Nach dem Rechnungs­hof warnt auch die Bundes­bank vor “Defizit-Chaos”

Welche Institution hat den besten Ruf in Deutschland? Wohl die Bundesbank. Wenn diese nun nach dem Bundesrechnungshof ebenfalls lauthals vor den Risiken der Eurozone warnt, sollten wir es sehr ernst nehmen:

  • Die Schuldenbremse hat nicht mehr viele Freunde. Auf der linken Seite des politischen Spektrums ohnehin nicht. Doch selbst Kanzleramtsminister Helge Braun hatte Anfang des Jahres deren Abschaffung gefordert, und sein CDU-Kollege, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, sagte vor wenigen Tagen, wenn sie nicht 2023 wieder in Kraft trete, dann eben 2024. Es klang so, als sei ihm das auch nicht wirklich wichtig.” – bto: Auch ich bin kein Fan einer deutschen Schuldenbremse, ist sie doch im Rahmen des Euro nicht sinnvoll. Stichwort: Geisterfahrer.
  • “(…) eine letzte Instanz rafft sich nun zu ihrer Verteidigung auf: die Bundesbank. In ihrem jüngsten Monatsbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde, mahnt sie in eindringlichen Worten, dieses Instrument zur Begrenzung der Verschuldung des Staates nicht leichtfertig abzuschütteln. Und sie fordert auch von der EU, die derzeit ausgesetzten Defizitregeln möglichst schnell wieder einzusetzen.” – bto: Jetzt wissen wir jedoch, dass es völlig illusorisch ist, dass die anderen Staaten ernsthaft probieren, ihre Schulden zu stabilisieren, schon gar nicht zurückzahlen. Und deshalb müssen wir uns fragen, was die deutsche Politik tun kann, um Schaden zu vermindern. Verhindern kann man ihn ohnehin nicht mehr.
  • “‘Mitunter wird die Schuldenbremse dafür kritisiert, dass sie die staatlichen Aktivitäten und Ausgaben in den vergangenen Jahren übermäßig eingeschränkt hätte’, schreibt die Bundesbank. ‘Dagegen spricht allerdings das dynamische Ausgabenwachstum unter dem Regime der Schuldenbremse.’ Zudem hätten die Fiskalregeln auch gar nicht das Ziel, die staatlichen Ausgaben zu begrenzen. ‘Vielmehr sollen die Regeln das staatliche Budget in einem vereinbarten Gleichgewicht halten oder es dahin zurückführen.’” – bto: Mit Blick auf Deutschland kann ich nur daran erinnern, dass die Politik in den Jahren vor Corona in Geld schwamm (Steuereinnahmen, tiefere Zinsen, geringere Kosten Arbeitslosigkeit) und es eine politische Entscheidung war, nicht in das Land zu investieren.

Wie schlimm es um die Staatsfinanzen im Euroraum steht, sieht man hier:

Quelle: Infografik WeLT

Und dies ist nur die Staatsverschuldung. Hinzu kommt die Privatverschuldung. Kombiniert ist hier Frankreich bekanntlich auf dem ersten Platz.

  • “Die Bundesbank erwartet für das kommende Jahr einen deutlichen Rückgang des Lochs im bundesdeutschen Haushalt auf 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ganz anders sieht das auf europäischer Ebene aus. Hier prognostiziert die EZB für das kommende Jahr im Schnitt der Euro-Mitglieder immer noch ein Defizit von 3,8 Prozent. Elf der 19 Länder lägen dann noch über der Defizitgrenze von drei Prozent.” – bto: Ich denke, dies ist angesichts der Krise auch noch hinzunehmen. Das Problem ist ein anderes: Wir hatten schon zu hohe Schulden und es wird keine politische Absicht geben zu sparen, vor allem wo jetzt mit dem Wiederaufbaufonds ein neues Instrument für mehr Schulden geschaffen wurde.
  • “Wenn die Schwergewichte der Euro-Zone, insbesondere Frankreich, Spanien und Italien, keinen nennenswerten Anstieg ihres nominalen BIP-Wachstums und/oder eine Verbesserung der Primärsalden verzeichnen, ist eine Rückkehr zum Schuldenstand vor der Krise bis 2035 eindeutig nicht möglich (…).” – bto: natürlich nicht.
  • “Bleiben Wachstum und Primärsaldo – also Neuverschuldung vor Schuldendienst – dagegen auf dem Niveau der Jahre 2000 bis 2019, würden sich die Staatsschulden in diesen wichtigen Euro-Ländern über die nächsten 15 Jahre weitgehend seitwärts bewegen. ‘Während Deutschland bis 2028 wieder auf die Verschuldung vor Covid-19 zurückkehren würde, würden andere Schwergewichte der Euro-Zone viel länger brauchen – Frankreich 67 Jahre, Italien 26 Jahre und Spanien 89 Jahre’ (…).” – bto: Sie werden diese Ziele nie erreichen, außer wenn wir  sehr hohe Inflationsraten bekommen. Dann bleiben die Zinsen tief und die Ausgaben sinken real (was wiederum nicht realistisch ist).
  • “Umso wichtiger erscheint es, die Defizitkriterien, die einst im Maastricht-Vertrag festgelegt wurden, wieder einzusetzen. Für die Jahre 2020 und 2021 waren sie mit einer sogenannten Generalausnahme ausgesetzt worden, und dies findet auch die Unterstützung der Bundesbank. Allerdings schlägt die Europäische Kommission vor, schon im Juni über eine Verlängerung zu entscheiden. Und hier protestiert die Bundesbank.” – bto: Der Protest mag berechtigt sein, aber er wird nichts bewirken.

welt.de: „Die Bundesbank warnt vor einem europäischen Defizit-Chaos“, 21. Mai 2021