Inflation – das Thema der 2020er? III

Nochmal Inflation: diesmal anhand des Kommentars von Ambroise Evans-Pritchard vom Telegraph:

  • “Christine Lagarde is taking a big economic risk by doubling down on stimulus when the eurozone money supply is already exploding at rates unseen since the launch of the euro. She is taking an even bigger political risk in doing so after Germany’s top court ruled that the European Central Bank abused its power in earlier bond purchases, straying from monetary management into broad economic policymaking without a treaty mandate.” – bto: Nun ja, da könnte man meinen, dass die EZB schon seit Jahren eine Politik verfolge, die nicht durch das Mandat gedeckt ist.
  • “‘The ECB has no legal or democratic mandate for what it is doing, and it is giving the false impression that there is a free lunch,’ said Thomas Mayer, Deutsche Bank’s ex-chief economist. ‘We are heading for a constitutional crisis in the European Union and there are no means for diffusing it. The euro is simply not viable and the next couple of years are going to determine whether it all breaks apart. The markets don’t understand what is happening,’ he said.” – bto: eine Meinung, die ich bekanntlich teile.
  • “‘We could be heading for 1970s inflation. The ECB is creating all this money but at the same time the supply side of the economy is being constrained (by deglobalisation). If the German people wake up to 5pc inflation when this is over, they’ll conclude that the euro is out of control.’” – bto: nein. Sie werden sagen, es sei gut, dass es so ist und sich freuen, den Euro auf diesem Wege gerettet zu haben. Ich höre jetzt schon unsere Politiker. Außerdem kann man die Messmethoden noch anpassen.
  • “Prof Mayer says there is no consensus for treaty changes to permit debt pooling or fiscal transfers, so EU bodies are instead ‘bending the law’ in order to hold the euro together. This has run smack into the Verfassungsgericht in Karlsruhe.” – bto: Wobei ich – wohl überaus naiv – davon ausgehe, dass Staaten einen Vertrag über einen Schuldentilgungsfonds relativ leicht aufsetzen könnten. Bei uns müsste der Bundestag zustimmen, doch wieso sollte er dagegen sein? Gleiches gilt für die anderen Staaten.
  • “The ECB may be right that a deflation spiral is the greater risk – and implicitly that inflation is part of the cure for Club Med debt dynamics – but it is in uncharted waters and economic opinion differs widely.” – bto: Natürlich ist es so.
  • “The Verfassungsgericht ruled that the ECB had ‘manifestly’ breached the principle of proportionality with mass bond purchases. The Bundesbank will be prohibited from taking part in QE operations from August onwards unless the ECB can meet the court’s objections. Markets are bravely assuming that politicians will not allow this to happen.” – bto: Ich gehe weiter. Nicht mal die Bundesbank will das. Man wird einen fudge finden.
  • “Every feature that the court disliked about the original QE scheme is pushed further in the €1.35 trillion (£1.2 trillion) pandemic scheme. It is open-ended and therefore increases fiscal risk, eroding the budgetary powers of the German parliament and violating the Grundgesetz. The liabilities are real. The Bundesbank has extended almost €1 trillion of ‘credits’ to Club Med peers – above all the Bank of Italy – through the ECB’s Target 2 payments network. Large losses will be crystallised whether the euro holds together or fails.”
  • “Under pandemic QE, bonds purchases deviate from the capital key (GDP share) and are therefore skewed towards Club Med.” – bto: Natürlich, denn darum geht es doch!
  • “The backlash against the ECB’s latest move has so far been muted in Germany because key figures in the Left-Right coalition are content to let central bankers save EMU. But this quiescence is misleading. German taxpayers suspect that they are being taken for a ride. Resentment is festering.” – bto: Das sehe ich nicht. Die meisten interessiert es gar nicht.
  • “The Institute of International Monetary Research says ‘broad’ M3 money has been growing at a 19pc rate over the last three months (annualised) and will rise further. (…) Pandemic QE is different from post-Lehman QE. Banks were crippled after 2008 and drastic central bank stimulus was needed to offset monetary contraction. This time M3 is turbocharged. Monetarists say it will catch fire as Covid-19 recedes and ‘velocity’ returns to normal.” – bto: was die große Frage ist.
  • “While Weimar inflation stemmed from the upheavals of the First World War, Germany did succeed in stabilising the mark and controlling prices for a while. The rot set in when the Reichsbank stepped up money creation to cover falling tax revenues. Inflation spiralled higher in early 1923 after French troops occupied the Ruhr to extract war reparations. Germans stayed at home under a policy of passive resistance, a form of lockdown. Printed money covered the shortfall.” – bto: Das waren natürlich ganz andere Zeiten.
  • “A jump in inflation to 5pc today would be less dramatic but it would nevertheless be corrosive. Home ownership rates in Germany are the lowest of the big OECD states. Half live in rented property – the working class – and few have much financial wealth beyond bank savings. An inflationary bubble would impoverish them, while enriching others. It is a formula for a Trumpian turn in German politics.” – bto: Das stimmt sicherlich, aber ich halte einen “Trumpian Turn” für völlig ausgeschlossen. Keine Sorge!

