MMT kurz zusammengefasst

Heute greife ich MMT auf, und zwar basierend auf einer praktischen Kurzzusammenfassung auf MAKROSKOP. Das Magazin für Wirtschaftspolitik bietet nach eigener Aussage „Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft aus einer postkeynsianischen Perspektive.“ Es wurde 2016 von Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt als Nachfolger des Blogs “flassbeck-economics” gegründet und ist “das einzige Magazin für Wirtschaftspolitik aus einer keynesianischen Perspektive im deutschsprachigen Raum”. Es unterstützt eine „Neue Monetäre Ökonomik“, was eine Nähe zur Modern Monetary Theory (MMT) andeutet. So schreibt Bill Mitchell, einer der Begründer der MMT, für MAKROSKOP. Zu den Autoren zählen mit Dirk Ehnts, Günther Grunert, Michael Paetz und Paul Steinhardt auch die wichtigsten Repräsentanten der MMT in Deutschland. (Quelle: → Wikipedia)

Dort fand eine Diskussion über MMT statt, die praktischerweise so zusammengefasst wurde:

Kommt nach der Pandemie die Staatsschuldenkrise?

  • “Einem Staat wird das Geld von seiner Zentralbank immer in der notwendigen Menge zur Verfügung gestellt. Beispiele: Japan, Großbritannien, Australien, die USA oder Kanada.” – bto: aber meist über den Umweg über die Geschäftsbanken, da auch in diesen Ländern auf die formelle Unabhängigkeit der Notenbanken zur Begrenzung der Staatsfinanzierung geachtet wird.
  • “Woher holen die Zentralbanken das Geld, die Dollar oder Yen? Sie schreiben das Geld dem Konto des Staates durch einen Computereintrag gut. Das ist alles. Das Geld wurde „aus dem Nichts“ geschaffen.” – bto: Das sie Geld “aus dem Nichts schaffen” stimmt, allerdings muss auch hier die Bilanz ausgeglichen sein. Der Gutschrift von Geld (= Verlängerung der Passivseite aus Sicht der Notenbank) entspricht eine Forderung auf der Aktivseite gegen den Schuldner, hier also des Staates. Nun kann man sagen, dass von Anfang an klar ist, dass diese Forderung nie eingetrieben wird, was dann perspektivisch zur Vertrauensfrage der Geldhalter führen dürfte.
  • “Ein Staat kann deshalb in seiner eigenen Währung mehr ausgeben, als er einnimmt. Er muss nicht wie ein privater Schuldner seine Schulden zurückzahlen.” – bto: Dies tut er faktisch ja auch nicht. Er schuldet um und das führt über die Zeit zur entsprechenden Reduktion relativ zum nominal wachsenden BIP.
  • “Geld ist kein Ding. Geld ist ein Regelsystem, das der Staat eingeführt hat, um für sich selbst an Waren und Dienstleistungen zu kommen.” – bto: MMT folgt damit dem Chartalismus. “(…) Dieser Lehrtradition zufolge ist das Geldsystem ein Geschöpf der staatlichen Rechtsordnung. Die Zahlungsmittel in nationaler Währung werden von der Zentralbank oder dem Finanzministerium eines Landes in Umlauf gebracht oder durch ein öffentlich-privates Mischsystem – teils Zentralbankgeld (Bargeld, unbare Reserven), teils Bankengeld (Giralgeld) – unter Kontrolle, zumindest einem Kontrollanspruch, der Zentralbank oder anderer staatlicher Behörden.” → Modern Money Theorie – die falsche Verheißung
  • “Der Staat bringt sein Geld in Umlauf, indem er von seinem Konto bei der Zentralbank seine Rechnungen (z. B. für den Bau einer Straße) bezahlt.” – bto: Wir wissen aber, dass dadurch kein neues Geld geschaffen wird, sondern vorhandenes in Umlauf kommt. 90 Prozent des Geldes, das wir nutzen, wird aber nicht vom Staat geschaffen, sondern vom privaten Bankensystem.
  • “Bürger akzeptieren dieses Geld, weil sie wissen, dass der Staat von ihnen verlangt, dass sie damit ihre Steuern bezahlen. Der Bürger braucht also das Staatsgeld.” – bto: Das können sie sich auch bei einer privaten Bank leihen, die das Geld zu diesem Zweck erzeugt. Ich finde, man kann nicht so einfach über 90 Prozent der Geldschöpfung hinausgehen.
  • Ein souveräner Staat hat nur eine Finanzierungsquelle, das ist das von seiner Zentralbank auf seinem Konto zur Verfügung gestellte Geld. Diese These widerspricht allen üblichen Meinungen, ist aber zwingend.” – bto: Das verstehe ich nicht. Wenn 90 Prozent des Geldes vom privaten Bankensystem geschaffen wird, wie kann dann der Staat nur von der Zentralbank finanziert sein? Er kann völlig unabhängig von seiner Zentralbank finanziert sein und wird das überwiegend auch. Selbst in Japan hält die Notenbank nur rund 50 Prozent der Staatsschulden.
