Incomplete U-turns on fiscal policy

Höhere Staatsausgaben gelten als neue Wunderwaffe im Kampf gegen die Krise. Zu Recht? Wohl kaum und nur temporär. Dennoch eine wichtige Diskussion:

  • “In its latest Economic Outlook, the OECD gives a thumbs-up to Donald Trumps plans (…) to enact a large fiscal stimulus and increase infrastructure spending. The organisation forecasts a chunky boost to the US growth rate, provided Trump refrains from raising trade barriers. (…) this marks a U-turn from the OECD’s previous role as a prophet of austerity.” bto: Und damit ist die OECD ja nicht alleine, wie ein Blick auf die Kapitalmärkte zeigt.

Doch dann kommt die Kritik:

  • Trump’s policy may offer little bang for the buck. (…) the imminent Trump tax cuts may not increase spending much, and the infrastructure plan does not actually promise public investments — just tax credits for private infrastructure building.”bto: Das ist in der Tat ein Thema. Es ist sehr indirekt und damit zeitverzögert. Steuersenkungen dürften keinen so großen Effekt haben.
  • The organisation’s forecasters now assume bigger ‚fiscal multipliers‘ — the effect of a fiscal stimulus on aggregate demand — than they did deep in the crisis. But surely (…) the true fiscal multipliers were bigger then than now. That’s because more resources lay idle, ripe for mobilisation by extra government spending, and because central banks were then more convinced that they had run out of monetary tools to stimulate the economy. That means they would not feel a need to tighten monetary policy in response to bigger government budget deficits — unlike the Federal Reserve now, which is aching to raise interest rates.” bto: Ich denke nicht, dass die Notenbanken die Zinsen wirklich erhöhen wollen.
  • “(…) this amounts to a procyclical pattern of revising economic assumptions, which tends towards the destabilising policy recommendation of tightening fiscal policy in downturns and loosening it when times are good.” bto: Es passt aber in die ökonomische Agenda. Die Regierungen werden nur noch in diese Richtung denken, gerade auch mit Blick auf die “populistische Welle”.
  • The European Commission has taken a further, and very welcome, step on its slow march towards a more sensible interpretation of European budgetary rules. (…) Many people think this could only be achieved by making Germany spend more (…) The commission can recommend sanctions on too tight-fisted budgets from Berlin and dare it to find a qualified majority of governments to overturn.” bto: Es ist theoretisch richtig, praktisch natürlich Blödsinn, weil es keinen Sinn macht, ein Land mit einer demografischen Perspektive wie Deutschland zu mehr Schulden zu ermuntern. Andererseits spielt es wiederum keine Rolle, weil wir unsere Ersparnisse so blöd anlegen, da wäre es in Deutschland allemal besser.
  • “Much of the focus now is on the ‚structural‘ deficit, which gives countries an easier pass on the part of the deficit that is expected to go away by itself when the economy returns to normal. But that depends on how far from normal the economy is judged to be.” bto: Das ist das Problem bei solchen theoretischen Konzepten.
  • Marco Fioramanti and Robert Waldmann point out two ways of doing this, and your choice between them determines how you interpret the current zero-inflation environment. On the ‚traditional Phillips curve‘ view of the relationship between inflation and unemployment, below-normal inflation combined with slow growth reflects a below-capacity economy. The implication is that demand stimulus could sustainably reduce unemployment from where it is. On the ‚accelerationist‘ view, which the researchers attribute to the commission, below-normal but stable inflation indicates that the economy was below capacity at some point, and this drove inflation down, but since inflation is not continuing to fall, the economy is now back to its sustainable rate of unemployment.” bto: Das Letztere leuchtet ein, ist aber für die Befürworter größerer Staatsausgaben problematisch.
  • Dann zeigen sie am Beispiel Italiens das Ergebnis. Nach der Methodik der EU gibt es kein Problem in Italien: “The authors’ less restrictive method yields a slowly but evenly increasing sustainable unemployment rate, with an actual rate varying around in step with the economic cycle. But the method used by the commission makes the sustainable rate follow wherever actual unemployment goes. The “conclusion” is that the Italian economy has always been very close to full capacity — and by extension, very little of the deficit can be excused as cyclical.” bto: ein Schluss, dem man nur zustimmen kann! Was allerdings weder für Italien noch die EU und den Euro eine gute Nachricht ist.

→ FT (Anmeldung erforderlich): “Incomplete U-turns on fiscal policy”, 30. November 2016

Kommentare (12) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Anna
    Anna sagte:

    Nichtsdestotrotz würde mich interessieren, was mit den anderen und zudem „verplombten“ Rücklagen passiert, wenn der Euro tatsächlich zusammenbricht, verfällt oder ähnlich.