→ telegraph.co.uk (Anmeldung erforderlich): “Germans fear the ECB is following the Weimar Reichsbank into an inflation trap”, 7. Juni 2020

Kommentare (22) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Wolf K
    Wolf K sagte:

    @christian anders,
    Straßenbenutzungsgebühr,schonmal gehört, LKW Steuer schonmal davon gehört, Dieselsteuer ?, und Sie haben Angst die paar deutschen Fuhrunternehmer die es noch gibt ,zahlen zu wenig Steuern, bzw. machen sich die Taschen voll ?

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  2. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Herr Dr Stelter glaubt, die meisten Steuerzahler interessiert ihre Ausplünderung nicht. Damit hat er für den Augenblick recht, aber nur, weil bisher keine kaufkraftschmälernden inländischen Schockereignisse wie grössere Inflationsraten oder eine Rekapitalisierung der Bundesbank eingetreten sind. Das Thema hat 1920 auch kaum einen interessiert; 1923 schon. Genauso könnte sich 2023 zu 2020 Verhalten, wenn es schlecht läuft, was natürlich eine interessante historische Analogie wäre, wenn auch aufgrund der Unterschiede bei den Themen Währungsunion, 1. Weltkrieg und Technologie keine Wiederholung. Wird spannend!

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    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Selig

      “die meisten Steuerzahler interessiert ihre Ausplünderung nicht. (…) aber nur, weil bisher keine kaufkraftschmälernden inländischen Schockereignisse wie grössere Inflationsraten oder eine Rekapitalisierung der Bundesbank eingetreten sind.”

      Tja, so ist der Lauf der Welt. Manche Menschen lernen aus Einsicht, aber die meisten nur durch Schmerz.

      Ein wesentlicher Unterschied zwischen 1923 und 2020 ist allerdings, dass es heute anteilig viel mehr Leute in der Bevölkerung gibt, die per Saldo überhaupt keine Steuerzahler sind, wenn man alle an sie geleisteten Zahlungen vom Staat gegenrechnet.

      Diese Ausplünderer haben natürlich ein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell weiter auszuweiten, wenn sie klug sind, dann idealerweise gerade so weit, dass die Steuerzahler keine Aufstände anzetteln (vorgestern war übrigens der 17. Juni) oder das Land verlassen.

      So gesehen ist das eine deutlich instabilere Situation als 1920.

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      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @Ott

        […] dass es heute anteilig viel mehr Leute in der Bevölkerung gibt, die per Saldo überhaupt keine Steuerzahler sind, wenn man alle an sie geleisteten Zahlungen vom Staat gegenrechnet.

        Diese Ausplünderer […]

        Alle Distributionsunternehmer, die mit ihrer LKW-Flotte öffentlich finanzierte Straßen in einem viel höheren Maß abnutzen, als Sie Steuern an eben jene Öffentlichkeit abführen (und mit eben jenem Modell auch noch Profit machen), als AUSPLÜNDERER zu bezeichnen: Da wäre ja nicht mal ich drauf gekommen. Ist mir viel zu sozialistisch.

        Aber sind das so viele und sind das im Vergleich zu früher so viel mehr geworden? Nicht, dass Sie nachher eigentlich eher die vielen Unternehmer meinen, die auf einem Gebiet innovativ sind, das sich nur durch sauteure, von Steuern bezahlte, jahrzehntelange Grundlagenforschung an öffentlichen Unis aufgetan hat, die sie in einem profitablen Geschäftsmodell niemals selber hätten machen können…

        (Der Sinn des Kommentars ist es zu zeigen, wie Banane die generelle Einteilung der Welt in Nettozahler und Nettoempfänger ist, wenn die Nettozahler ihre Zahlung nur auf Grundlage von Leistungen wieder anderer Zahler erbringen können, die wieder… usw. Bleiben die Hartz4ler als Restgröße. Die machen bekanntlich fett Lobbyarbeit, um das System so zu erhalten, wie es ist, logo!)