  • “Steuern können keine Finanzierungsquelle sein: Der Staat muss den Bürgern erst sein Geld gegeben haben, indem er z. B. etwas von ihnen gekauft hat. Erst dann ist der Bürger in der Lage, seine Steuern zu zahlen. Mit Steuern verteilt der Staat zwischen sozialen Gruppen um und kann zur Inflationsvermeidung nachfragewirksames Geld abschöpfen. Er sammelt nur zum Teil wieder ein, was er vorher ausgegeben hat.” – bto: Das ist schlichtweg falsch in einer Welt der weitgehend privatisierten Geldschöpfung. Anders wäre es, wenn nur die Notenbank Geld schöpfen könnte oder, wenn wir alle nur mit Bargeld agieren würden. Dem ist aber immer weniger so.
  • “Auch Staatsanleihen können keine Finanzierungsquelle sein: Banken können dem Staat nur Geld leihen, das sie vorher von ihm oder seiner Zentralbank bekommen haben.” – bto: Wenn eine Bank einen Kredit gibt, verlängert sich die Bilanz und es wird neues Geld geschaffen (Zentralbank ist dazu nicht erforderlich). Wenn eine Bank Anleihen kauft, tauscht sie Aktiva, dies ist also keine zusätzliche Geldschöpfung. Sie könnte ein SPV gründen, das Anleihen kauft und sich zu diesem Zweck bei der Bank verschuldet. Dies würde neues Geld bedeuten. Professor Werner fordert deshalb zur Ausweitung der Geldmenge auf Kredite der Banken an die Staaten, statt auf Anleihenkäufe zu setzen.
  • “Die Erreichung eines bestimmten Schuldenstandes, eigentlich Kontostandes bei der Zentralbank, kann nie das Ziel sinnvoller Politik sein. Der Schuldenstand ist ein Nebeneffekt staatlichen Handelns.” – bto: Da wir aber wissen, dass Geldschöpfung privat ist, spielt er dennoch eine Rolle. Denn das Vertrauen in die Geldordnung ist nicht unendlich.
  • “Wenn der Staat Geld für Infrastrukturprojekte oder für Soziales ausgeben will, dann kann er das immer tun. Er wird in dem Augenblick sparen, das heißt, seine Ausgaben reduzieren und eventuell die Steuern erhöhen –, wenn er durch diese Maßnahmen eine überhitzte Wirtschaft abkühlen und Inflation vermeiden will. Er muss aber nicht ‘sparen’, weil er Geld braucht.” – bto: Das wirft die Frage auf, warum wir seit Jahrzehnten nicht diesen Weg gehen. Japan spart ja auch nicht und hat keine Inflation. Genügt dies als Beweis für MMT?
  • “Inflation ist keine Folge staatlicher Verschuldung. Inflation entsteht, wenn die gesamtwirtschaftliche (private und staatliche) Nachfrage größer ist als das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft.” – bto: Oder entsteht sie, wenn die Geldmenge schneller wächst als das Produktionspotenzial?
  • “Zukünftige Generationen leiden nicht unter dem Schuldenstand, können aber von den heutigen Investitionen des Staates profitieren.” – bto: Da gehe ich soweit mit, da nicht nur die Schulden, sondern auch die Forderungen auf die kommende Generation übergehen.
  • “Im Euroraum haben die Staaten die Souveränität über ihre eigene Währung abgegeben. Der Euro ist nicht ihre eigene Währung, weil die Staaten den Euro nicht jeweils selbst emittieren. Deswegen – und nur deswegen – ist Italien in einer fundamental anderen Situation als Japan, das deutlich höhere Schulden als Italien hat.” – bto: Richtig – und Italien hat ja früher deutlich mehr auf die Notenbank gesetzt und deshalb auch höhere Inflationsraten gehabt.
  • “Aus Sicht von MMT sind die Euro-Regeln falsch, weil man nicht einen bestimmten, maximalen Schuldenstand festlegen kann und soll. Die Regeln haben auch zur Folge, dass ein Staat pleitegehen kann, weil die EZB ihm nicht entsprechend seinem Bedarf Geld geben kann.” – bto: Dies bedeutet eine Umverteilung von Vermögen, weil ein Euro, der für Italien geschaffen wurde, auch in Deutschland gilt.
  • “Wenn die Regeln nicht geändert werden, hat der Euro keine Zukunft, oder er beschert den Euro-Ländern eine schlechte Zukunft. Die Regeln sind das Problem des Euro, nicht die Höhe der Schulden einzelner Länder.” – bto: Die Lösung für alle Probleme ist unbegrenzte Verschuldung.
  • “Die wirtschaftlichen Probleme – nicht nur im Euroraum – haben ihre Ursache in zu geringen Löhnen im unteren Lohnsegment und zu geringen staatlichen Ausgaben. Beides führt zu Deflation. Das ist unser Problem, nicht eine anstehende Inflation, gar Hyperinflation.” – bto: Da fragt man sich, warum dies nur im Euroraum gilt. Wir haben es doch weltweit mit geringer Inflation zu tun.

→ makroskop.eu: “Kommt nach der Pandemie die Staatsschuldenkrise? Video und Zusammenfassung”, 7. Juli 2020