Italien ist mit und ohne Euro ein Sanierungsfall

Italien ist für mich einer der Hauptkandidaten für einen Euroaustritt. Nicht sicher ist jedoch, ob dieser Austritt dem Land wirklich helfen würde. Ich denke schon, andere argumentieren dagegen. So ein Professor meiner Alma Mater in einem Gastbeitrag in der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • “Die Staatsverschuldung Italiens liegt auf 130 % des Bruttoinlandprodukts (BIP). Dabei hatte das Land die Schuldenquote seit 1995 bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 langsam von über 120 auf etwa 100 % reduziert. Seitdem ist sie stark gestiegen. Es ist kein Geld da für öffentliche Investitionen und Vorleistungen, die das Wachstum stützen könnten. Es fehlt jeder Spielraum, um in einer Rezession gegenzusteuern, weil die Schuldentragfähigkeit ausgereizt ist.” – bto: wie unmodern. Andere Staaten würden sich einfach bei ihrer Notenbank bedienen.
  • “Die Banken Italiens können keine neuen Schocks mehr vertragen. Sie sind mit faulen Krediten beladen und müssen im Fall einer Rezession Schlimmes befürchten. Der Anteil der schlechten Kredite lag vor der Krise auf akzeptablen 6 %, ist jedoch ab 2008 auf etwa 18 % gestiegen.” – bto: Außerdem haben sich die Banken noch mit Staatsanleihen vollgesogen.
  • “Der Realwirtschaft geht es nicht besser. Geplagt von hohen Lohnstückkosten, hoher Steuerbelastung und überbordender Bürokratie, ist ihre Wettbewerbsfähigkeit schwer beeinträchtigt. Investition und Wachstum lahmen. So kann die hohe Arbeitslosenrate nicht sinken. Die Italiener bezahlen es mit schleichendem Einkommensverlust.” – bto: und merken das. Folge: Sie wählen entsprechend.
  • “Während seit der Einführung des Euros Anfang der Nullerjahre in Deutschland das reale Pro-Kopf-Einkommen 23 % und in der gesamten Eurozone 15 % gestiegen ist, muss Italiens Bevölkerung etwa 5 % Verlust beklagen. Der Wohlstand ist geringer als vor zwanzig Jahren!” – bto: nicht gerade das Rezept, um Wähler glücklich zu machen.
  • “Das Land steht an einer Weggabelung. Entweder es findet Kraft und Ausdauer für radikale Reformen, oder es riskiert den Euroaustritt: Ein plötzlicher Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten könnte ihn herbeizwingen – oder die Politik könnte ihn mit dem verführerischen Versprechen einer schnellen Lösung der Probleme durch den Austritt selbst provozieren.” – bto: Noch kann man mit dem Versprechen eines Euro-Austritts keine Wahlen gewinnen. Das ist nur eine Frage der Zeit.
  • “Sobald sich erste Gerüchte über den Austritt verbreiten, wird in Erwartung einer starken Abwertung der neuen Lira schlagartig eine riesige Kapitalflucht einsetzen. Argentinien musste nach der Aufgabe der Dollarbindung in den ersten Monaten 2002 kumuliert über 80 % abwerten. Ähnliches wäre wohl für Italien zu erwarten.” – bto: Deshalb muss es a) überraschend passieren, b) mit Kapitalverkehrsbeschränkungen einhergehen.
  • Der panikartige Abverkauf italienischer Staatsanleihen würde die Zinsen hochschnellen und die Kurse ins Bodenlose stürzen lassen. Der Staat wäre insolvent und auf die Finanzierung mit der Notenpresse angewiesen. Die Banken könnten dieser Wucht nicht standhalten und nur mehr mit einer massiven Liquiditätszufuhr der Notenbank überleben. Dies würde einen grossen Inflationsschock auslösen, der die Vermögenden faktisch enteignet. In einer scharfen Krise würde die Arbeitslosenquote massiv steigen.” – bto: Es würde das geschehen, was bei einer Insolvenz passiert. Die Gläubiger würden enteignet. Hier übrigens vor allem die inländischen Gläubiger. Die Alternative ist, dass die ausländischen Geldgeber die Verluste tragen – also dann wohl wir, die wir von unseren Politikern zu einer als “Bankenunion” verbrämten Rettungsaktion für die doppelt so vermögenden Italiener verpflichtet wurden. Was ist denn da wohl besser?
  • “Die Folgen könnten gelindert werden, wenn es gelingt, mit einer mehrwöchigen Schließung der Banken und strikten Kapitalverkehrskontrollen die Kapitalflucht wenigstens teilweise zu unterbinden. Es ist allerdings zweifelhaft, dass eine Entscheidung von solcher Tragweite völlig überraschend kommen könnte. Eine Kapitalflucht wäre nur teilweise zu verhindern.” – bto: es ist aber unstrittig, dass wir Kapitalverkehrsbeschränkungen im Zuge der nächsten Eurokrise ohnehin bekommen werden.
  • Es ist auch nicht denkbar, dass Italien seine TARGET2-Verbindlichkeiten gegenüber der EZB erfüllen könnte.” – bto: da kann man nur lächeln. “Denkbar”? Nein, das ist schon jetzt sicher und Teil des Spiels.
  • “Nach dieser Schocktherapie wäre mit der hohen Abwertung und dem Reallohnverlust die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hergestellt. Italien könnte wieder schneller wachsen, auch weil sich Staat, Unternehmen und Haushalte nach einer Schuldenbereinigung in besserer Lage präsentieren. Das Land könnte die Zins- und Geldpolitik auf die eigenen Verhältnisse zuschneiden, um die Konjunktur zu stabilisieren. Und es könnte wieder auf Wechselkursanpassungen als Ausgleichsmechanismus vertrauen.” – bto: und dies sind alles sehr starke Argumente für Politiker in diese Richtung zu gehen, nachdem sie zuvor von Deutschland und den anderen Zahlungen erpresst und bekommen haben.
  • “Aber die Probleme verschwinden nicht einfach mit dem Euroaustritt. (…)  Finden die notwendigen Reformen nicht statt, ist der wirtschaftliche Niedergang programmiert. Ob mit oder ohne Mitgliedschaft in der Eurozone, das Schicksal zukünftiger Generationen in Italien entscheidet sich an der Fähigkeit der Politik zu nachhaltigen Reformen.” – bto: ja, aber sind die innerhalb des Euro mit der untragbaren Schuldenlast und dem insolventen Bankensystem wahrscheinlicher? Ich denke nicht.

→ fuw.ch: “Italien und der Euro”, 27. Februar 2019