Kein Diesel = keine Ernte

Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Aber wir müssen die Folgen eines Öl- und Gasembargos vor allem für die Landwirtschaft ernst nehmen. Gestern ging es um die Verknappung aller wichtigen Einsatzstoffe der Landwirtschaft, heute der Hinweis auf die Bedeutung von Diesel und die Kernergebnisse eines (wieder nicht ernst genommenen) Stresstests zu den Folgen einer Gasknappheit:

  • Hamsterkäufe bei Diesel und Benzin befürchtet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, falls russische Öl- und Gaslieferungen abrupt beendet würden.” – bto: Ich würde Heizöl dazurechnen.
  • “Während die globalen Energiemärkte mit extremen Preissprüngen bei Rohöl und Gas konfrontiert sind, warnen Rohstoffhändler vor einer akuten Dieselknappheit. (…) Dabei ist Europa nach dieser Einschätzung am stärksten von einer ‘systemischen’ Verknappung bedroht, was am Ende sogar zu einer Kraftstoffrationierung führen könnte.” – bto: … und müsste. Die Frage ist dann, wer bekommt Diesel?
  • “Europa importiert etwa die Hälfte seines Diesels aus Russland und etwa die Hälfte aus dem Nahen Osten (…). Der Krieg in der Ukraine, Lieferengpässe und Spekulationen haben die Preise binnen kürzester Zeit auf neue Rekordhöhen nach oben schießen lassen.”
  • “Die für die Logistik so wichtige Transportbranche ist jedoch nicht nur mit hohen Dieselpreisen konfrontiert: Das Dieseladditiv Adblue, das zum Betrieb von Lkws unerlässlich ist, verteuerte sich in den vergangenen Wochen auf ein bisher kaum vorstellbares Rekordniveau. AdBlue wird aus Wasser und Harnstoff hergestellt, welcher wiederum zu weiten Teilen aus Gas produziert wird.” – bto: Vermutlich könnten die LKW auch ohne fahren, aber dürfen es nicht.
  • “Gehandelt wurde AdBlue bisher auf der Basis eines Harnstoffpreisindex. Die AdBlue-Produktionskosten stiegen aber noch viel stärker als die Harnstoffpreise, sodass AdBlue-Hersteller ihre Produktion drosselten, um Verluste zu vermeiden (…) Deutschland ist der größte Markt für AdBlue in Europa. Etwa ein Fünftel des AdBlues in Europa wird hierzulande verbraucht.” – bto: was ja interessant ist. Ich würde das so interpretieren, dass man sich außerhalb Deutschlands nicht so um die Wiederbefüllung kümmert.
  • “Kosteten 100 Liter Adblue in ‘normalen’ Zeiten gut 13 Euro (lagen sie) vorige Woche bei 76 Euro für 100 Liter berichtete das ‘Handelsblatt’. Das Onlineportal clever-tanken meldet am heutigen Montag (28.03) für Berlin bereits einen Preis für LKW-AdBlue von 78,9 Euro je 100 Liter. Gleichzeitig wurden in Köln für LKW-Adblue an Total-Tankstellen sogar 95,9 Euro je 100 Liter verlangt.” – bto: so viel zum Thema Inflation.
  • “(…) in den vergangenen Tagen wurden fünf größere Ammoniak-Anlagen in Europa heruntergefahren, und zwar in Polen, Kroatien, Frankreich, Italien und Portugal. Laut Argus Media wurde in weiteren Anlagen die Produktion gedrosselt. Das haben die Landwirte gerade von Yara und Borealis gehört und müssen noch mehr für ihren Stickstoffdünger zahlen.” – bto: was weniger Dünger und damit weniger Ertrag bedeutet.

Und auch nach der Ernte spielt Gas eine wichtige Rolle. Das zeigt ein Dokument des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe:

  • “Besonders eklatant wären die Folgen dem Bericht zufolge in der Lebensmittelproduktion, in der Erdgas rund 50 Prozent des Energiebedarfs deckt. In einzelnen Branchen wie Molkereien, Ölmühlen und Zuckerfabriken liegt der Gasanteil deutlich darüber. Viele Unternehmen der Lebensmittelindustrie haben von Heizöl auf Erdgas umgestellt, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern.” – bto: All dies wird gerne vergessen, wenn wir immer über Energiewende reden.
  • “Die Ausweichmöglichkeiten sind begrenzt. Zwar gibt es für Notfälle oft noch Heizölvorräte. Sie reichen zur Überbrückung aber meist nur wenige Tage. In einer Gasmangellage wäre durch Produktionsausfälle in Bäckereien und der Milchindustrie daher die Lebensmittelversorgung betroffen. ‘Dies könnte zu temporären regionalen Engpässen bei Brot- und Milchproduktion führen. Ebenso wären Geflügelbetriebe und Schlachthöfe, denen mit Ausfall der Gasversorgung die Prozesswärme fehlt, betroffen.’” – bto: Tja, ein Bericht ist aus dem Jahr 2019 …
  • “Gernot-Rüdiger Engel, der als Anwalt der Kanzlei Luther Unternehmen der Ernährungsindustrie vertritt, übt heftige Kritik an der Untätigkeit der Behörden: Es sei kaum zu glauben, dass sich die Bundesnetzagentur nach drei Wochen Krieg und einer wochenlangen Zuspitzung erst jetzt mit der Problematik möglicher Abschaltungen von Gasverbrauchern befasse. (…) Dass der Gasbedarf der Ernährungsindustrie nicht als geschützt eingestuft wird, bereitet Engel Sorgen: ‘Das ist mindestens grob fahrlässig’, sagte er. ‘Was helfen den Menschen warme Häuser, wenn die Lebensmittel knapp werden und die Fabriken geschlossen sind.’” – bto: Es zeigt, wie konstant schlecht wir uns regieren.

agrarheute.com: „Dieselpreise: Hamsterkäufe bei Diesel befürchtet, AdBlue ausverkauft“, 28. März 2022

www.handelsblatt.com: „Kein Brot, Menschen in Notunterkünften, überlastete Kliniken – Was passiert, wenn das Erdgas ausgeht“, 24. März 2022