Italien wird erst erpressen und dann austreten

Seit Jahren schreibe ich bei bto darüber, dass Italien eben nicht in der Lage ist, der Schuldenspirale zu entkommen. Die Dynamik aus Wachstum und Schulden ist schlichtweg mathematisch eindeutig nicht zu durchbrechen. Schon gar nicht im Gerüst des Euro, der jegliche Anpassung erschwert bzw. verunmöglicht. In letzter Zeit melden sich wieder mehr Leute zu Wort und warnen, worauf mich auch Leser von bto immer wieder hinweisen. Die Antwort kann nur lauten:

 → Lasst uns austreten, bevor Italien es tut!

Wie abhängig das Land von der Unterstützung durch den Landsmann Mario Draghi ist, ist ebenfalls offensichtlich. Droht diese Unterstützung wegzufallen, ist die Pleite nicht mehr fern. Fragt sich nur, wer dennoch an ein Ende der Unterstützung glaubt. Ich nicht. Das eigentliche Risiko bleibt ein Austritt des Landes mit Zahlungseinstellung. Die dummen sind dabei die Gläubiger. Also wir. Selber schuld.

Ambroise Evans-Pritchard fasst die Lage nochmals knapp zusammen:

  • Quantitative easing by the ECB has worked wonders for Italy’s apparent fiscal health. It has mopped up half the gross supply of Italian debt, shaving at least 100 basis points off Rome’s borrowing costs. But it has not changed the country’s underlying pathologies.” bto: Notenbanken bekommen nun mal keine Kinder, steigern nicht die Produktivität und führen auch keine Reformen durch.
  • “The end of QE poses a threat to Italy. As the ECB pulls back, it will have to find new marginal buyers of its sovereign bonds. This might not be easy (…).” bto: weshalb es nicht dazu kommen wird!
  • “The country must refinance debt worth 17pc of GDP next year – one of the highest ratios in the world – yet there are no obvious buyers to step into the breach. Italian banks and foreign funds have been systematic sellers.”bto: was sie auch tun müssen, um die gegenseitige Abhängigkeit zu reduzieren. Ist es nicht schön, dass das alles dann bei der Bundesbank als Target2-Forderungen landet? Scherz!
  • The proceeds have been rotating into accounts in Germany or Luxembourg, pushing the Bank of Italy’s net debt through the ECB’s internal Target2 payments system to €432bn. This is slow capital flight. The question is what level of bond yields in Italy would be required to entice the money back.” bto: Warum sollte man einem Land Geld leihen, das bei nüchterner Rechnung überschuldet ist?
  • “The ruling centrist PD party has collapsed to 24pc in the polls, giving way to a populist onslaught from anti-euro movements on the Left and Right. The insurgent Five Star Movement led by comedian Beppe Grillo is five points ahead. The party wants a euro referendum – as a last resort‘ – if Germany refuses debt mutualisation.” bto: Ah, dann ist es ja gut. Unsere Jamaika-Profis werden sich da schon flexibel zeigen.
  • “On the Right, Silvio Berlusconi’s Forza Italia is fighting back with calls for the restoration of monetary sovereignty‘ and a parallel currency for internal use and taxation. Critics compare this to the Italian paper debasement of the Latin Monetary Union in the 1860s. It may equally be a bargaining chip to extract concessions from Berlin.” bto: Das ist doch super. Warum soll man auch seine Finanzen selber regeln, solange die Provinzen‘ zahlen?
  • The vote may throw up three blocks incapable of working with each other. It is unlikely that any government emerging from the highly-fragmented parliament will be able to push through major reforms,‘ said HSBC.” bto: Solange es genügt, den Euro zu verlassen/uns zu erpressen, ist es schon genug.
  • For now the eurozone is booming. The austerity chapter has been closed. The cyclical rebound has lifted Italy off the reefs after an economic depression deeper than the Thirties. But it still has a stubborn public debt of 132pc of GDP, testing the limits for a country with no sovereign central bank or currency.” bto: Das mit dem Boom habe ich ja schon letzte Woche bezweifelt.
  • The problem is that bad loans at eurozone banks are still $1 trillion. Debt levels in the weaker states are much higher than they were when the last crisis hit in 2008. (…) What worries IMF officials most is what happens if there is an asymmetric shock‘ of hitting one country, or a regional cluster. The banking union is half-finished with no real backstop to avert a repeat of the sovereign/banking doom-loop‘ that almost blew up the euro in 2012. The Fund calls plaintively for a central fiscal capacity‘ to act as a stabilizer.” bto: Klartext: Es soll über Umverteilung gehen. Wir haben aber gesehen, es geht nicht.
  • “Years of depressed investment has depleted the human capital stock – hysteresis‘ – and this has lowered the economic speed-limit. The country’s reliance of low-tech sectors make it more sensitive than Germany to the stronger euro. (…) The government is now pushing for a fiscal deficit of almost 3pc of GDP at the top of the cycle. It is a recipe for trouble. Italy’s apparent fiscal margin is an illusion of QE. The risk is that this becomes brutally clear as soon as the ECB shield is pulled away.” bto: weshalb sie es nicht tun darf!

