Neodirigismus kommt uns teuer zu stehen

Am 3. Juli 2022 geht es in meinem Podcast schwerpunktmäßig um den “Neodirigismus”, also die Neigung der Politik, immer mehr in den Markt einzugreifen. Im idealen Staat werden Rahmenbedingungen gesetzt und dort, wo nötig über Regulierung und vor allem Preissignale korrigierend eingegriffen. Zudem erfolgt eine gewisse Umverteilung zum sozialen Ausgleich. Doch so ein idealer Staat ist aus Sicht von Politikern schlichtweg uninteressant. Es gäbe relativ wenig zu tun und damit kaum eine Bühne für die Politik. Also muss etwas passieren – und damit sind wir in der heutigen Welt, wo interveniert wird, was das Zeug hält. Clemens Fuest vom ifo Institut hat das in einem sehr guten Artikel in der F.A.Z. verdeutlicht und ist morgen mein Gesprächspartner. Er spricht vom “Neodirigismus”.

Die Highlights:

  • “Derzeit vergeht kaum ein Tag, ohne dass gesellschaftliche und ökonomische Missstände auf eine angeblich neoliberale Politik zurückgeführt werden. (…) Wer heute von Neoliberalismus spricht, meint aber meistens eine übermäßige Marktgläubigkeit und einen Rückzug des Staates aus Feldern, in denen er eigentlich gebraucht wird.” – bto: Und er meint es dediziert negativ. Freie Märkte sind ein Graus, alles muss der Staat regeln.
  • “Tatsächlich ist von einem Rückzug des Staates aus der Wirtschaft in Deutschland wenig zu sehen. Die Staatseinnahmenquote lag 2018 nach Zahlen des Internationalen Währungsfonds bei 46,4 Prozent und damit höher als in allen Jahren seit der Wiedervereinigung mit Ausnahme des Jahres 1999, als diese Quote kurzzeitig 46,5 Prozent erreichte.” – bto: so hoch wie noch nie während eines ökonomischen Booms!
  • “Die inflationäre Verwendung des Begriffs Neoliberalismus ist insofern paradox, als die politische Debatte in Deutschland zunehmend von einer Haltung geprägt ist, die das Gegenteil von liberal oder neoliberal ist: Man kann diese Haltung als Neodirigismus bezeichnen.” – bto: Und wir sind erst am Anfang, gibt es doch keine Partei mehr, die für Freiheit eintritt.
  • “Neodirigismus zeichnet sich durch die folgenden Charakteristika aus: Erstens besteht ein geringes Vertrauen in die Fähigkeit von Märkten, Preismechanismen und Wettbewerb, wirtschaftliche Probleme zu lösen. Stattdessen wird staatlichen Institutionen zugetraut, durch steuernde Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen bessere Ergebnisse zu erzielen.” – bto: was schon deshalb komisch ist, weil wir doch wissen, dass die Alternative kläglich scheitert. Bei jedem erneuten Versuch.
  • “Zweitens gehört zum Neodirigismus die Vorstellung, dass ökonomische Anreize für wirtschaftliche Entscheidungen keine zentrale Rolle spielen. Daraus folgt drittens die These, dass der Staat durch Preisregulierungen, Sozialtransfers oder Steuern Einkommen umverteilen kann, ohne dass größere Ausweichreaktionen und schädliche Nebenwirkungen zu befürchten sind. Diese Haltung erinnert an den wirtschaftspolitischen Dirigismus der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts.” – bto: der bekanntlich auch auf voller Linie gescheitert ist.
  • “Das wichtigste Beispiel ist die Umwelt- und Klimapolitik. Um beim Schutz der Umwelt unnötige Kosten zu vermeiden, sind Preissignale unentbehrlich. Sie sorgen dafür, dass Umweltbelastungen dort vermieden werden, wo die Kosten der Vermeidung am niedrigsten sind. Die deutsche Klimapolitik hat jahrzehntelang die Einführung eines einheitlichen CO2-Preises verweigert. Stattdessen hat man auf ein Sammelsurium von nicht aufeinander abgestimmten Maßnahmen gesetzt, die viel Geld gekostet haben. Trotzdem verfehlt Deutschland seine Klimaziele.” – bto: Wie sehr unsere Politiker hierbei versagt haben und unseren Wohlstand aus dem Fenster geworfen haben, war immer wieder Thema bei bto: → Versuch der Sachlichkeit in der Klimadebatte