        Klar halten UNTER ANDEREM gute Unternehmen den Laden am Laufen. Aber nicht, weil sie “Nettozahler” sind. Ob sie das sind (möglich ist das, zwangsläufig nicht), kann kein Mensch seriös ausrechnen. Aber: schönes Selbstbild!

      • Horst
        Horst sagte:

        „Ein wesentlicher Unterschied zwischen 1923 und 2020 ist allerdings, dass es heute anteilig viel mehr Leute in der Bevölkerung gibt, die per Saldo überhaupt keine Steuerzahler sind, wenn man alle an sie geleisteten Zahlungen vom Staat gegenrechnet.“

        1923 ist nicht aus den Köpfen zu bekommen. Zeigen Sie die Parallelen auf. Ich kenne wenn überhaupt nur rudimentäre systemische Vergleichbarkeiten.

        Womit Sie allerdings recht haben und behalten werden: Die Ausplünderer der Massen haben ihr Geschäftsmodell derart subtil perfektioniert, dass die Masse nicht in der Lage ist, zu erkennen, wem die Politik nützlich ist.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Anders

        Wie gruselig. Sie klingen ja schon wie Saskia Esken, die hat auch diese naive Sozialistenvorstellung von der Wirtschaft als großem Geldkreislauf in dem es völlig egal ist, ob jemand etwas Nützliches produziert oder nicht, wie beispielsweise Esken oder Nahles mit ihrem neuen hochdotierten Bullshit-Job-Versorgungspöstchen in der “Bundesanstalt für Post und Telekommunikation”:

        “Ein Nutzer schrieb Esken am Donnerstag, die Frage nach der Rechtfertigung des Gehalts – Nahles würde Berichten zufolge 150.000 Euro im Jahr bekommen – sei durchaus interessant. ‘Ich z.B. arbeite im Einzelhandel und finanziere damit einen Teil ihrer Diäten.’ Esken antwortete: ‘Und ich zahle daraus nicht nur Steuern, ich kaufe davon auch jeden Tag ein. Wer finanziert jetzt wen?'”

        https://www.focus.de/politik/deutschland/abgeordnetengehalt-wer-finanziert-hier-wen-spd-chefin-esken-empoert-mit-tweet-zu-andrea-nahles_id_11993260.html

        Kleine Hilfestellung, falls Sie nicht entscheiden können, was nützlich ist, und was nicht: Stellen Sie sich zum Beispiel mal vor, alle Fuhrunternehmen in Deutschland würden eine Woche lang nicht arbeiten.

        Und jetzt stellen Sie sich stattdessen vor, alle SPD-Politiker, Migrantenfunktionäre, Sozialarbeiter, AWO-Geschäftsführer, gewerkschaftliche “Bildungsanbieter” für Hartz-4-Empfänger, etc. würden eine Woche lang nicht arbeiten.

        Merken Sie den Unterschied?

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @Ott

        Sie haben den Sinn meines Kommentars nicht mal im Ansatz verstanden, obwohl ich extra für Sie einen erklärenden Klammertext eingefügt habe. Wurde der durch Ihre Weltsichtbrille eigentlich rausgefiltert?
        Konkret: Haben Sie die Klammer gesehen und danach auch gelesen? Falls ja: Verstanden haben Sie sie nicht.

        Es geht nicht um “nützlich” per se, sondern wie man das messen kann und ob überhaupt. Ich bin wie Sie der Auffassung, dass “Nutzen” Dinge und/oder Dienstleistungen wertvoll macht. Schön.

        Die Pointe, die Sie verpasst haben, ist, dass man etwas Nützliches und somit wertvolles als Unternehmer oder auch Arbeitnehmer machen kann und dabei TROTZDEM Nettoempfänger nach Ihrem Bild ist. Dafür war das überspitzte Beispiel des Distributionsunternehmers, der mit LKW öffentlich finanzierte Straßen abnutzt. Das viel weniger überspitzte Beispiel der vielen Unternehmen und Konzerne, deren Erfolg auf öffentlich finanzierter Grundlagenforschung beruht, rückt das mal etwas näher an die Realität.