Fazit: Die Italiener werden ganz sicher irgendwann austreten. Vorher werden sie aber noch viele Zugeständnisse und Überweisungen heraushandeln. So übrigens schon in Die Billionen Schuldenbombe geschrieben.

→ The Telegraph: “Italy risks storm as QE ends and politics go haywire, HSBC warns”, 13. November 2017

Kommentare (10) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. brunch68
    brunch68 sagte:

    Staatsschulden Italien rd. 2,2 Bio €, privates NETTO-Geldvermögen (also ohne Immos) pro Kopf lt. aktueller Allianz Studie rd. 54,5 tsd €, macht rd. 3,3 Bio insgesamt; es fehlt leider an politischer Durchsetzungskraft hier eine langfristig vernünftige Regelung zum Abschmelzen der Staatsverschuldung durch Beteiligung von z.B. sehr großen Vermögen zu treffen;
    trifft natürlich auch auf Deutschland zu; Für D z.B. Vermögen ab 50 Mio mit Abgabe belasten, Abgeltungssteuer auf z.B. 35% bis 40% erhöhen, dafür Freibeträge wieder erhöhen, damit der Durchschnittssparer gar nicht betroffen ist; steuerlichen Grundfreibetrag erhöhen, für niedrigere und mittlere Einkommen Steuersatz senken, Spitzensteuersatz erhöhen, ABER erst ab deutlich höherem Einkommen z.B. 250tsd (ledig) gelten lassen; dies würde die Binnennachfrage erhöhen und somit auch die Abhängigkeit/Anfälligkeit D vom Export reduzieren und somit auch (langfristig) die Spannungen in der €Zone reduzieren

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  2. Wolff Baer
    Wolff Baer sagte:

    Italien wird nicht austreten.
    Weder aus der €-Zone und schon garnicht aus der EU.
    Sondern wird genauso wie Griechenland und die anderen ClubMed-Pleitiers um jeden Preis alimentiert – und zwar von Herrn Draghi.
    500 Milliarden für die Italo-Pleite-Banken? Da lacht Draghi nur!
    Diesem fleißigen Fiat-Geld-Drucker wird es überhaupt nichts ausmachen, weitere Billionen € seinen uneinbringlichen Schrott-Anleihen in seinem 3 Billionen €-Schrott-Anleihen-Portfolio hinzuzufügen.
    Für uns doofen Deutschen bedeutet es, daß unser EU-Schuldenhaftungsanteil von zur Zeit 27% in astronomische Höhen steigen wird.
    Wie schon Herr Sinn gesagt hat, sitzen wir in der EU-, Euro- und Target-Salden-Falle, aus der wir dank unserer idiotischen Politiker vorläufig nicht mehr herauskommen.
    Lediglich eine 3.Währungsreform innerhalb 100 Jahren in D würde alle Probleme zu unseren Lasten lösen.

