Italien kommt wieder auf die Agenda

Ruhig ist es geworden um Italien. Erst die Wahlen, dann lange nichts, dann die neue Regierung, zunächst auch nicht ernst genommen, sodann die kurze Phase der Unsicherheit – Stichwort Schuldenannullierung durch die EZB – und dann wieder Ruhe. Nun mehren sich jedoch die Indikatoren für einen heißen Herbst. Zunächst die Fakten zum Markt für italienische Staatsanleihen, die in den letzten Tagen unter Druck kamen, so stark, dass der italienische Staat sogar eigene Anleihen zurückkaufen musste, um den Markt zu stabilisieren.

Auf jeden Fall kommt das Thema wieder auf die Agenda. Zunächst die FT mit ein paar Fakten:

  • “Anyone holding Italian government debt must gird themselves for what is likely to be a noisy period of negotiationover the budget ahead of a draft that is expected to be ready by the middle of October.” – bto: Das bedeutet, der Euro kommt wieder in Turbulenzen.
  • “A renewed sell-off gripped the €2tn market late last week as the country’s populist Eurosceptic coalition government began negotiations on its debut budget, something the market had not expected until the autumn.” – bto: Das wiederum zeigt, dass die Märkte nicht langfristig genug blicken.
  • “Fitch and S&P currently rate Italy as BBB with a stable outlook, while Moody’s lists the country as Baa2 and a negative outlook. In all three cases Italy is ranked two notches above junk. It would take a pretty spectacular fall for Italian debt to drop below investment grade, but even a downgrade by one notch would leave the country hanging perilously above the crucial cut-off point which influences billions of euros of investment flows.” – bto: Ja, es handelt sich eben um einen der größten Staatsanleihenmärkte der Welt mit erheblichen Auswirkungen auf das Weltfinanzsystem, vom Euro ganz zu schweigen.
  • “A further support for the market has been the carry trade. With Italian yields offering a considerable premium over those of other eurozone countries, particularly in shorter-dated maturities, Italian bonds have been popular among investors who expected markets to remain calmin August. Analysts say that source of demand dissipated late last week as it became clear that political risk was likely to rumble on all month.” – bto: Im Klartext bedeutet das, es wird mit Leverage gearbeitet, was Ausmaß und Geschwindigkeit von Entwicklungen verstärkt.

Kein Wunder, dass Carmen Reinhardt, Professorin für das Internationale Finanzsystem an der Kennedy School of Government der Harvard-Universität in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt warnt:

  • Unklar war lediglich der genaue Zeitpunkt, an dem sich die Lage zuspitzen würde. Dies ist jetzt geschehen. Das italienische Pro-Kopf-BIP liegt etwa acht Prozent unterhalb des Niveaus von 2007, dem Jahr vor der weltweiten Finanzkrise, die die große Rezession auslöste. Von den elf hochentwickelten Volkswirtschaften, die von der schweren Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 betroffen waren, ist nur in eine tiefere und langwierigere Depression gestürzt.” – bto: Das ist der wesentliche Grund für die politische Unzufriedenheit.
  • “Oberflächlich betrachtet scheinen sich die zwar seit 2013 auf rund 130 Prozent des BIP stabilisiert zu haben. Doch diese Stabilität ist irreführend. Die allgemeinen Staatsschulden sind im Falle Italiens nicht die ganze Wahrheit.” – bto: Ich erinnere daran, dass die verdeckten Verbindlichkeiten geringer sind als beispielsweise in Deutschland, weil eben Rentenreformen durchgeführt wurden. Allerdings will die neue Regierung auch diese zurückdrehen.
  • Um das Gesamtrisiko Italiens zu bestimmen, muss man zu den Staatsschulden die Verbindlichkeiten der Zentralbank (Target2-Salden) addieren. Wie die jüngsten Daten zeigen, wird das Verhältnis der öffentlichen Schulden zum BIP durch diese Salden um 26 Prozent gesteigert.” – bto: nanu. Da sagt eine der anerkanntesten Ökonominnen der USA, dass es doch eine Verbindlichkeit ist und dann muss es umgekehrt auch eine Forderung sein. Oder?
  • “Im Gegensatz zu den Nicht-Euro-Krediten, die Italien vor 1999 aufgenommen hat, können diese Schulden nicht weginflationiert werden. In dieser Hinsicht verhalten sie sich wie die Dollar-Schulden der Schwellenländer: Sie müssen entweder zurückgezahlt oder umstrukturiert werden.” – bto: außer man entscheidet sich zu einer Entwertung von Schulden auf EU-Ebene, was ich nicht ausschließen möchte.
  • “Bereits jetzt hat die instabile Lage Italiens internationale Auswirkungen. Während die Renditen der italienischen Staatsanleihen überkochen, sind in der Nachbarschaft auch die Erträge der spanischen, portugiesischen und griechischen Anleihen gestiegen. Zudem hat die Schwäche des Euros zu einer Dollar-Stärke geführt, was auf Kosten der Schwellenländer geht, vor allem derer mit Staatsschulden in US-Dollar. Die Flucht in Qualität, von der die Ausbrüche finanzieller Turbulenzen immer begleitet werden, verstärkt die Tendenz des Ausstiegs aus riskanteren Anlageklassen, zu denen auch die Anleihen der Schwellenländer gehören.” – bto: Italien ist dabei aber nur ein Auslöser, nicht die Ursache. Unser gesamtes Finanzsystem ist – wie hier immer wieder diskutiert – hoch fragil.
  • “Die beste Lösung – eine schnelle Neuregelung der Schulden – ist im Falle Italiens unwahrscheinlich. (…) Allerdings ist es schwer vorstellbar, wie eine Umstrukturierung der italienischen Schulden völlig vermieden werden könnte.” – bto: Nun scheuen aber die europäischen Politiker, vor allem die Franzosen, einen Schuldenschnitt. Also kann es dazu nicht kommen, weil es nicht gewollt ist. Es bleiben nur die Tricks.
  • “Die Alternative – sich auf eine vollständige Rettung zu verlassen – ist eine große Versuchung, da sie die Märkte vorübergehend beruhigen könnte. Das würde das Problem nur nach hinten schieben. Die Tatsache, dass die griechischen Schuldenprobleme noch nicht gelöst sind, sollte uns als Warnung dienen.” – bto: was? Ich habe doch gelernt, dass Griechenland gerettet ist. Zumindest wird das hier von Medien und Politikern erzählt. Natürlich wird man wieder auf Zeit spielen.

Damit ist klar, was auf uns zukommt: eine italienische Regierung, die sich nicht an die Schuldenregeln halten wird, eine EZB, die weiter die Anleihen des Landes stabilisiert und das große politische Spiel um eine Rettung, bei der wir wieder die großen Gewinner sind.

ft.com (Anmeldung erforderlich): “The Italian budget that has bond markets on edge”, 9. August 2018

handelsblatt.com: “Das politische Chaos und die sozialen Unruhen in Italien bedrohen Europa”, 7. August 2018