Ich entschuldige mich! Die Politiker sind nicht schuld!

Es ist an der Zeit, dass ich mich für den Untertitel meines Buches entschuldige. Nein, es ist nicht die Politik, die uns ruiniert. Es sind die Bürger dieses Landes. Die Politik setzt nur die Wünsche um. Natürlich könnte man jetzt annehmen, die Politik würde dank besserer Einsicht, dennoch das Richtige für das Land tun. Aber das ist – so erkenne sogar ich das – herzlich naiv!

Wie komme ich zu der Ansicht. Nun, ich habe den OECD-Bericht “Risks that Matter” gelesen, das Ergebnis einer Befragung von 22000 Erwachsenen aus 21 Ländern, durchgeführt im April letzten Jahres. Gerade erschienen und lesenswert für jene, die sich damit vertieft beschäftigen wollen. Link wie immer am Ende.

Ich greife nur ein paar Abbildungen raus. Denn wirklich interessant ist der Bericht nicht. Dabei gehe ich der Frage nach, weshalb wir so schlecht regiert werden. Eben, weil wir es so wollen.

Zunächst die Feststellung, dass die Deutschen sich noch mehr Staat wünschen. Interessant: Frankreich und Dänemark erkennen, sie haben zu viel Staat (und das in Frankreich trotz Gelbwesten):

Quelle: OECD

Und – auch das ist wenig überraschend – die Deutschen würden gern mehr bezahlen für die Rente. Leider wurde hier nicht gezeigt, wie viele von denen, die “ja” gesagt haben, überhaupt nennenswerte Beiträge zahlen. Bekanntlich sind die, die nicht bezahlen, besonders offen für höhere Abgaben für Dritte:

Quelle: OECD

Und natürlich sollen vor allem die “Reichen” mehr bezahlen. Auch klar, wissen wir doch, dass der Neid nirgendwo so ausgeprägt ist wie in Deutschland:

Quelle: OECD

Soweit, so wenig überraschend. Doch es wird noch interessanter. Obwohl wir “reich” sind, verlangen wir mehr vom Staat. Man beachte den Unterschied zu den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Frankreich. Es gibt bei uns offensichtlich einen besonderen Drang, nach Vater Staat zu rufen.

Quelle: OECD

Dabei wollen wir aber auf keinen Fall Hilfe zur Selbsthilfe! Wir wollen mehr Transfers, aber keine Hilfe, um unser Einkommen aus eigener Kraft zu erhöhen! O. k., wir haben gerade eine gute Beschäftigungslage, doch Firmen zu gründen, wäre doch nett. Aber nicht bei uns.

Quelle: OECD

Auch Bildung wird bei uns nicht gerade großgeschrieben. Wir liegen auf der Kurve, will heißen, wie erwartet. Dabei müsste man denken, ein Land, welches so wie Deutschland von Bildung abhängt, würde da mehr investieren wollen. Interessant übrigens die wiederholte Information, dass es bei uns mit der Ungleichheit nicht so schlimm ist, wie immer gerne behauptet wird:

Quelle: OECD

Was zu der Erkenntnis führt, dass, obwohl es bei uns sehr gerecht zugeht, noch mehr Bedarf an Umverteilung besteht. Politiker erfüllen das gerne. Vielleicht liegt es wie bei den Schweden daran, dass die dynamischeren Schichten der Bevölkerung in die USA ausgewandert sind. Man beachte die dortige Bereitschaft, Ungleichheit zu akzeptieren. Da ist man auch nicht so neidisch wie hierzulande:

Quelle: OECD

Und es macht auch gar nichts aus, dass wir schon heute mit an der Spitze der Sozialleistungen liegen. Norwegen ist in einer Sonderlage, verdient das Land doch mit Rohstoffen sein Geld. Bei uns ist es die Leistung der anderen, die besteuert und mit Abgaben belegt wird. Auch hier beachte man, wo andere Länder liegen!

Quelle: OECD

Fazit: Die Bürger wollen, dass wir die Substanz aufbrauchen und lieber konsumieren als investieren. Bleibt die Frage: Machen sie dies wissentlich oder ist es eine Folge der Märchenerzählungen von Politik und Medien und der fehlenden wirtschaftlichen Bildung? Wohl beides.

→ oecd.org: “Risks that Matter”, März 2019