„Kapitalismus-Reform jetzt“ – eine weitere Gegenrede

Gestern war an dieser Stelle mein Kommentar zu den Kapitalismus-Reform-Begründungen zu lesen. Inklusive einiger der Zuschriften, die mich dazu erreicht haben.

Heute nun als Ergänzung ein anderer Autor, der sich mit Frickes Thesen auseinandersetzt. Zugegeben, er beginnt es diplomatischer als ich:

  • Thomas Fricke ist kein knallharter Kommunist, Sozialist oder Gegner des marktwirtschaftlichen Modells. Genauso wenig, wie ich ein knallharter Marktliberaler bin.” – bto: So hätte ich wohl auch anfangen sollen. Ein knallharter Marktliberaler bin ich nämlich nicht. Aber was soll es?
  • ‘Märkte scheitern gerade in solchen Krisen’. Gemeint ist wohl die derzeitige Coronakrise. Dazu muss man sagen: Dass der Kapitalismus in so einer Zeit scheitert – das ist einfach eine unfaire Betrachtungsweise. Denn in einer Zeit, wo der Staat dem Markt verbietet, tätig zu sein (Geschäfte müssen zwangsweise schließen, Flugzeuge dürfen nicht fliegen etc.), wie soll der Teilnehmer am freien Markt da seinen Lebensunterhalt verdienen können? Der Kapitalismus war wochenlang zu großen Teilen abgeschaltet, und es war den Menschen (aus guten Gründen) nicht erlaubt an der allgemeinen Wertschöpfung teilzunehmen, die ihren Lebensunterhalt sichert.” – bto: Das stimmt, ich habe das ja nur in einem Nebensatz erwähnt. 
  • “Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Das ist ungerecht, und daran ist der böse Kapitalismus schuld. Richtig? Nein, eben nicht. (…) Er übersieht völlig den Grund, warum denn Arm und Reich gerade in den letzten Jahren immer mehr auseinandergedriftet sind. Es gibt zwei betroffene große Asset-Blöcke, nämlich Aktien und Immobilien. Ihre Preise steigen seit Jahren immer weiter an, und mehren in der Tat den Reichtum der Reichen immer weiter, während die Armen davon nichts haben. (…) Die Notenbanken haben, um alle Krisen und Probleme aus der Welt zu schaffen, die Zinsen jahrelang immer weiter gesenkt, und letztlich abgeschafft. Damit haben die kleinen Leute, die nur das Sparbuch nutzen, Jahr für Jahr dank Inflation reale Wertverluste. Das große Geld strömt seit Jahren von zinslosen Anleihen in den Aktien- und Immobilienmarkt. (…) Und dieser Trend läuft seit Jahren, und wurde zuletzt durch die Notenbank-Orgien im aktuellen Jahr 2020 nur noch weiter angefacht!” – bto: Richtig, das hat mit Kapitalismus nun wirklich nichts zu tun.
  • Thomas Fricke sagt, dass erst wenn wir im Land wieder überall Glasfaser haben, würde es sich lohnen, in entlegenere Regionen zu investieren, was es bisher nicht tut. Da mag er recht haben. Aber: Wenn man um Deutschland rundherum schaut, laufen Netzabdeckung, Digitalisierung (vereinfacht gesagt) überall deutlich besser als bei uns – das wird nicht an zu wenig Staat in Deutschland liegen, sondern eher an schlechter beziehungsweise inkompetenter Politik in Deutschland!” – bto: konkret an der Maximierung der Lizenzerlöse statt intelligenter Auflagen.
