Ein intelli­genter Vorschlag zur Wohnungs­politik

Ich habe es schon oft angesprochen: Gerade im Wohnungsmarkt brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Markt. Hier dazu ein intelligenter Vorschlag von Tobias Scheidacker, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht:

  • „Immer wieder wird in der Politik und von Mieterverbänden ein besserer Schutz vor Mietsteigerungen und Eigenbedarfskündigungen gefordert.“ (…)
    Die Grünen fordern beispielsweise: „In der Rechtsprechung brachten zuletzt mehrere Urteile Erleichterungen für Vermieterinnen und Vermieter mit sich, insbesondere mit Blick auf Eigenbedarfskündigungen. Hiernach ist es für die Annahme einer berechtigten Eigenbedarfskündigung u. U. bereits ausreichend, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung als Zweitwohnung nutzen zu wollen oder die Wohnung für sein Au-pair zu benötigen. Die Interessen der Mieterinnen und Mieter sind – obwohl auch ihr Recht an der Wohnung Verfassungsrang hat – nahezu immer nachrangig. Dies muss dringend geändert werden. (…)“ – bto: Mein Eindruck ist keineswegs, dass wir es mit einer vermieterfreundlichen Rechtsprechung zu tun haben.
  • „Mit der Zielrichtung, Mietenanstiege zu verringern und Eigenbedarfskündigungen zu verhindern, wurden in der letzten Zeit diverse gesetzliche Änderungen vorgenommen: So wurde zum 01.01.2020 die Mietspiegelstatistik von 4 auf 6 Jahre ausgedehnt, um ältere = niedrigere Werte mit zu berücksichtigen.“ – bto: Das ist nichts anderes als ein langsamer Einstieg in den Mietendeckel.
  • „Die Modernisierungsumlage wurde zum 01.01.2019 von 11 % auf 8 % jährlich heruntergesetzt und der BGH verlangt eine rechnerische Beschränkung auf ‘reine Modernisierungskosten’ abzüglich ‘fiktiver Instandsetzungskosten’. Architekten sagen mir, dass sich das nicht berechnen lässt, was jede Modernisierung zu einem unkalkulierbaren Risiko macht, d. h., sie unterbleibt i. d. R. nun und aus anwaltlicher Sicht muss man davon deswegen eindeutig abraten.“ – bto: Das sehe ich ganz genauso!
  • Aufteilungen von Mehrfamilienhäusern in Eigentumswohnungen wurden weitgehend verboten (…). Speziell in Berlin wird die Stadt zunehmend insgesamt zu einem Milieuschutzgebiet, in dem Mieten steigernde Modernisierungen und Aufteilungen in Eigentumswohnungen verboten sind (…) Ausweichbewegungen von Vermietern, etwa in Ferienwohnungsvermietung u. Ä., werden verboten, ebenso Leerstand (Zweckentfremdungsverbot).“ – bto: Es ist eine Politik, die gegen jede Art von Privateigentum agiert. Die Folge: Die Deutschen werden noch ärmer.
  • „Zugleich fordern Teile der Politik weitere Verschärfungen: noch geringere Modernisierungsumlagen, noch geringere oder gar keine Mieterhöhungen, Verbot von Eigenbedarfskündigungen soweit irgendwie möglich, und die Kosten der Bewirtschaftung soll der Vermieter künftig möglichst auch nicht mehr vom Mieter ersetzt verlangen können, Beispiel CO2-Umlage.” – bto: Das ist ein Eingriff mit entsprechenden Langfristfolgen.
  • „Wenn sich vermieten nicht lohnt, vielleicht sogar der Vermieter draufzahlt, wird der Vermieter selbst nutzen wollen oder an jemanden verkaufen, der selbst nutzen will. Um dennoch beide Ziele durchzusetzen, hat die Politik die vorstehende Interventionsspirale entfacht (…).“ – bto: Hayek hat es schön beschrieben.

Jetzt kommen wir zur intelligenten Lösung, die allein schon deshalb nicht kommen wird, weil sie eben das ist:

  • „Mein Vorschlag schützt nicht nur dauerhaft und endgültig vor Mietpreissteigerungen, sondern er führt sogar zu sinkenden Wohnkosten, ohne dass die Einnahmen des Vermieters schrumpfen. Er schützt zugleich endgültig vor Eigenbedarfskündigung und auch jeder anderen Form von Wohnungskündigung, und zwar ohne jede Ausnahme. Außerdem verhindert mein Vorschlag Altersarmut.“ – bto: Das ist eine Einführung, die neugierig macht.
  • „Ich habe mir diese Lösung nicht selbst ausgedacht, sondern sie stammt aus der BR-Drucks. 75/51 vom 26.01.1951. Der Gesetzgeber wollte damals der Bevölkerung ermöglichen, zu niedrigsten möglichen Kosten zu wohnen. Altersarmut durch zu hohe Mieten sollte vermieden werden. Auch wollte der Gesetzgeber die Bevölkerung vor jeder denkbaren Kündigung ihres Wohnraums schützen. Also wurde das WEG geschaffen. Seit 1951 haben die Menschen die Möglichkeit, nicht nur ganze Grundstücke und Häuser, sondern auch eine einzelne Wohnung zu kaufen. Das schützt gleichermaßen vor Mietsteigerung, vor Wohnungsverlust durch Kündigung und vor Altersarmut. Diese Möglichkeit besteht bis heute für jeden, der sie sich leisten kann.“ – bto: Mehr Privateigentum führt auch zu einer stabileren Gesellschaft.
  • „Und genau darin liegt das Problem: Kaum einer kann sich das heute noch leisten. Die Ursache dafür liegt allerdings allein in der Politik, d. h., sie wäre durch simple politische Entscheidung zu beheben.“ – bto: Das stimmt und ich habe dazu auch schon einiges geschrieben.
  • „Zuerst sind mit dem Kauf hohe Grunderwerbsteuern verbunden. Wer für 500.000 Euro in Berlin eine 3- oder 4-Zimmer-Wohnung kaufen will, muss 6 % Steuer zahlen, das sind 30.000 Euro. Das ist für viele gerade junge Familien zu viel. Mein Vorschlag Nr. 1 lautet daher: die Grunderwerbsteuer für den Kauf einer selbst genutzten Wohnung abschaffen.“ – bto: Und wenn man will, kann man das bis zu einem bestimmten Betrag kappen, man will ja “die Reichen” nicht entlasten.
  • „Statt Menschen dauerhaft Wohngeldzuschüsse zu zahlen, könnte der Staat hier mit einer Ausfallbürgschaft helfen. Mein Vorschlag Nr. 2 lautet daher: für den Kauf einer selbstgenutzten Wohnung der Bank eine für den Wohnungskäufer kostenlose staatliche Ausfallbürgschaft für 20 % des Kaufpreises zu stellen. Diese kann im Grundbuch nachrangig abgesichert werden und kostet den Staat idealerweise kein oder fast kein Geld, weil es i. d. R. nämlich nicht zu Ausfällen kommt und sie im Übrigen dann besichert wären. Die Bürgschaft erlaubt den Banken, 100 % zu finanzieren, aber nur 80 % im Risiko zu stehen. (…) In Zeiten (zu) hoher Zinsen könnte man das über die KfW mit einer Zinsvergünstigung für den Kredit ergänzen, so dass die Menschen mehr in die Tilgung und nicht so viel in den Zins zahlen.“ – bto: Sehr gute Idee, denn wir müssen am Beginn helfen.
  • „Zum dritten müssen die Menschen die Wohnung, in der sie leben, auch kaufen können. Dazu ist es notwendig, dass die Wohnung a) rechtlich als Wohnung existiert und b) der Eigentümer bereit ist, sie zu verkaufen. Ersteres lässt sich dadurch erreichen, dass Umwandlungen nicht verboten, sondern gefördert werden. Dort, wo der Staat selbst Eigentümer ist, kann er entscheiden, seine Häuser aufzuteilen und den Bewohnern günstig zum Kauf anzubieten. In Berlin gibt es rund 323.000 landeseigene Wohnungen – wieso müssen die dem Land gehören und nicht ihren Bewohnern?“ – bto: Thatcher hat das in Großbritannien vor Jahrzehnten gemacht und eine Bevölkerung der Eigentümer geschaffen.
  • „Privaten Eigentümern könnte man bei einem Verkauf an die Bewohner steuerliche Vergünstigungen gewähren, etwa die Steuerfreiheit für den Veräußerungsgewinn auch vor Ablauf von 10 Jahren. Das würde einen Anreiz für einen Verkauf an die aktuellen Mieter setzen und sicherlich bewirken, dass vielfach Verkäufe an diese stattfinden. Auch der Neubau würde davon sicherlich profitieren.“ – bto: Das ist im Kern eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Antwort auf Knappheit.
  • „Ein größeres Programm zur Alterssicherung, zum Vermögensaufbau der Bevölkerung und zum Kündigungsschutz von Wohnraum ist m. E. kaum denkbar, und das Beste ist: Es kostet den Staat fast nichts. Er muss es nur tun. Zwar fallen Einnahmen der Länder aus Grunderwerbsteuern weg. Im Gegenzug reduziert sich aber dauerhaft und in steigendem Maße die Notwendigkeit von Wohnkostenhilfen oder ergänzende Sozialhilfe an Bedürftige, namentlich Ruheständler. Auch die Gerichte würden von Mieterhöhungs- und Eigenbedarfsprozessen entlastet, die Bezirksämter könnten Personalkosten in den Umwandlungs- und Zweckentfremdungsabteilungen einsparen, Gerichtsvollzieher hätten weniger Räumungen durchzuführen, die von der Politik adressierten Härten würden schlagartig abnehmen und im Zeitverlauf weiter schwinden.“ – bto: Leider ist der Vorschlag viel zu freiheitlich und gibt den Bürgern mehr Autonomie. Damit widerspricht er den Interventionswünschen der Politik.

ikb-law.blog: „Schutz vor Mietenexplosion und Eigenbedarfskündigung“, 5. Mai 2022