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  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    A.-E. Pritchard hat die Hand am Puls.

    Und das so cool wie jemand nur sein kann in einem Land, das mit eigener Währung in der zweiten oder dritten Reihe steht, wenn die Eurozone auseinander fällt.

    Italien, ganz klar, rückt immer mehr ins Rampenlicht.

    Die Probleme sind bekannt und man bereitet sich akribisch vor.

    Hier ein Papier der EZB, taufrisch vom 8. Nov. 2017, das tief blicken lässt.

    Nicht erschrecken, es handelt nur von der REALITÄT („Crisis management framework“)

    https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_con_2017_47_f_sign.pdf

    Meine Sicht der Dinge:

    WIR sollten nicht die Initiative ergreifen und austreten, weil wir bei einem Austritt den Schwarzen Peter für das Desaster haben, das mit unserem Ausscheiden einsetzen würde. Das würde uns gewaltig schaden weit über Europa hinaus: Deutschland das 4. Reich, macht diesmal mit wirtschaftlicher Brachialgewalt alle nieder.

    Auf was wir zuarbeiten sollten, hängt m. A. n. ganz wesentlich von folgender Frage ab:

    Ist es zu erwarten, dass die Eurozone auf Basis wettbewerbsfähiger Länder in einen Zustand nachhaltiger Stabilität gelangt, OHNE dass wir über einen von uns definierten Zeitraum hinaus in bestimmter, ebenfalls von uns definierter Größenordnung Transfers leisten?

    Wenn ja, sollten wir nicht auf einen Austritt oder Zerfall hinarbeiten.

    Wenn nicht, dann sollten wir in Abwägung des Wie und der Folgen auf einen Austritt oder Zerfall hinarbeiten.

    Entscheidend ist für uns, welche Transfers wir uns leisten können mit Blick auf die Mittel, die wir zukünftig für unsere Gesellschaft brauchen, wenn sie einigermaßen gut funktionieren soll.

    Die Auffassung, dass unsere Gesellschaft ohne die Eurozone nicht gut funktionieren könne und daher Transferleistungen nicht in der Diskussion sein sollten, halte ich für falsch.

    Was Italien betrifft:

    Politisch hier und heute nicht wirklich einzuschätzen. Diejenigen Kräfte, die auf einen wie auch immer konzipierten Austritt hinarbeiten, sind stark. Im Augenblick hätten sie wohl die Oberhand.

    Andererseits werden es sich viele Italiener dreimal überlegen, ob sie einfach mal so austreten. Die Franzosen sind im Frühsommer des Jahres davor zurückgeschreckt.

    Für einen Rettungsschirm, selbst wenn er aufgeblasen wird, ist Italien zu groß.

    Das ist das eine Problem.
    Das andere sind die Banken. Man wird alle Regeln missachten, wenn hier etwas aus dem Ruder läuft. Ein bankrun wäre eine Katastrophe. Die ELA-Kredite würden die 100 Mrd. für Griechenland locker übertreffen, wenn die italienischen Bankautomaten hartleibig würden.

    Ist man aber erst einmal mit einer spürbaren Einschränkung des Zahlungsverkehrs auf der schiefen Ebene, kann es dramatisch werden.

    Staaten und ihre Institutionen haben sehr viel Macht.

    Ich wage aber zu bezweifeln, dass die immer hinreichend ist, um die Dinge unter Kontrolle zu halten.

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      Ich bezweifle auch, dass die Staaten schnell genug wären. Ich mir gerade den Entwurf der Jamaicavereinbarung bei Roland Tichy als PDF angesehen. Ich musste lachen über das Kleinklein, das sofort zerfällt, wenn es Italien zerlegt. Ein Solirückgang in drei oder vier Schritten ist dann nur noch eine Flocke im Schneesturm…

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Richtig: eine Flocke im Schneesturm.

        Aber was sollen die Jamaica-Politiker oder solche in irgendeiner anderen Verhandlungskonstellation denn tun?