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  2. Anna
    Anna sagte:

    Und was bedeutet es für den einzelnen Bürger in D, wenn das Euro-System kollaboriert?
    Den, der nichts hat, wird es wohl nicht so sehr schaden. Aber, und hier langweile ich mal wieder mit den zur privaten Rentenvorsorge Verdonnerten – was passiert mit ihrem Ersparnissen, die fest in den Verträgen hängen?
    Und was passiert den Begüterten – die Aktien, Immobilien und ähnliche Assets gehortet haben?

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    • Johannes
      Johannes sagte:

      Es lohnt, meine ich, einen Anteil von ca. 20% des frei verfügbaren Geldes außerhalb des potentiell kollabierenden Geldsystems aufzubewahren: quasi als ,Versicherung’. Da bieten sich Gold- und Silbermünzen an (aus einer seriösen Quelle). Diese Münzen sollten sich aber im persönlichen Zugriff befinden. Was wiederum Fragen nach der sicheren Aufbewahrung aufwirft. Es lohnt zu diesem gesamten Themenkomplex einmal zu recherchieren. Auch hierzu im Blog wird ein gewisser Anteil an physisch vorhandenem Edelmetall als Versicherung empfohlen. Von der Versicherung zu trennen ist, die Anlagen mit Wertzuwachs; hiervon sind Edelmetalle m.E. zu trennen. Für kleinere Anlagen eignen sich Silbermünzen z. B. , die regelmäßig gekauft werden.

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      • Anna
        Anna sagte:

        Tatsächlich habe ich genau das bereits getan und “freue” mich seither täglich über neue Tiefstände beim Kurs.
        Nichtsdestotrotz würde mich interessieren, was mit den anderen und zudem “verplombten” Rücklagen passiert, wenn der Euro tatsächlich zusammenbricht, verfällt oder ähnlich.

      • Axel
        Axel sagte:

        Das System geht so lange gut, wie die (Arbeits) Löhne nicht erhöht werden und eine Inflation in Gang setzt. Solange sich die Finanzwelt die fettte Beute (QE Programme) teilt und nur ein paar Brosamen in die breite Bevölkerungsschicht durchsickern, um ihr zu vermitteln, daß Alles in Ordnung sei, wird die Bereicherung der Finanzeliten munter weitergehen…
        Aber glauben Sie allen Ernstes, daß Ihnen im Falle eines Crashes Edelmetalle helfen? Gold/Silber Besitz wird verboten (wie z.Zt. in Indien) oder monstös besteuert werden, wegen alternativlosigkeit und “unvorhersehbarer historischer Notwendigkeit”, etc, damit sich die Politiker weiter ihre Pfründe sichern können und ein aufgeblähtes Sozialsystem am Laufen gehalten werden muß, um soziale Unruhen zu vermeiden. Da bringt auch privat gehortetes Gold nichts, wenn der Handel damit unter strenger Strafe steht…

      • Johannes
        Johannes sagte:

        @ Axel: die Lage nach dem Crash ist mit großer Wahrscheinlichkeit anders als heute: wie, ist schwer zu sagen. Es kann kommen wie Sie sagen, es kann auch anders kommen. Nicht vorbereitet zu sein, ist für mich jedenfalls keine Option. Was empfehlen Sie?

  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Zu Trump:

    Wir wisse nicht genau, was für eine Wirtschaftspolitik er verfolgen wird.

    Wir kennen aber den IST-Zustand der US-Wirtschaft genau genug, um der Tendenz nach einigermaßen sicher sagen zu können, was sein wird, wenn dies oder jenes Angekündigte in dieser oder jener Ausprägung tatsächlich verwirklicht werden sollte.

    Steuererleichterungen, Deregulierung und Zurückführung liquider Mittel von Unternehmen in die USA lasse ich einmal beiseite – Umfang und Modalitäten sind nicht klar. Ich verweise stattdessen auf den Aspekt, der mir entscheidend zu sein scheint und definitive Aussagen erlaubt:

    Ich meine eine Fiskalpolitik, die nicht kleckert, sondern klotzt und im Wesentlichen die marode Infrastruktur betrifft.

    Dazu hat Rogoff interessante Überlegungen beigetragen:

    https://www.project-syndicate.org/commentary/trump-business-confidence-growth-boom-by-kenneth-rogoff-2016-12

    Zitat:

    “It is hard to know just how much extra debt Trump’s stimulus program will add, but estimates of $5 trillion over ten years – a 25% increase – seem sober … Exactly how much Trump’s policies will raise output and inflation is hard to know. The closer the US economy is to full capacity, the more inflation there will be. If US productivity really has collapsed as much as many scholars believe, additional stimulus is likely to raise prices a lot more than output; demand will not induce new supply.>

    Kapazitätsauslastung ist der eine Faktor, der inflationstreibend sein würde.

    Der andere ist Ressourcenmangel, hier bei quasi Vollbeschäftigung –ja, ich weiß, nur statistischer, aber im periodenbezogenen Vergleich dennoch Vollbeschäftigung – sind es die fehlenden qualifizierten Arbeitskräfte.