  • “Mittlerweile hat man sich darauf geeinigt, einen einheitlichen CO2-Preis anzustreben. Die positiven Wirkungen dieses Instruments werden aber durch eine Vielzahl ergänzender, lenkender Eingriffe überlagert. Es ist beispielsweise kontraproduktiv, zusätzlich zu einem einheitlichen CO2-Preis Flottenverbräuche für Autohersteller vorzuschreiben, wie es mit der EU-Verordnung zu CO2-Emissionen von Autos geschieht. Diese Verordnung legt fest, dass die CO2-Emissionen von Neuwagen zwischen 2021 und 2030 um 37,5 Prozent reduziert werden müssen. Sinn des einheitlichen CO2-Preises ist es eigentlich, dass sich im Wettbewerb herausstellt, wo CO2-Emissionen zu den geringsten Kosten eingespart werden können. Wenn die massive Senkung von Emissionen bei Autos die kostengünstigste Art ist, die Ziele zu erreichen, wird sich das auch ohne Regulierung ergeben. Aber es ist durchaus denkbar, dass die Senkung des CO2-Ausstoßes in anderen Sektoren, beispielsweise bei den Gebäudeheizungen, weniger Kosten verursacht. Dann wird durch die CO2-Verordnung für Autos das Erreichen der Klimaziele unnötig verteuert.” – bto: Und das, weil Politiker sich einbilden, es besser zu wissen – oder aber, weil es ein Vorwand ist, die Gesellschaft nach eigenen Vorstellungen umzubauen.
  • “Es ist auch nicht zielführend, zusätzlich zum CO2-Preis das Errichten von Sonnenkollektoren und Windrädern zu subventionieren und dabei auch noch Ausbauziele für einzelne Technologien vorzugeben. Der CO2-Preis allein sorgt schon dafür, dass Energiequellen, die kein CO2 ausstoßen, einen Kostenvorteil haben. Auch untereinander sollten erneuerbare Energiequellen miteinander konkurrieren. Darüber hinausgehende Förderung und politische Lenkung des Ausbaus einzelner erneuerbarer Energien erhöht ebenfalls die Kosten des Klimaschutzes.” – bto: Ich erinnere an die 82 Milliarden für die Fotovoltaik mit einer Einsparung von zwei Prozent unseres CO2-Ausstoßes.
  • “Da derartige Eingriffe (…) den Klimaschutz verteuern, untergraben sie letztlich klimapolitische Ziele. Hinzu kommt, dass das Ausmaß an CO2-Emmissionsabbau für Deutschland und Europa ohnehin durch internationale Verpflichtungen vorgegeben ist. Förderung sollte sich auf Forschung und Entwicklung neuer Technologien konzentrieren, nicht auf die flächendeckende Subventionierung des Ausbaus bekannter Technologien.” – bto: Für diese klare Erkenntnis muss man nun wahrlich nicht studiert haben. Es ist weniger überraschend, was hier gesagt wird, als dass es nicht Allgemeinwissen ist. Daran sind aber die Politiker und die Medien schuld, die damit andere Ziele als den Klimaschutz verfolgen.
  • “Zusätzliche Eingriffe (…) werden in Fällen gebraucht, in denen der CO2-Preis nicht wirkt. Beispielsweise senkt die bessere Wärmedämmung von Gebäuden die Heizkosten für Mieter. Wenn die Kosten dafür aber aufgrund von Mietregulierungen nicht vollständig auf Mieten umlegbar und deshalb teilweise von Vermietern zu tragen sind, werden steigende CO2-Preise nicht dazu führen, dass Gebäude im richtigen Umfang isoliert werden. (Hier) kann es sinnvoll sein, ergänzend finanzielle Anreize für Vermieter zu schaffen, damit sie in Wärmedämmung investieren.” – bto: Besser wäre es, alles umlegbar zu machen und die Mieten freizugeben und im Gegenzug Steuern und Abgaben zu senken und das Wohngeld zu erhöhen.