        Sollen sie eine Vereinbarung aushandeln, die – soweit unsere Möglichkeiten überhaupt reichen – der Situation gerecht werden, die eintritt, wenn es Italien zerlegt?

        Das ist sicher keine gute Idee, denn eine solche Vereinbarung würde ganz schnell Deutschland zerlegen.

        Also wird man so verhandeln (müssen), als ob es Italien nicht zerlegt.

        Damit ist man erst einmal auf der sicheren Seite, solange es Italien nicht zerlegt.

        Wenn es Italien doch zerlegt, dann muss man eben NEU verhandeln.

        Und so weiter …

        Aber da sind wir uns einig:

        Irgendwann gibt es nicht mehr die Verhandlungsmasse, die nötig wäre, um angemessen auf die Situation zu reagieren, die eintritt, wenn es Italien zerlegt.

        Sollte man daher – denkbarer Ausweg – eine Vereinbarung aushandeln, die so weit wie möglich VERHINDERT, dass es Italien zerlegt? Das wäre die Transferunion.

        Das ist auch keine gute Idee, weil eine solche Vereinbarung vielleicht nicht schnell, aber doch früher oder später Deutschland zerlegen würde.

        Auf was hin also verhandeln?

        Augen zu und HOFFEN, dass es die Italiener nicht zerlegt.

        Und wenn doch, HOFFEN, dass die EZB und alle Regierungen mittlerweile hinreichende Instrumente entwickelt haben, um das Allerschlimmste zu verhindern oder zu reparieren.

        Ich bin dabei mit mir zu verhandeln und tendiere dazu, den Bargeldbestand im Tresor zu erhöhen und die Depositen zu verringern.

        Man sollte sich ruhig auf die EZB verlassen:

        Wenn die sich verstärkt mit dem Krisenmanagement beschäftigt, ist es an der Zeit, selbst TÄTIG zu werden.

      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        @Herrn Tischer: was die Jamaika-Sondierer tun sollten? Nach den Sondierungen mit Herrn Weidmann ein Wochenende in Klausur gehen. Ich wäre schon froh, wenn die Mehrheit des Bundestags das Italienproblem überhaupt erkennen würde…

  4. asisi1
    asisi1 sagte:

    wir kommen aus dem zahlen nicht mehr raus.
    das geht schon seit 100 jahren so und wird sich nicht ändern. da können unsere experten schreiben was sie wollen.kein Volk der welt läßt sich so am Nasenring durch die manege führen wie die deutschen Michel!

    Antworten
  5. Karl F.
    Karl F. sagte:

    Wenn ich mich recht erinnere hat Prof. Sinn erläutert, dass die deutsche Target2-Forderung auch deshalb steigt, weil italienische und spanische Banken die italienischen und spanischen Staatsanleihen in Frankfurt verkaufen, was dann quasi durch die Bundesbank finanziert wird. Könnte die Bundesbank nicht entsprechende Gegengeschäfte an den Börsen von Rom und Madrid tätigen und dort für 800 Milliarden deutsche und anderweitige werthaltige Anleihen kaufen, welche dann quasi von der italienischen und spanischen Zentralbank bezahlt werden?

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  6. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Da sage ich als deutscher Steuerzahler ganz egoistisch: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Der italienische Austritt wäre m.E. die geniale Lösung, nämlich die beginnende Reduzierung der Eurozone auf die Länder, die von der Währungsmentalität wirklich langfristig zusammen passen. Ja, dann sind wohl ein paar hundert Milliarden Bundesbankgelder versenkt. Die sind eh schon nicht werthaltig im Krisenfall. Aber dann ist für alle Licht am Ende des Tunnels zu sehen und die Illusion einer immer stärker vertieften EU ist für das 21. Jahrhundert politisch erledigt. Dann besteht vielleicht endlich eine Chance für eine EU, die nicht auf Umverteilung beruht. Und die brauchen wir nach meiner Meinung, denn die Alternative sind echte Nationalisten in vielen Ländern und dann haben wir mehr als nur Geldsorgen.

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