Japan ist mehr als eine Mahnung

Japan ist uns in vielerlei Hinsicht Jahrzehnte voraus und vor Corona war das “Japanische Szenario” immer wieder Gegenstand der Diskussion, auch bei bto. In einem Gastbeitrag für die WELT geht Professor Schnabl den Parallelen nach und wirft einen skeptischen Blick in unsere Zukunft. Allerdings denke ich, dass Schnabl noch zu optimistisch ist:

  • “Die Union will eine Rückkehr zur Schuldenbremse 2022. Warum auch das unrealistisch ist, zeigt Japan, das schon seit 30 Jahren in der Krise steckt (…) Anfang der 90er-Jahre platzte in Japan eine von billigem Geld der Bank von Japan befeuerte Aktien- und Immobilienblase, in deren Verlauf die Steuereinnahmen stärker als die Ausgaben gestiegen waren. Es folgte eine lange wirtschaftliche Flaute, die auf die Einnahmen aus der Unternehmens- und Einkommenssteuer drückte.” – bto: Wir wissen, dass Japan diese Krise nie richtig überwunden hat, was aber auch an der Demografie und nicht nur an den hohen Schulden der Unternehmen lag.
  • “Gleichzeitig wuchs eine Lücke bei den staatlichen Sozialkassen. Japans Gesellschaft altert aufgrund niedriger Geburtenraten schnell, sodass die Ausgaben der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung stark zunahmen. Musste die öffentliche Hand im Jahr 1990 noch ca. 15 Billionen Yen (ca. 120 Milliarden Euro) zuschießen, waren es im Jahr 2019 bereits 50 Billionen Yen (ca. 400 Milliarden Euro).” – bto: Das kommt auch auf uns zu! Und zwar weitaus schlimmer.
  • “Eine Kürzung der Sozialleistungen und des regionalen Finanzausgleichs ist schwierig, weil die politische Macht der regierenden LDP auf der überalterten Bevölkerung in der japanischen Peripherie basiert. (…) Der einfachste Weg blieb deshalb die Finanzierung über Staatsanleihen. Die Verschuldung des japanischen Staates ist von 67 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1990 auf 240 Prozent im Jahr 2019 angestiegen. Der immense Schuldenberg blieb nur deshalb tragfähig, weil die Bank von Japan in großem Umfang Staatsanleihen kaufte und inzwischen fast 50 Prozent aller ausstehenden Staatsanleihen hält.” – bto: was sie auch zum großen Vorbild für die Vertreter von MMT macht. Wenn überhaupt, würden die Vertreter kritisieren, dass die Japaner nicht aggressiv genug waren.
  • “Die anhaltend ultralockere Geldpolitik lähmt jedoch das Wachstum, weil sie die Unternehmen zombifiziert. Es resultierten negative Produktivitätseffekte, sodass seit 1998 die Löhne im Trend fallen. Das trübte insbesondere die wirtschaftlichen Perspektiven der jungen Generation ein, die auch deshalb wenige Kinder hat. Die Sozialsysteme kommen so immer weiter in Schieflage.” – bto: Zum einen sehen wir die Zombifizierung auch in Europa. Andererseits ist das BIP pro Erwerbstätigen schneller gewachsen als bei uns und in den USA – also ist es nicht so schlecht. Ich fürchte, dass wir uns nicht so gut schlagen werden.

Womit wir zu seiner Sicht auf Deutschland kommen:

  • “Eine ausufernde Zombifizierung der Unternehmen ist infolge der anhaltenden Niedrigzinspolitik der EZB und der umfangreichen staatlichen Pandemiekreditprogramme jedoch sehr wahrscheinlich geworden. Deshalb dürften – nach dem vom billigen Geld der EZB befeuerten Steuerboom zwischen 2010 und 2020 – die Steuereinnahmen fortan fallen oder zumindest stagnieren.” – bto: Wir wissen, dass es die Zombifizierung schon länger gibt. Und durch Corona werden es sicherlich noch viel mehr Zombie-Unternehmen.
  • “Zweitens ist ein weiteres Ansteigen der Verpflichtungen aus den Sozialsystemen unausweichlich, weil die deutsche Bevölkerung zwar nicht so schnell wie in Japan, aber doch zügig altert. Zudem liegen – nicht zuletzt aufgrund weiterer Versprechungen in den vergangenen Boomjahren – die Sozialausgaben pro Kopf in Deutschland deutlich höher als in Japan.” – bto: Und wir haben uns den Luxus geleistet, vor allem Zuwanderung in das Sozialsystem zu fördern.
  • “Drittens dürfte in Deutschland der Spielraum für Steuererhöhungen deutlich geringer sein, weil die allgemeine Steuerlast (inkl. Sozialbeiträge) mit ca. 40 Prozent bereits viel höher als in Japan (31 Prozent) ist.” – bto: Das sieht ein Großteil der Politiker hierzulande völlig anders, wie wir wissen.
  • “Während in Japan 20 Jahre Lohnrepression und eine deutlich gewachsene Vermögensungleichheit von der Bevölkerung immer noch geduldig hingenommen wird, dürften in Deutschland die Verteilungskonflikte deutlich zunehmen.” – bto: und wie. Zusätzlich verschenkt ja unsere Regierung noch Geld an andere Länder und verschwendet es für allerlei sinnlose Projekte.

welt.de: “Japans große Sozialkrise ist ein Menetekel für Deutschland”, 28. August 2020