        Sie können aus den Bullshittern wie Esken und Co. nicht den Umkehrschluss ableiten, dass ein “Nettozahler” nützlich und ein “Nettoempfänger” unnütz ist. Sie können nicht mal sinnvoll ermitteln, wer genau denn wirklich mehr empfängt als gibt, weil die meisten Empfänge indirekt sind und die meisten Gaben auch. Diese haben keinen jeweiligen Einzelpreis.

        Über die direkten Abgaben in Geld (=Einzelpreise wie oben gemeint) kann ein Bullshitter einen positiven Saldo haben und ein Wertschaffer einen negativen. Die Pointe war also: Das kann man auf diese Weise nicht verknüpfen und das eine auch nicht über das andere ermitteln.

        Wenn man die Pointe erklären muss, ist der Witz natürlich dahin. Für Sie habe ich es dennoch gerne getan, weil Sie manche Zusammenhänge derart konsequent ausblenden, dass es schon physisch weh tut. Mir zumindest. Ihnen natürlich nicht, Sie sind anscheinend schmerzfrei ;-)

    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Wolfgang Selig

      >Herr Dr Stelter glaubt, die meisten Steuerzahler interessiert ihre Ausplünderung nicht. Damit hat er für den Augenblick recht…>

      Sicher nicht beabsichtigt, aber dennoch:

      Sie VERFÄLSCHEN die Aussage von Dr. Stelter.

      Er bezieht sich auf die folgende Auffassung von A. Evans-Pritchard

      >„The backlash against the ECB’s latest move has so far been muted in Germany because key figures in the Left-Right coalition are content to let central bankers save EMU. But this quiescence is misleading. German taxpayers suspect that they are being taken for a ride. Resentment is festering.“>

      und bemerkt DAZU:

      >bto: Das sehe ich nicht. Die meisten interessiert es gar nicht.>

      Gemeint ist NICHT eine vermeintliche AUSPLÜNDERUNG der Steuerzahler, sondern die RETTUNG der Währungsunion durch die EZB vor dem Zerfall.

      Das ist etwas anderes.

      Die Rettung DURCH die EZB und das WIE interessiert die meisten Menschen, ob Steuerzahler oder nicht, nicht sonderlich viel. Ist auch viel zu “technisch” für sie.

      Außerdem:

      Ausplünderung ist ein UNTAUGLICHES Konzept, weil es ein MORALISIERENDES ist.

      Die Menschen interessieren sich VOR ALLEM dafür, dass sie ihren Lebensstandard halten oder erhöhen können.

      Das ist zu ALLERERST eine Frage des Einkommens und das ist wiederum die Frage eines GUT bezahlten SICHEREN Arbeitsplatzes.

      In ZWEITER, aber nicht unerheblicher Linie ist es natürlich auch eine Frage der STEUERN und ABGABEN, was wiederum vernebelt kompensiert wird durch die UMVERTEILUNG des Staats.

      Erst HIER kommt Moral ins Spiel unter dem Stichwort „soziale Gerechtigkeit.“

      Wenn Arbeitsplatz und Einkommen auf der Kippe stehen, werden die Leute wach und resistent.

      Dann aber nicht mit Ausbeutung als Stichwort, sondern dann steht POLITIKVERSAGEN auf der Agenda, wenn eine solche Entwicklung sich nicht mehr nur lokal bemerkbar macht, sondern das Land flächig heimsucht.

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  3. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Ich freue mich ja sehr, dass AEP auch die Parallelen zwischen 2020 und 1923 erkennt:

    “Inflation spiralled higher in early 1923 after French troops occupied the Ruhr to extract war reparations. Germans stayed at home under a policy of passive resistance, a form of lockdown. Printed money covered the shortfall.”

    Für welche angeblich immer extrem wichtige nationale Aufgabe man das Geld druckt, ist im Prinzip egal. Statt Ruhrkampf oder “Kampf gegen das Coronavirus” könnten es auch “Kampf gegen Alltagsrassismus” oder der Bau einer großen Pyramide als Mausoleum für Angela Merkel sein – neben dem BER wäre vielleicht noch Platz? ;)

    Die Konsequenz ist immer Inflation.

    Antworten
  4. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    A. Evans-Pritchard bringt nicht alle Sachverhalte auf der Reihe, wenn er sagt:

    >„The Verfassungsgericht ruled that the ECB had ‘manifestly’ breached the principle of proportionality with mass bond purchases.>

    Das ist falsch.

