Italien fordert den ein­zigen Aus­weg: Deutsch­land muss mitmachen!

Nicht zum ersten Mal fordert Italien einen Schuldenerlass durch die EZB. Das überrascht nicht, ist Italien doch auf dem Weg zu 200 Prozent Staatsschulden vom BIP.

Wenig beachtet wird dabei, dass sich das Land durch Vermögensbesteuerung durchaus selber helfen könnte, zumindest mit einer besseren Begründung als hierzulande. Zahlen vor Corona:

 

Und hier die verfügbaren Daten zu den Staatsanleihepositionen der EZB:

 

Die Italiener wollen also ihre Schulden reduzieren, indem die EZB verzichtet. Kann man machen, aber dann bitte für alle Staaten gleichmäßig wie immer gefordert. Und dann bitte gleich richtig, also deutlich mehr.

Doch schauen wir auf die Diskussion in Italien. Die F.A.Z. fasst zusammen:

  • „Die in Italien schon länger geführte Diskussion über die Machbarkeit eines Schuldenerlasses durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist noch lauter geworden. Angefacht wurde die Debatte nun durch den italienischen Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli. Der war noch nie ein Anhänger von Austerität, im Gegenteil: Sassoli hatte während der ersten Welle der Corona-Pandemie gesagt, dass ‘nun alle Staaten so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich ausgeben sollten’.“ – bto: Politiker definieren sich durch das Ausgeben von Geld. Zudem muss man den Italienern zugestehen, dass sie in den letzten Jahren wirklich versucht haben, zu sparen – mit fatalen wirtschaftlichen Folgen.
  • „Nun wird er von der italienischen Zeitung ‘La Repubblica’ mit einem noch weiter gehenden Vorschlag zitiert: Europa muss die Covid-Schulden annullieren. (…) Zudem solle das System gemeinsamer europäischer Schulden auf Dauer installiert werden.“ – bto: Und der deutsche Finanzminister hat das bereits zugesagt. Er will unbedingt die Umverteilung von Geld aus Deutschland in die anderen Staaten. Auch dafür sollen „endlich“ die Reichen mehr Steuern zahlen.
  • „Der Wirtschaftssprecher der Lega und Abgeordnete Claudio Borghi zieht schon seit langer Zeit durch die Fernsehdiskussionen mit der Forderung, dass die von der EZB gekauften Staatsschulden ‘einfach mit einem Federstrich annulliert werden’. Wenn jemand ein Unternehmen besitze, dem gegenüber er Schulden habe, könne man das Ganze immer gegeneinander verrechnen, und so sei es auch bei der letztlich vom Staat kontrollierten italienischen Zentralbank, die im Auftrag der EZB Staatstitel gekauft habe.“ – bto: Recht hat er! Das fordern auch andere wie Adair Turner und es ist der einzige Ausweg. Sollten wir einfach anerkennen!
  • „Inzwischen geht es um große Summen. Denn die Bilanz der Banca d’Italia vom September 2020 enthält 524 Milliarden Euro an italienischen Staatstiteln, die einem Schuldenstand von 2582 Milliarden Euro gegenüberstehen. Im System der EZB und der 19 Zentralbanken des Euroraums standen Ende 2019 etwas mehr als 2100 Milliarden Euro an Staatstiteln in der Bilanz, bei gemeinsamen Staatsschulden von 10 023 Milliarden Euro.“ – bto: Was zeigt, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist! Ich wundere mich, warum die für zehn Prozent Schuldenreduktion in den Ring steigen.
  • „Auch im katholischen Lager gibt es den Wunsch nach einer ‘Vergebung’ von Schulden durch die Zentralbank, vorgetragen etwa vom Ökonomen Leonardo Becchetti in der Zeitung der Bischofskonferenz, ‘Avvenire’. Die in solchen Situationen vorgetragenen Ängste vor einer Inflation seien unbegründet, schreibt Becchetti. Derzeit sei das Problem doch die Deflation.“ – bto: Stimmt, nur es ist eine Umverteilung zwischen den Ländern des Euro. Ich finde, darüber lohnt zu diskutieren!
  • „(…) es sei einzigartig, wenn Italien als Schuldner nach Schuldenstreichung rufe, noch bevor man überhaupt die neuen Kredite des geplanten europäischen Aufbaufonds erhalten habe. Politisch sei die Forderung sehr ungeschickt, heißt es von verschiedenen Seiten: Die italienische Forderung sei Wasser auf die Mühlen der Gegner von europäischen Fonds und gemeinsamen Schulden.“ – bto: Ja, das Timing ist unklug, aber es ist doch wenigstens ehrlich!
  • „Abgesehen davon, dass eine Schuldenstreichung Staatsfinanzierung durch die Zentralbank darstelle und vertraglich verboten sei, argumentiert Marcello Messori, Wirtschaftsdekan der römischen Universität Luiss, würden damit auch die Instrumente der Geldpolitik unwirksam. Wenn bald 30 Prozent der Staatsschulden von der Zentralbank gehalten würden, drohe so viel Liquidität in Umlauf zu sein, dass es in Zukunft unmöglich werde, eine Politik knapperen Geldes zu verfolgen.“ – bto: Es ist beruhigend, dass die EU noch nie Verträge gebrochen hat. Auch die Euro-Rettung war immer im Rahmen der Maastricht-Verträge. Oh sorry, da irre ich mich wohl. Und was „Politik knapperen Geldes“ bedeuten soll, ist mir auch unklar, denn das ist das unmittelbare Ende des Euro.
  • „Der Wirtschaftsprofessor Giampaolo Galli merkt schließlich an, dass Italien bei einer Schuldenstreichung nichts gewinnen könne. Zuletzt habe die Banca d’Italia 7,9 Milliarden Euro an Zinseinnahmen aus Staatstiteln wieder an die Regierung zurückgegeben. Bei einer Schuldenstreichung falle einfach dieser Kreislauf weg.“ – bto: Netto ändert sich daraus für den Staat recht wenig. Das Hauptproblem ist, dass sie so klein denken. Und aus deutscher Sicht: Mitmachen und Schulden-Endlager-EZB für alle bitte. Auch für uns!