    Zu geringe Produktivität wäre ein dritter Faktor, der auch dann zu höherer, wenn auch abnehmend höherer Inflation führen würde, sollte es zu Produktivitätssteigerungen kommen, was ich nicht ausschließe.

    Geht man von der gegenwärtigen Lage in USA aus, implizieren Rogoffs Überlegungen, dass die von staatlicher Fiskalpolitik getriebene Ankurbelung der Nachfrage zu Inflation führen MUSS. Diese Feststellung ist unabhängig davon, ob die Finanzierung durch Staatsdefizite oder PPP erfolgt. Wie HOCH die Inflation im einen oder anderen Fall sein würde, ist eine andere Frage.

    Was höher Inflation in USA für die Weltwirtschaft bedeutet, wurde hier schon des Öfteren erörtert. Sie bedeutet nichts Gutes angesichts der globalen Verschuldung.

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  4. Johannes
    Johannes sagte:

    “Andererseits spielt es wiederum keine Rolle, weil wir unsere Ersparnisse so blöd anlegen, da wäre es in Deutschland allemal besser. ”

    Da spricht die Entwicklung der aktuellen Target II Forderungen (neues “ALLZEIT-HOCH), die Deutschland “hält” Bände und zeigt zugleich den Streß im Euro-Bankensektor, wie hier zu lesen ist:

    http://www.querschuesse.de/deutschland-buba-target2-forderung-auf-allzeithoch/

    Und sehr zutreffend bewertet Querschüsse diese Entwicklung: “Die Horter von Forderungen, ob aus Target2, Krediten und Finanzanlagen sonnen sich vermeintlich noch im Erfolg, aber nur in einem historisch betrachtet kurzen Zeitraum, bis zu den dann folgenden Abschreibungen derselben. Je höher die Ungleichgewichte, je sicherer das Brechen des Euro-Systems in dieser Ausprägung, nur noch eine Frage der Zeit und der aufgestauten Dimension.”

    Wir in Deutschland sind wahrlich meisterhaft im Horten von Forderungen (kleiner “Seitenhieb”: auch unserer moralichen Forderungen bewegen sich auf einem neuen ALLZEIT-HOCH).

    Antworten
    • Johannes
      Johannes sagte:

      … und hier die Erklärung von Hans Werner Sinn zu den steigenden Target II Salden…

      http://www.hanswernersinn.de/de/Handelsblatt_08122016

      LOHNT zu LESEN.

      “Obwohl das QE-Programm scheinbar symmetrisch angelegt ist, weil jede Notenbank in Proportion zur Landesgröße die eigenen Staatspapiere zurückkauft, wirkt es nicht symmetrisch, weil die Staatspapiere der Länder Südeuropas großenteils aus dem Ausland zurückgeholt werden, wo sie wegen früherer Schuldenexzesse und Leistungsbilanzdefizite liegen.

      So saugt etwa die Banca de España die spanischen Staatspapiere aus der ganzen Welt zurück und entschuldet damit den spanischen Staat gegenüber seinen privaten Gläubigern. Dazu bittet sie andere Notenbanken des Euro-Systems, allen voran die Bundesbank, aber auch etwa die niederländische Zentralbank, ihr neue Euro zu kreditieren und sie den Verkäufern der spanischen Staatspapiere auszuhändigen. Häufig, nämlich dann, wenn die Verkäufer nicht im Euro-Raum sitzen, bittet sie ersatzweise auch schon mal die EZB um den Gefallen.

      In letzterem Fall kommt es meistens zu Dreiecksgeschäften derart, dass die Verkäufer das von der EZB erhaltene Geld nach Deutschland oder die Niederlande überweisen, um es dort in Sicherheit zu bringen. Ein erheblicher Teil der Überweisungen wird dabei für den Kauf von Firmen oder Firmenanteilen verwendet, was sich eindrucksvoll in der Statistik der Direktinvestitionen zeigt. Die Bundesbank und die niederländische Zentralbank müssen dann nicht nur die direkten Überweisungen aus Spanien, sondern auch die indirekt vom QE-Programm induzierten Überweisungen aus den Drittländern kreditieren.

      Die von der Bundesbank und der niederländischen Notenbank vergebenen Überweisungskredite werden als Target-Forderungen gegen das Euro-System verbucht. Ende Oktober lagen sie bei netto 808 Milliarden Euro, wovon 708 Milliarden auf die Bundesbank entfielen. Gestern wurde bekannt, dass die Target-Forderung der Bundesbank allein im November um weitere 46 Milliarden Euro angestiegen ist. Mit einem Wert von 754 Milliarden Euro liegt sie nun auf einem Allzeithoch. Der bisherige Spitzenwert war mit 751 Milliarden Euro auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer des Jahres 2012 erreicht worden.”

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