    Man kann es nicht oft genug wiederholen:

    Das BVerfG hat KEIN Urteil über die geldpolitischen Maßnahmen der EZB getroffen und auch nicht gesagt, dass sie dabei etwas „gebrochen“ habe, sondern lediglich dargelegt, dass nicht NACHVOLLZIEHBAR sei, dass die Maßnahmen – da sie erhebliche wirtschaftspolitische Nebenwirkungen haben – verhältnismäßig seien und DAHER, so die Schlussfolgerung im Urteil, von der EZB mit Beteiligung der Bundesbank ERKLÄRT werden MÜSSE, dass die Maßnahmen mit Bezug auf die Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind.

    Das BVerfG hat demnach ein DEFIZIT festgestellt.

    Das ist etwas anderes als einen BRUCH des Prinzips der Verhältnismäßigkeit nachgewiesen zu haben.

    Zwei Aussagen, die richtig sind:

    >„Christine Lagarde is taking a big economic risk by doubling down on stimulus when the eurozone money supply is already exploding at rates unseen since the launch of the euro.>

    und

    >„The ECB may be right that a deflation spiral is the greater risk – and implicitly that inflation is part of the cure for Club Med debt dynamics>

    GENAU das ist es – eine Abwägung von RISIKEN.

    Welche Option – DEFLATION mit möglicherweise nicht mehr kontrollierbaren sozialen Verwerfungen oder LIQUIDITÄTSFLUTUNG mit möglicherweise nicht mehr akzeptabler Inflation – das GRÖSSERE Risiko beinhaltet, lässt sich NICHT feststellen.

    WIE auch?

    Eines der beiden Risiken als das ALLEINIGE Risiko zu beschwören, um eine Agenda zu pushen, ist unlauter von denen, die über Sachverstand verfügen.

    Was allerdings VÖLLIG klar ist:

    Wenn die EZB NICHT mit Liquidität fluten würde, hätten die Politiker nach Lage der Dinge KEINE Möglichkeit, die wahrscheinliche Deflation und in der Folge das noch wahrscheinlichere Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern (was nicht heißt, dass die Liquiditätsflutung das Auseinanderbrechen verhindert).

    Weil auch die Bevölkerung zwar unausgesprochen, aber dennoch erkennbar das Auseinanderbrechen der Eurozone nicht will, erfolgt das, was hier richtig benannt wird:

    „The backlash against the ECB’s latest move has so far been muted in Germany because key figures in the Left-Right coalition are content to let central bankers save EMU.

    Das gilt natürlich gleichermaßen für die anderen Regierungen in der Eurozone und EU.

    Auch klar ist, dass für den eingeschlagenen Weg der Liquiditätsflutung gilt (was auch für den alternativen Weg in die Deflation gelten würde):

    >… it is in uncharted waters and economic opinion differs widely.>

    Weil das so ist, kann man nur MÖGLICHE Szenarien durchspielen.

    Der Rückgriff auf HISTORISCHE Ereignisse ist nicht hilfreich, sondern IRREFÜHREND, weil die HEUTIGEN Bedingungen und voraussichtlichen Entwicklungen andere sind.

    Das gilt für folgende Feststellungen, die A. Evens-Pritchard trifft:

    >„While Weimar inflation stemmed from the upheavals of the First World War, Germany did succeed in stabilising the mark and controlling prices for a while. The rot set in when the Reichsbank stepped up money creation to cover falling tax revenues. Inflation spiralled higher in early 1923 after French troops occupied the Ruhr to extract war reparations. Germans stayed at home under a policy of passive resistance, a form of lockdown. Printed money covered the shortfall.“>

    Unter heutigen Bedingungen und zu erwartenden Entwicklungen wäre REALISTISCHERWEISE u. a. wie folgt zu antizipieren:

    Wenn unsere Exporte kontinuierlich fallen und damit die bereits durch Transfers an die EU dezimierten verfügbaren Steuereinnahmen nachhaltig zurückgehen würden sowie ZUGLEICH wegen der dadurch steigenden Arbeitslosigkeit die hochschnellenden Sozialausgaben nicht mehr mit am Kapitalmarkt erfolgender Verschuldung zu finanzieren wären (zu hohen Volumens und zu hoher Zinsen wegen), wird die EZB dauerhaft noch mehr Liquidität bereitstellen müssen – auch für den deutschen Staatshaushalt.

    Das KÖNNTE eine Inflationsspriale generieren.

    So müsste man z. B. begründen, warum es zu einer PROBLEMATISCHEN Inflationsentwicklung kommen könnte.

