenszuwachses der Mittelschicht aus Ersparnissen, während beim reichsten Prozent etwas mehr als die Hälfte allein aus dem Anstieg des Wertes ihrer Unternehmensanteile resultierte.“ – bto: Wenn es aus Ersparnissen stammt, ist es dann richtig, dies zum Beispiel mit einer Vermögenssteuer zu belasten?
  • “Insgesamt verdoppelte die obere Hälfte inflationsbereinigt ihr Vermögen seit 1990. Bei der unteren Hälfte stagnierte es. Dazu trug bei, dass der Einkommensanteil der unteren Hälfte von 30 Prozent in den Sechzigerjahren auf 25 Prozent in den Achtzigern gesunken ist. Entsprechend schwieriger war es für sie seither, durch Ersparnis Vermögen aufzubauen.“ – bto: Wobei die Frage ist, ob die unteren Schichten nicht doch eine Mobilität hatten, es also andere Menschen sind, die in der unteren Ebene sind als vor beispielsweise zehn Jahren.
  • Hinzu kommt der von Studien immer wieder bestätigte Effekt, dass Reiche viel höhere Renditen erzielen als Menschen mit geringem Vermögen. Das gilt sogar innerhalb der gleichen Anlagekategorien. Ob es an größerem Geschick liegt oder daran, dass sie dank besserer Verhandlungsposition bessere Anlageoptionen und -beratungen bekommen, blieb jedoch offen.bto: Ich vermute, es liegt an der Risikotragfähigkeit.
  • Wer also die Reichen mit der Mittelschicht vergleicht, sieht alles im Lot. Wer dagegen die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung mit der oberen Hälfte vergleicht, sieht die Schere immer weiter aufgehen. Übliche Verteilungsmaße wie der Vermögensanteil des oberen Prozents oder der sogenannte Gini-Koeffizient, ein oft genutztes Maß für Ungleichheit (mehr dazu hier), bilden das kaum ab, da der Vermögensanteil der unteren Hälfte so klein ist. Wichtig: Rentenansprüche sind in dieser Untersuchung, die sich nur auf marktfähiges Vermögen bezieht, nicht berücksichtigt. Der Anteil der unteren Hälfte am Gesamtvermögen wäre sonst deutlich höher – allerdings wäre auch der Rückgang ihres Anteils stärker, da die Rentenansprüche gesunken sind.“ – bto: Letzteres sehe ich nicht so, denn im unteren Einkommensbereich dürfte die Rente nicht überproportional gesunken sein. Im Gegenteil, wir haben jetzt auch eine Mindestrente.
  • Durch die deutsche Wiedervereinigung vergrößerte sich das Privatvermögen nur um acht Prozent, im Vergleich zum sprunghaften Bevölkerungswachstum war das nicht viel. Aufgrund der sozialistischen Wirtschaftsordnung in der DDR traten die ostdeutschen Haushalte mit viel weniger Immobilien- und Betriebseigentum der Bundesrepublik bei. Das Reichtumsgefälle ist in den letzten 30 Jahren nur wenig kleiner geworden.“ – bto: Das liegt auch an der Abgabenlast. Generell tun wir zu wenig, um Vermögensbildung zu fördern.
  • Im sehr langfristigen Vergleich ist die Vermögenskonzentration bei den Reichsten heute nur gut halb so hoch wie gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die beiden Weltkriege und die jeweiligen Nachkriegszeiten brachten einen dramatischen Rückgang der Vermögenskonzentration durch Vermögensvernichtung. Seit den Fünfzigern hat sich im Vergleich dazu in der oberen Hälfte der Verteilung nicht mehr viel getan.“ – bto: Gut möglich, dass wir vor einer erneuten Phase der Vermögensvernichtung stehen.

handelsblatt.com:„Vermögensverteilung in Deutschland: Die Deutschen sind reicher als gedacht“, 5. August 2022