Inflation – das Thema der 2020er? II

–Gestern habe ich über die Rückkehr der Inflation spekuliert. Heute ergänzend ein Interview von Elga Bartsch mit der FINANZ und WIRTSCHAFT. Bartsch leitet die Forschungs­abteilung des BlackRock Investment In­stitute.

  • “Wir hatten bereits im vergangenen Jahr in einer Studie thematisiert, dass die Fiskalpolitik in einem kommenden Abschwung eine deutlich grössere Rolle spielen sollte. Wir hatten auch dafür plädiert, dass die Zentralbanken in einer Rezession direkt ­finanzielle Mittel an den Privatsektor ­bereitstellen. Das haben wir unter dem Schlagwort ‘Going Direct’ behandelt. Dies passiert nun in grossem Stil. Zudem haben die Währungshüter eine Vielzahl von neuen Stützungsprogrammen lanciert. Wir haben jedoch nicht erwartet, dass die Szenarien so bald relevant sind und in die Realität umgesetzt werden.” – bto: Wer hat das schon? Es war in dem Ausmaß nicht zu erwarten. Natürlich habe ich die Studie auch bei bto kommentiert: → BlackRock beweist: Alle, die sich mit der Materie auskennen, wissen, dass nur radikale Maßnahmen aus der Eiszeit führen
  • “Unsere Berechnungen legen nahe, dass der dauerhafte Einkommensverlust trotz der scharfen Korrektur wesentlich geringer sein wird als derjenige nach der glo­balen Finanzkrise. (…) Dieser Ausblick bedingt, dass wir von einer zweiten massiven Infektionswelle verschont bleiben und von der Wirtschaftspolitik eine adäquate Reaktion auf die wirtschaftlichen Verwerfungen bekommen. Diese Reaktion sehen wir ja durchaus, mit den Hilfspaketen vieler Regierungen. Es ist wichtig, der Konjunktur in der Öffnungsphase nochmals Schub zu verleihen. Die Notenbanken haben weiterhin die wichtige Aufgabe, die Erholungsphase der Wirtschaft in Koordination mit der Fiskalpolitik zu unterstützen.” – bto: Und das werden sie natürlich auch.
  • “Wir haben in nur wenigen Wochen mas­sivere geldpolitische Massnahmen des Fed gesehen als in den ersten fünf Jahren der Finanzkrise. Hinsichtlich Grösse und Qualität finde ich die Massnahmen durchaus angemessen. Das Fed ist auch dazu übergegangen, zum ersten Mal in der Geschichte direkt Unternehmen zu finanzieren. (…) Die Verwerfungen an den Finanzmärkten haben sich daraufhin sehr rasch beruhigt.” – bto: Die Fed hat erneut hoch-geleveragte Marktteilnehmer gerettet und bewiesen, dass wir weiter an dem Weg in den Notenbanksozialismus festhalten.
  • “Es geht darum, sicherzustellen, dass die ­Finanzmärkte liquide bleiben und reibungslos funktionieren. Wenn es Fehl­bepreisungen am Markt gibt, kann die Zentralbank nicht einfach darüber hinwegsehen – insbesondere, wenn sie systemisch zu werden drohen. Insofern haben Fed und EZB umsichtig gehandelt.” – bto: letztlich auch alternativlos.
  • “(…) der Wiederaufbaufonds (…) nimmt durchaus etwas Druck von der EZB. (…) Zum einen ist diese Initiative ein wichtiges Zeichen der Solidarität der Mitgliedländer in dieser Krise. Darüber hinaus ist diese Hilfe wichtig für das Funktionieren des Binnenmarktes, weil einzelne Länder diese Aufgabe nicht allein stemmen könnten.” – bto: als ob die paar Hundert Milliarden Euro etwas an den Problemen ändern würden …
  • “Es ist wichtig, dass diese Hilfen nicht als Kredite fliessen, sondern aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Der EZB hilft dies auch insofern, als dadurch mehr supranationale Schulden, also Obligationen europäischer Institutionen, emittiert werden – selbst, wenn die Notenbank derzeit nur 50% solcher Emissionen aufkauft. Aber ich halte diese Initiative nicht für den Einstieg in eine Fiskalunion, denn tatsächlich läuft die Finanzierung eben nicht über Eurobonds, es gibt keine gesamtschuldnerische Haftung.” – bto: Es ist schlimmer, denn es sind Transfers ohne Mitsprache.
  • “Insgesamt ist niedrige und stabile Inflation weniger wahrscheinlich geworden. Derzeit gibt es natürlich disinflationäre Kräfte, doch mittel- bis langfristig könnte sich das Blatt durchaus wenden. In der Erholungsphase, die eingesetzt hat, gibt es noch immer Bereiche mit Angebotsknappheit, was inflationär wirkt. Strengere Gesundheitsvorschriften sind preistreibend, vor allem im Dienstleistungssektor. Zudem könnte die stark expansive Geld- und Fiskalpolitik zu einem Anstieg der Inflationserwartungen führen. Es könnten weitere Jobs verloren gehen, einige davon auch für immer, was zu strukturell höherer Arbeitslosigkeit führen würde. Und denken Sie schliesslich an die De­globalisierung und den Protektionismus, die bereits vor der Krise ein Thema waren. Auch diese Tendenzen wirken eher inflationär. (…) das Virus könnte weniger disinflationäre Wirkung haben, als das vielerorts angenommen wird.” – bto: und dann auch noch das politische Interesse an Inflation. Passt zusammen.

→ fuw.ch: “‘Inflationsgefahr wird unterschätzt’”, 12. Juni 2020