    Antworten
  5. Arda Sürel
    Arda Sürel sagte:

    Vor 2008 haben deutsche Banken Kredite an südeuropaeische Schuldner, die nie haetten vergeben werden dürfen, vergeben. Diese Kredite waren privat oder politisch (z.B. U Boote an Griechenland) motiviert und finanzierten Importe aus Deutschland . Nach 2008 stellten die Maerkte das Rollieren von Altkrediten in Frage und in einigen Faellen (z.B. Griechenland) endete dieses Rollieren vollstaendig . Da ein Stocken im Rollieren von Altschulden bei den Grössenordnungen, um die es geht, mit ziemlicher Sicherheit zur Insolvenz des europaeischen Finanzsystems geführt haette (die Glaeubiger der nicht mehr durch Neuschulden ersetzten Altschulden südlaendischer Staaten sind selber Schuldner von Krediten, die zur selben Zeit faellig werden, was sich in der Kette fortsetzt), wurde besagtes Rollieren neben den ‘Rettungsschirmen’ von der EZB übernommen.

    Jegliche Kritik an der EZB muss davon ausgehen, dass die Maerkte (diejenigen, die neue Kredite zur Bezahlung alter Kredite geben) dieses Rollieren auch ohne die EZB nun wieder weiterführen werden bzw. dass die Maerkte nicht auf den Gedanken kommen, dass ehedem kredible Schuldner (z.B. Italien oder Frankreich) vielleicht künftig doch Probleme beim Rollieren ihrer Altschulden haben werden.

    Kritiker der EZB sollten angeben, wer die neuen Kreditgeber sein werden, bzw. woher die Neufinanzierungen (Haushaltsüberschüsse, Vermögenssteuern etc.) herkommen sollen, mit denen Altkredite bei Faelligkeit bezahlt werden, ohne dass man auf die Gewaehrung eines Neukredites kurz vor der Faelligkeit des Altkredites angewiesen ist.

    Persönlich gehe ich davon aus, dass solange die Staatsschulden, diejenigen Höhen haben, die z.B. in Italien und Frankreich gegeben und von potentiellen Neuglaeubigern beobachtbar und international vergleichbar sind, das Rollieren im Euroraum ohne den Beitrag der EZB kaum möglich sein wird.

    Antworten
    • markus
      markus sagte:

      @Arda S:

      Das stimmt so. Allerdings ist das ein ungesunder Prozess, der diejenigen belohnt, die sich über Massen verschulden, und diejenigen die unvernünftig Kredite vergeben. Sowas nennt sich neudeutsch “Moral Hazard” und verstärkt die Probleme. Irgendwann wird es krachen.

      Dieses Problem des Nicht-Wahrhaben-Wollens ist in der jetzigen Zeit weit verbreitet: Entwicklung der Wirtschaft / Kapitalismus, Corona (wir werden uns sehr wahrscheinlich damit abfinden müssen mit Corona zu leben), Umwelt.

      Diese Einstellung ist wahrscheinlich typisch menschlich, allerdings bin ich der Meinung, dass das durch unsere alte und zeitgleich relativ kinderarme Gesellschaft noch verstärkt wird. Wen interessiert die Zukunft, wenn der eigene Zeithorizont nicht mehr so groß ist. Hauptsache jetzt läuft es noch gut…

      Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Arda Sürel

      >Vor 2008 haben deutsche Banken Kredite an südeuropaeische Schuldner, die nie haetten vergeben werden dürfen, vergeben. Diese Kredite waren privat oder politisch (z.B. U Boote an Griechenland) motiviert und finanzierten Importe aus Deutschland.>

      Das ist weitgehend richtig, aber nicht ganz vollständig:

      Es geht um die Finanzierung durch die Kredite deutscher Banken UND südeuropäischer Banken, die bei der Kreditvergabe mit niedrigen Zinsen aufgrund des durch den Euro eliminierten Abwertungsrisikos „wettbewerbsfähig“ waren:

      Diese Kreditvergaben finanzierten hierzulande die PRODUKTION, deren Exporte Arbeitsplätze in Deutschland sicherten und sie finanzierten Importe der südeuropäischen Länder, die dort den KONSUM erhöhten.

      Das ist erst einmal WIN-WIN-Situation, allerdings KEINE dauerhafte.

      Denn die Kapitalmärkte waren ab einem bestimmten Punkt der Verschuldung nicht mehr bereit, zu ERTRÄGLICHEN Bedingungen die Altkredite des griechischen Staats zu rollieren.

