Macron geht es nur darum, Deutschland die Schuld am Scheitern zuzuschieben

Zunächst muss man loben, dass Macron wenigstens Visionen hat, wie man den Euro retten könnte. Damit unterscheidet er sich wohltuend von der Politik des Aussitzens unserer Regierung, die zwangsläufig zu einem brutalen finanziellen Desaster für uns führen muss und wird. Lesern von bto ist das alles klar.

Andererseits muss man ganz klar sagen: Der Plan von Macron hat keine hohe Wahrscheinlichkeit Wirklichkeit zu werden. Und würde er es, so wäre damit nichts erreicht. Denn so kann man den Euro nicht „retten“. Man kann nur den Zeitpunkt des dann noch teureren Crashs etwas aufschieben, wie meinen Lesern bekannt ist.

Bevor wir auf die Punkte Macrons eingehen, die gute Nachricht zur Eurozone, aus der heutigen FT. Die Zinsen (auf Staatsanleihen; die Privaten zahlen mehr und profitieren deshalb noch nicht) liegen unter der nominalen Wachstumsrate. Folglich kann sich ein Staat das Geld für die Zinszahlungen leihen und trotzdem sinkt die Verschuldung relativ zum BIP. Ein Deleveraging wird so erleichtert.

 Quelle: FT

Dahinter steht natürlich vor allem die EZB und weniger das hohe Wachstum, weshalb die FT auch fordert: „So the ECB must not tighten prematurely” – klar. Die Zinsen können auf keinen Fall steigen, will man den Euro erhalten. Hohe Zinsen und alle sind pleite.

Doch nun zu Macron. Er fordert mit Blick auf die Wirtschaft (die anderen politischen Punkte lasse ich weg, die sind aber aus meiner Sicht ebenfalls nicht durchsetzbar) wie bei SPIEGEL ONLINE zusammengefasst:

  • ein gemeinsames Verteidigungsbudget bto: Es ist letztlich ein Weg der Umverteilung zugunsten des französischen Staatshaushaltes. Mit Blick auf die geringen deutschen Ausgaben ist das durchaus berechtigt, wobei die Franzosen uns dann auch mit schützen sollten. Ob sie das tun? Ist aber nur ein Nebenaspekt.
  • die Öffnung der nationalen Armeen für Soldaten aus anderen EU-Staaten – bto: Das wiederum ist unter demografischen Gesichtspunkten interessant. Kann es sein, dass er damit auch eigene Probleme lösen möchte und perspektivisch auch die Bundeswehr zusätzlich schwächt? Man muss immer daran denken, dass es in Frankreich vor allem – und das ist gut so! – um französische Interessen geht. Leider ist das bei uns nicht so, wie die aktuellen Forderungen im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen zeigen. (Die Grünen wollen noch mehr “Flüchtlinge”.)
  • einen eigenen Haushalt für die 19 Euroländer, um gemeinsame Investitionen zu ermöglichen und Stabilität im Krisenfall zu gewährleisten – bto: Dies ist das Entscheidende. Es soll über mehr Umverteilung gelöst werden, was man über mehr Umverteilung nicht lösen kann! Nord- und Süditalien sind seit über 100 Jahren in einer Währungsunion OHNE einen Fortschritt. Wir können es uns aber angesichts der hohen deutschen Schulden und der demografischen Entwicklung gar nicht leisten, in eine solche Umverteilungsmaschinerie einzusteigen. Schlimmer ist, dass es nicht genügen würde.
  • ein EU-Programm zur Finanzierung und Ausbildung von Flüchtlingen bto: Flüchtlinge kehren ja irgendwann zurück (Theorie!), also lasst uns doch endlich von (illegalen) Migranten reden. Wäre es nicht besser, diese Migration zu begrenzen, statt nun über mehr Geld zu reden? Am Anfang müsste ein Europa-einheitlicher Standard der finanziellen Unterstützung stehen, deutlich UNTER dem deutschen Niveau. Das ist nicht in Sicht.
  • einen Mindestpreis für den Ausstoß von Treibhausgasen von 25 bis 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid; derzeit liegt er bei 6,80 Euro – bto: Ist das schon der Preis für die Unterstützung der Grünen in der kommenden Bundesregierung? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine gute Idee für eine Region ist, die nichts so sehr braucht wie ein höheres Wirtschaftswachstum für möglichst lange, um überhaupt eine Chance zu haben, die Krise zu überwinden.
  • eine EU-weite Steuer auf Börsengeschäfte, die es in Frankreich bereits gibt und die auf EU-Ebene seit Jahren erfolglos diskutiert wird. – bto: Mehr muss man auch nicht zu dieser Idee schreiben. Es ist (noch) möglich, mit einem Klick das eigene Portfolio nach Singapur zu verschieben. Also was soll dieser Blödsinn?