  • “Leute schaut auf die Finanzkrise 2008, die Marktwirtschaft hat hier ihre hässliche Fratze gezeigt. Aber so einfach ist es nun mal nicht. Drei große Akteure haben (das ist meine Meinung) zu gleichen Teilen zur Finanzkrise 2008 beigetragen. Als da wäre US-Regierung und US-Notenbank. Die unausgesprochene Staatsraison der Amerikaner lautete schon lange vor der Finanzkrise, dass jeder Amerikaner (weil man ja die größte, reichste und mächtigste Nation der Welt sei) das Recht habe, in seinem eigenen Haus zu leben. Deswegen schufen Regierung und Notenbank absichtlich ein Umfeld von immer weiter sinkenden Zinsen und Deregulierung am Hypothekenmarkt. Genau so aber waren die Konsumenten schuld, die oft (aber nicht immer) sehenden Auges in die Katastrophe schlitterten, weil sie Häuser kauften, die sie sich gar nicht leisten konnten. Und drittens waren es die Banken, die unbedingt Geld verdienen wollten durch hoch verzinste Immobiliendarlehen. Egal wie, es mussten Kredite verkauft werden. Diese toxische Kombination schuf die Immobilienkrise in den USA und nicht ein simples Scheitern des Kapitalismus.” – bto: Auch das ist richtig. Es war die politische Reaktion auf den Wettbewerbsdruck aus China.
  • Vor allem nach der nächsten Bundestagswahl dürfte in der Post-Corona-Zeit der Drang hin zu mehr Staatswirtschaft zunehmen. Was die dann neu formierte Regierungskoalition (raten Sie mal, welche das sein wird) vorhat, lässt sich natürlich schwer erahnen. Aber für jeden, der denkt, ihn persönlich würde eine zunehmende Staatswirtschaft und zunehmende staatliche Restriktionen nicht betreffen, der schaue mal ins grün regierte Ländle. In Baden-Württemberg wurde nämlich beschlossen, dass das Landesnaturschutzgesetz geändert wird. Dabei geht es um die Gestaltung von Vorgärten auf Privatgrundstücken – Schottergärten auf Privatgrundstücken werden verboten. Tja, Sie als Hausbesitzer dürfen dann nicht mehr selbst bestimmen, ob sie Steine oder Rasen vor ihrem Haus auslegen. Das ist nur ein winziger, kleiner Vorgeschmack auf das, was uns bevorstehen dürfte.” – bto: Einfamilienhäuser werden verboten – wegen Klimaschutz.
  • Thomas Fricke wünscht sich unter anderem, dass (Zitat) ‘Politiker dazu beitragen, dass bei drohenden wirtschaftlichen Umbrüchen in den betreffenden Regionen viel früher neue Perspektiven geschaffen werden – und viel systematischer schon dafür gesorgt wird, neue Firmen anzulocken, die am besten zu den Leuten und Ressourcen vor Ort passen’.” – bto: wo es mir schon allein aus Gründen der Qualifikation der Politiker graut!
  • “Dazu kann man als mahnendes Negativbeispiel die ostdeutschen Kohlereviere erwähnen, wo Tausende Jobs verloren gehen. (…) Es mussten sofort Job-Versprechen her für die neuen Arbeitslosen. Und siehe da: von Kohleabbau direkt hinüber in die Staatswirtschaft. So sollen von 8.000 Kumpel, die ihren Jobs verlieren, für 5.000 von ihnen neue Jobs bei Behörden geschaffen werden, genau in den Regionen, wo die Jobs verloren gehen. Neue Staatsjobs schaffen, wofür genau? Mal sehen? Irgendwas fällt uns da schon ein? Wie produktiv werden diese neuen Behörden sein?” – bto: Das ist natürlich genau das Gegenteil von dem, was man braucht. Wir brauchen mehr, nicht weniger Produktivität!
  • Klar ist nur: Die privaten Arbeitnehmer in Deutschland müssen diese zusätzlichen Behördenjobs dann zukünftig dauerhaft auch finanzieren, mit ihrem Steueraufkommen. Es gilt, so meine bescheidene Meinung, dem Drang nach immer mehr Staat, höheren Steuern und immer mehr Regulierung Einhalt zu gebieten.” – bto: Na, dann sind wir schon mal zwei.

finanzmarktwelt.de: “Spiegel-Kolumnist fordert „Kapitalismus-Reform jetzt“ – eine Gegenrede”, 29. September 2020