      Zu Recht so:

      Gläubiger haben bei Kreditvergabe BEDINGUNGEN mit den Schuldnern vereinbart, die durch KONSUM nicht zu erfüllen sind.

      Werden sie nicht erfüllt, rollieren sie nicht mehr zu den vorherigen Konditionen, sondern fordern einen AUFSCHLAG für das gestiegene Risiko z. B. eines Ausfalls der Zinszahlungen.

      Das „erdrosselt“ die betroffenen Länder und treibt sie in die Insolvenz.

      Ich stimme dem zu, was sie im Folgenden sagen.

      Insbesondere unterstreiche ich diese Feststellung:

      >Kritiker der EZB sollten angeben, wer die neuen Kreditgeber sein werden, bzw. woher die Neufinanzierungen (Haushaltsüberschüsse, Vermögenssteuern etc.) herkommen sollen, mit denen Altkredite bei Faelligkeit bezahlt werden, ohne dass man auf die Gewaehrung eines Neukredites kurz vor der Faelligkeit des Altkredites angewiesen ist.>

      Dazu hört man wenig.

      Und die RICHTIGE Auffassung, dass man sich besser nicht auf das Konstrukt Währungsunion eingelassen hätte, hilft genauso wenig wie LEGITIME Forderung, dass man sie verlassen müsse.

      Ich teile Ihre Meinung, dass das Rollieren ohne einen Beitrag der EZB nicht möglich sein wird.

      M. A. n. wird es ein erheblicher und zudem wachsender Beitrag sein.

      Antworten
      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @DT

        “Diese Kreditvergaben finanzierten hierzulande die PRODUKTION, deren Exporte Arbeitsplätze in Deutschland sicherten und sie finanzierten Importe der südeuropäischen Länder, die dort den KONSUM erhöhten.”

        Zum Verständnis: Meinen Sie damit, das von Kredit, den D gegeben hat, SPÄTER die Waren aus D gekauft wurden? Bzw. – mit der Einschränkung, dass der Kredit auch von Banken des Auslands kommen kann – die Leistungsbilanzungleichgewichte per Kredit VOR(!!!)finanziert wurden?

        (Das “VOR” habe ich nicht umsonst so hervorgehoben)

        Zur Erklärung: Ich habe gemeint verstanden zu haben, dass Differenzen in Leistungsbilanzen der Kreditvergabe vorausgehen und ihr nicht folgen. Ohne Anspruch auf Richtigkeit.

        Ihre Magentablette verdaue ich noch, weshalb eine Antwort später folgt.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Christian Anders

        Ich meine, dass die Banken JEDEN Landes Kredite vergeben können und emittierte Kredite kaufen können.

        Dies ist mit folgenden (Haupt)-Effekten erfolgt (etwas schematisiert, weil bei großen Projekten natürlich Konsortien mit Banken aus unterschiedlichen Ländern Kredite vergeben):

        – Der GRIECHISCHE STAAT hat Anleihen emittiert, die u.a. von deutschen Banken ins Portefeuille genommen wurden.

        Hier (vor der Griechenlandkrise):

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/189878/umfrage/wert-der-von-auslaendischen-banken-gehaltenen-griechischen-staatsanleihen/

        Nicht vornehmlich mit den Krediten, die Deutschland begeben hat, sondern mit den Krediten, die Deutschlands Banken und Versicherungen gezeichnet haben, wurden SPÄTER Waren in Deutschland gekauft und IMPORTIERT, die ansonsten wohl nicht von uns importiert worden wären, eben z. B. U-Boote.

        Das ist VORFINANZIERUNG von unseren Exporten.

        Bemerkung:

        Es ist der GLEICHE Mechanismus, der mit dem Merkel/Macron-Plan erfolgt, wobei die 500 Mrd. jetzt GESCHENKT werden.

        Sicher wird die Empfängerländer nicht U-Boote in großem Stil von uns kaufen, aber anderes. Es müssen auch nicht die Staaten, sondern es kann auch der private Sektor dieser Länder sein (Haushalte und Unternehmen), die durch die Transfers entlastet werden und bei uns kaufen. Das die RATIONALITÄT von Merkel, die Dr. Stelter KRITISIERT.

        – GRIECHISCHE BANKEN haben Kredite an griechische Bürger gegeben, die sich diese aufgrund der Euro-bedingt NIEDRIGEN Zinsen vermehrt leisten konnten. Mit diesen Krediten wurden u. a. mehr deutsche Automobile gekauft.

        Das ist FINANZIERUNG von Importen aus Deutschland.