Die NZZ berichtet zudem: „In seiner anderthalbstündigen Ansprache, in der er einen auf zehn Jahre angelegten Marschplan (bto: Umverteilung auf Pump!) auslegte, sprach sich Macron erwartungsgemäss erneut für die Schaffung einer von einem Euro-Parlament kontrollierten Wirtschaftsregierung mit eigenem Finanzminister und umfangreichem Budget aus. (…) Zugleich rief Macron zu einer sozialen und steuerlichen Konvergenz in Europa auf. Laut ihm wäre für die Mitgliedstaaten bis 2020 beispielsweise eine Bandbreite bei der Unternehmensbesteuerung festzulegen.“

Schon vor Monaten habe ich mich mit dieser Sichtweise zur Lösung der Eurokrise beschäftigt: Abgesehen von der Finanzierung stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen die Macron vorschlägt, überhaupt die Lösung brächten. Ein Eurozonen-Budget, überwacht von einem Eurozonen-Parlament und gesteuert von einem Eurozonen-Finanzminister ändert zunächst wenig. Es wäre eine Umverteilungsmaschinerie mit dem Ziel, über eine offizielle Transferunion (statt der inoffiziellen, welche die EZB derzeit umsetzt) einen Ausgleich zwischen den Ländern und vor allem den verschiedenen Konjunkturzyklen zu erzielen. Um einen solchen Ausgleich zu erzielen, muss es sich allerdings um erhebliche Summen handeln, die faktisch eine Verschuldungskompetenz auf der Eurozonen-Ebene erforderlich macht.

Macron strebt – nicht als Erster – eine Lösung der durch zu viel Schulden ausgelösten Krise durch noch mehr Schulden an. In die gleiche Richtung gehen auch seine Überlegungen zur vollständigen Umsetzung der Bankenunion, die nichts anderes als eine Sozialisierung fauler Privatschulden ist. 

Es gibt also noch die Erwartung, man könnte die Probleme durch mehr Umverteilung lösen. Leider ist dem nicht so. Wir haben es zu tun mit:

  • einer strukturell fehlenden Wettbewerbsfähigkeit vieler Länder in der Eurozone. Die wird durch mehr Umverteilung verfestigt, nicht gelöst. Man denke nur an die über 100-jährige Währungsunion zwischen Nord- und Süditalien.
  • Einer Überschuldung von Privaten (faule Banken) und Staaten. Daran ändern mehr Transfers nichts. Das geht nur, wenn man die Schulden bereinigt. Wie das ginge, habe ich unter anderem hier erklärt.
  • Einem strukturellen Trend zu geringerem Wachstum aufgrund Demografie und Produktivitätszuwächsen. Daran ändert mehr Umverteilung auch nichts. 

Politisch war es aus Sicht von Macron dennoch ein guter Move. Denn:

  • Er wird mehr Geld von uns bekommen, was für den Empfänger immer nett ist.
  • Er hat einen Sündenbock, für den – sehr wahrscheinlichen – Fall, dass es eben nicht genügt, um den Euro zu retten und er selber es nicht schafft, Frankreich zu sanieren. Immer kann man dann auf die Deutschen zeigen, obwohl die vorgeschlagenen Maßnahmen ungeeignet waren.

Deshalb: Der Plan wird nicht kommen. Selbst wenn er käme, würde er nichts bringen. Aber die wahre Logik ist, einen Sündenbock zu definieren. Und das gelingt zu 100 Prozent!

 → NZZ: “Macron will die EU wiederbeleben”, 26. September 2017

SPIEGEL ONLINE: “Deutschland umarmen, Europa umkrempeln”, 26. September 2017