Doch so weit ist es (noch) nicht, denn die EZB verwehrt sich der Idee, wie die FINANCIAL TIMES (FT) aus der Diskussion mit dem Europaparlament berichtet:

  • “Christine Lagarde has slammed the door on the idea that the European Central Bank could ride to the rescue of over-indebted eurozone governments by cancelling the vast piles of their bonds it has bought. ‘I don’t even ask myself the question, it is as simple as that because anything along those lines would simply be a violation of the treaty,’ the ECB president said in response to a question by a member of the European Parliament.” – bto: Das ist sicherlich richtig. Doch es gibt eine (bessere und einfachere) Lösung: Wenn die Regierungen Schulden auf EU-Ebene poolen und bei Fälligkeit mit neuen Anleihen aus dem Pool refinanzieren und diese dann von der EZB gekauft werden  – mit langer Laufzeit, dann haben wir das gleiche Ergebnis. Vor allem dann, wenn EU-Schulden nicht bei der Berechnung der Schuldenquoten einzelner Staaten eingerechnet werden.
  • “David Sassoli, president of the EP, told La Repubblica a few days ago that debt forgiveness was ‘an interesting working hypothesis, to be reconciled with the cardinal principle of debt sustainability’. (…) Ms Lagarde was visibly unamused by all this. ‘The ECB operates under the treaty; there is Article 123 of the treaty, which prohibits that kind of approach and I respect the treaty. Period.’” – bto: Das mag so sein. Deshalb ist es besser “meinen” Weg zu gehen.
  • “Undeterred, Marco Zanni, an MEP from Mr Salvini’s party, tried a different line of questioning. Wasn’t there a risk of the ECB suffering losses if the more than €3.5tn of bonds it has bought were to fall in value, he asked. Could the ECB burn through its capital and go bust as a result? Her patience wearing thin, Ms Lagarde read out a statement: ‘As the sole issuer of euro-denominated money, the euro system will always be able to generate additional liquidity as needed so by definition it will neither go bankrupt nor run out of money.’” – bto: So ist es! Aber wenn man nicht abschreibt, sondern auf die EU verlagert und mit 100-jährigen Anleihen refinanziert. Wo ist das Problem? Eben.
  • “The issue of debt burdens is on EU policymakers’ minds after the European Commission this week urged several countries — Belgium, France, Greece, Italy, Portugal and Spain — to be careful about building up unsustainable debt positions, having signed off on their 2021 budget plans. The commission said the draft budgets indicated that eurozone governments would run up an aggregate deficit of 8.6 per cent of GDP this year, followed by a deficit of 5.9 per cent next year. In total, the two years of deficits are expected to increase eurozone government borrowing by over €1.5tn. Italy’s government debt is on course to exceed 160 per cent of gross domestic product as a result of extra spending. That would give it the second-highest debt level in the eurozone, behind Greece, which has debt approaching double the size of its GDP.” – bto: Dies unterstreicht erneut, wie dringend wir eine Lösung brauchen, die größer und breiter ist: mehr Schulden “ausbuchen”, alle Staaten beteiligen.

Hallo Berlin, das wäre eine wirkliche Möglichkeit EU und Euro zu “retten”. Und profitieren würden wir auch!

faz.net (Anmeldung erforderlich): „Ruf nach Schuldenstreichung der EZB wird in Italien lauter“, 20. November 2020

ft.com (Anmeldung erforderlich): „Debt cancel culture and the ECB“, 20. November 2020