        Unterm Strich:

        Deutsche Banken und Versicherungen sowie griechische Banken haben so finanziert, dass das Leistungbilanzungleichgwicht verstärkt wurde.

        – Deutsche Banken haben sicher auch südländischen Unternehmen Kredite gewährt. In welchem Umfang und für was, weiß ich nicht.

        Differenzen von Leistungsbilanzen können der Kreditvergabe vorausgehen, sind aber NICHT Bedingung, dass Kredite vergeben werden.

        Kreditvergaben können Leistungsbilanzungleichgewichte erhöhen, müssen sie aber NICHT erhöhen.

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @DT

        “Differenzen von Leistungsbilanzen können der Kreditvergabe vorausgehen, sind aber NICHT Bedingung, dass Kredite vergeben werden.

        Kreditvergaben können Leistungsbilanzungleichgewichte erhöhen, müssen sie aber NICHT erhöhen.”

        Danke für diese Klarstellung.

        Ich würde ergänzen wollen, denn diese Frage hat mein Selbststudium der VWL aufgeworfen (und beantwortet):
        Da Leistungsbilanzungleichgewichte rein buchhalterisch zwangsläufig durch Kapital-ex/importe reflektiert werden, stellt sich die Frage, ob die Kapitalbilanz die Leistungsbilanz bestimmt, oder umgekehrt. Umgangssprachliches Beispiel: Muss das Land, das Exportüberschüsse hat, diese durch eigene Kreditvergabe finanzieren?

        Antwort: KANN es, MUSS es aber nicht. Aus dem Wording “Exportüberschuss = Kapitalexport” den Schluss abzuleiten, da würde Geld von jemandem verliehen, mit dem dann genau die Waren dieses jemand wiederum gekauft würden, ist falsch.

        Ich hatte deshalb gefragt, weil dieser falsche Schluss (viel zu) oft durch die ökonomische Debatte geistert und ich Ihren Satz, den ich nachgefragt hatte, nicht einordnen konnte. Aber: Alles gut.

  6. markus
    markus sagte:

    “nein. Sie werden sagen, es sei gut, dass es so ist und sich freuen, den Euro auf diesem Wege gerettet zu haben. Ich höre jetzt schon unsere Politiker. Außerdem kann man die Messmethoden noch anpassen.”

    Die Politiker mit entsprechend angepassten Diäten werden “angepasst” reagieren – sprich mitziehen. Beim Wahlpöbel bin ich mir nicht so sicher. Insbesondere, wenn Preise für Produkte des Grundbedarfs oder Energie anziehen.

    Antworten
  7. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    bto: Das stimmt sicherlich, aber ich halte einen „Trumpian Turn“ für völlig ausgeschlossen. Keine Sorge!

    So einen “Trumpian Turn” hielten auch 2016 unser transatlantisches Gesinnungsjournalisten-Kollektiv und eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung (zumindest diejenigen, die bei Meinungsumfragen noch freiwillig am Telefon bleiben…) für völlig ausgeschlossen. Keine Sorge!

    https://imgur.com/a/HDCPKan

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    • Gerald Baumann
      Gerald Baumann sagte:

      Die Sorge, die Herr Stelter nicht teilt, halte ich trotzdem für angebracht. Steter Tropfen höhlt den Stein. Es kann zu einem Tipping-Point kommen, an dem die Meinung und die Berichterstattung des Mainstreams umkippt. Wenn den Leuten dann aufgeht, dass ihnen Stück um Stück das Geld aus der Tasche gezogen worden ist und sie den echten Wohlstandsverlust bemerken, wird es eng werden für das politische Establishment, auch in Deutschland.

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      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Gerald Baumann

        “Wenn den Leuten dann aufgeht, dass ihnen Stück um Stück das Geld aus der Tasche gezogen worden ist und sie den echten Wohlstandsverlust bemerken, wird es eng werden für das politische Establishment, auch in Deutschland.”

        Nicht nur für das Establishment, sondern auch für die intersektionellen Jugendbrigaden, die uns gerade mit ihrem Versuch einer Kulturrevolution terrorisieren.

        Sowas geht sehr oft schlecht für die Revolutionäre aus: Savonarola und Robespierre wurden am Ende beide hingerichtet.

      • Joerg
        Joerg sagte:

        Der war gut:
        “STELTER Tropfen hoehlt den Stein (Wirtschaftskompetenz in der Bevoelkerung)”
        LG
        Joerg

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