  • “Unnötiger Dirigismus schadet auch in anderen Bereichen der Umweltpolitik, etwa der Begrenzung von Feinstaubemissionen in Innenstädten. (…) Statt Verbote zu fordern, sollte man auf flexible Mautsysteme setzen. Bei hoher Feinstaubbelastung sorgen steigende Mautgebühren dafür, dass nur diejenigen mit dem Auto in die Stadt fahren, für die ein Verzicht auf das Auto mit hohen Kosten verbunden wäre. (…) Viele Politiker ziehen jedoch Fahrverbote vor. Die haben aber den Nachteil, nicht zwischen den sehr unterschiedlichen Konsequenzen des Verbots für einzelne Autofahrer zu unterscheiden – die Eindämmung der Feinstaubbelastung wird damit gesamtwirtschaftlich deutlich teurer als nötig.” – bto: Aber Geld spielt doch in einem so reichen Land wie Deutschland keine Rolle … :-)
  • “Während laut gefordert wird, die öffentlichen Investitionen auszuweiten, werden private Investitionen kaum beachtet. Dabei ist das Volumen der privaten Investitionen etwa neunmal so hoch wie das der öffentlichen. Man kann durchaus der Meinung sein, die öffentlichen Investitionen, die in den vergangenen Jahren schon gestiegen sind, müssten weiter erhöht werden. Aber auch das würde nichts daran ändern, dass die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands vor allem im Bereich der privaten Investitionen entschieden wird. Um hier voranzukommen, sind bessere Rahmenbedingungen erforderlich. In der Unternehmensbesteuerung werden derzeit durch Verlustausgleichsbeschränkungen riskante gegenüber weniger riskanten Investitionen diskriminiert, im internationalen Vergleich ist die Steuerlast zu hoch. Außerdem wird eine verlässliche Versorgung der Industrie mit bezahlbarem Strom benötigt.” – bto: Auch dies wird getragen von Politikern, die glauben, es besser zu wissen.
  • “Niedrigere Unternehmensbesteuerung, so die Behauptung, würde nicht zu mehr Investitionen in Deutschland führen, Vermögensteuern nicht zu einer Kapitalflucht. Dass viele Studien das Gegenteil zeigen, wird ignoriert. Aus der Existenz negativer Nebenwirkungen von Steuern allein folgt nicht, dass man sie senken oder gar nicht erst erheben sollte. Aber diese Wirkungen müssen bei der Abwägung von Kosten und Nutzen finanzpolitischer Reformen ernst genommen werden.” – bto: Das würde aber ein ganzheitliches Denken voraussetzen und das können wir uns schon gar nicht leisten!
  • “Ein besonders krasses Beispiel (…) ist der (…) Berliner Mietendeckel. Die Politik verlässt sich hier darauf, dass man Mieten durch Regulierung senken kann, ohne dass das Folgen für das Angebot an Mietwohnungen hat. Tatsächlich zeigen Erfahrungen mit Mietregulierungen aber, dass sie Wohnungsbauinvestoren verschrecken und das Wohnungsangebot verknappen.” – bto: Auch das habe ich ausführlich erklärt: → Das Desaster der deutschen Wohnungspolitik
  • “(…) Wohngeld und sozialer Wohnungsbau sind bessere Instrumente als ein Mietendeckel. Sie sorgen dafür, dass mehr Wohnungen verfügbar sind, während der Mietendeckel die Wohnungsknappheit verstärkt. Letztlich schädigt der Mietendeckel Menschen, die eine Wohnung suchen, und verteilt zugunsten derjenigen um, die bereits eine haben.” – bto: So ist es. Und jene, die sich eine teure Wohnung leisten könnten, wohnen oft besonders günstig.
  • “Neodirigismus bringt die Gefahr mit sich, dass ideologisch motivierte, über die erforderliche Rahmensetzung hinausgehende Interventionen Wachstum und Beschäftigung, aber auch das Erreichen umweltpolitischer Ziele untergraben. Es besteht das Risiko, dass Deutschland die zugesagten Beiträge zur Eindämmung des Klimawandels nur zu unnötig hohen Kosten oder gar nicht erreicht. Der Versuch, durch direkte Vorgabe von Marktergebnissen – wie beispielsweise die gesetzliche Senkung von Mieten – Verteilungsziele zu verfolgen, verschärft Wohnungsknappheit, statt sie zu lindern.” – bto: was dann noch mehr Eingriffe rechtfertigt und nötig macht!

Wir befinden uns seit Langem in der Interventionsspirale, die Friedrich August von Hayek  in seinem Buch  “Auf dem Weg zur Knechtschaft” beschrieb, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschien.

→ faz.net: “Neodirigismus”, 7.2.2020