Menschen verh­alten sich durchaus rational

Wir wissen, dass Hartz-IV-Empfänger praktisch keinen finanziellen Nutzen haben, wenn sie beginnen, Geld zu verdienen. Die Grenzbelastung erreicht 80 Prozent. Die Folge: Man tut es lieber nicht.

Politiker unterschätzen diesen Effekt, aber auch umgekehrt. Steigen die Steuern, arbeiten Menschen weniger, wie eine neue Studie aus Schweden belegt. Die F.A.Z. berichtete:

  • “Steuererhöhungen sind immer ein gewisses Problem. Einerseits bringen sie dem Staat Geld, das er oft dringend braucht. Andererseits drohen hohe Steuern Menschen vom Arbeiten abzuschrecken. (…) Dass das tatsächlich ein Phänomen im großen Maßstab ist, wird von Verfechtern von Steuererhöhungen bezweifelt. Jetzt aber zeigt eine neue Studie: Der Effekt ist deutlich messbar – und es sind vor allem die schlauen Leute, die ihre Arbeitszeit verringern, wenn die Steuern steigen.” – bto: Das kann ja nun wiederum niemanden wundern, dürften doch die Schlauen (in den meisten Branchen) mehr verdienen.
  • “Die Studie kommt aus Schweden, einem Land, in dem man an hohe Steuern durchaus gewöhnt ist. Die Einkommensteuer geht dort erst mal an die Kommunen. Nur wenn jemand bei der Arbeit mehr als einen gewissen Betrag verdient, bekommt auch der Gesamtstaat Steuern, und zwar 20 Prozent zusätzlich von dem Teil des Einkommens, der über dieser Grenze liegt. Derzeit sind das umgerechnet 52 000 Euro im Jahr.” – bto: Nun ist der Betrag nicht so hoch, aber wenn man sich im Grenzbereich darum herum befindet, sollte man alles tun, um darunter zu bleiben.
  • “Viele Steuerzahler sorgen sehr erfolgreich dafür, dass sie unter der Einkommensgrenze bleiben und diese zusätzliche Steuer nicht bezahlen müssen. Das tun sie auf vier Wegen.” – bto: Auch diese überraschen nicht.
  • “Erstens: Viele Angestellte reduzieren ihre Arbeitszeit gerade so, dass sie die Nationalsteuer nicht bezahlen müssen. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten offenbar erst so eingebürgert. Eine frühere Studie aus den 90er-Jahren kam noch zu dem Schluss, dass die Steuer den Angestellten egal war.” – bto: Das ist doch vernünftig. Vermutlich wird auch mehr schwarz abgerechnet oder über die Jahresgrenze geschoben.
  • “Zweitens: Einige Selbständige organisieren sich so, dass ihre Einkünfte unter der Grenze bleiben. Sie haben das offenbar noch besser unter Kon­trolle als Angestellte. Das Ausmaß ist hier deutlich größer.” – bto: Das ist auch klar, weil sie die Einnahmen selbst steuern.
  • “Drittens: Andere Selbständige tricksen beim Einkommen. Sie zahlen sich nur einen Teil der Einnahmen ihrer Firma als Gehalt. Den Rest lassen sie in der Firma oder schütten ihn sich selbst als Firmengewinn aus.” – bto: Das gibt es auch bei uns.
  • “Viertens: Es gibt offensichtlich sogar einige Angestellte, die sich extra selbständig machen, damit sie ihr Einkommen besser unter die Steuergrenze drücken können.” – bto: Ja, die Menschen agieren rational.
  • “Je schlauer die einzelnen Schweden sind, umso heftiger reagieren sie auf die Steuerregeln – und umso eher gehen sie in Teilzeit, um die zusätzlichen Steuern nicht bezahlen zu müssen. (…) Es sind also ausgerechnet die schlausten Schweden, die durch die Steuern vom Arbeitsmarkt weggetrieben werden. Ein Überblick über die Berufe zeigt: Ganz vorne dabei sind Ärzte, Zahnärzte und Wissenschaftler.” – bto: womit übrigens der gesamtgesellschaftliche Wohlstand sinkt.
  • “Das passt zu einer älteren Studie aus Deutschland, die in den Nullerjahren den Effekt von Steuersenkungen analysierte. Damals zeigte sich, dass Leute mit höheren Einkommen stärker reagierten. Jetzt kann man spekulieren: Vielleicht steckte dahinter das gleiche Prinzip wie in Schweden.” – bto: Warum sollte es nicht gelten?

faz.net:„Mehr Steuern, weniger Arbeit“, 6. August 2022